- Durch die Fluten bahnte, durch die dunkeln,
- Sich das Schiff die feuchte Straße leicht:
- Stürme ruhn und alle Sterne funkeln,
- Als den Wendepunkt die Nacht erreicht.
- Und der neuentthronte Kaiser stützte
- Seine Stirne mit der tapfern Hand,
- Eine Welle nach der andern sprützte
- Um das Steuer des Northumberland.
- An die Schlachten denkt der Held im Geiste,
- Die er schlug, an sein erprobtes Heer;
- Doch um ihn und seine Träume kreiste,
- Einer Riesenschlange Gleich, das Meer.
- Den des Südens Steppen nicht bezwangen,
- Den der Frost des Nordens kaum besiegt,
- Fühlt sich nun im engen Raum gefangen,
- Auf dem Schaum sich hin und her gewiegt.
- Als er hadernd solchem Truggeschicke
- Gottes Ratschluß fodert vor Gericht,
- Sieh, da zeigt sich seinem nassen Blicke
- Eines Helden Schattenbild und spricht:
- Klage nicht, wenn auch die Seele duldet,
- Klage nicht, dir ist ein Trost bereit:
- Was du leidest, litt ich unverschuldet,
- Und Colombo nannte mich die Zeit.
- Ich zuerst durchschnitt die Wasserwüste,
- Über der du deine Zähren weinst,
- Der Atlantis frühverlorne Küste,
- Dieser Fuß betrat zuerst sie einst.
- Nun erglänzt in heller Morgenstunden
- Auferstehung jenes teure Land,
- Das der Menschheit ich zum Heil gefunden,
- Nicht zum Frondienst einem Ferdinand!
- Du erlagst dem unbezwingbarn Norden;
- Aber jene, die darob sich freun,
- Werden zitternd vor entmenschten Horden
- Ihren blinden Jubel bald bereun!
- Aber kommt der große Tag der Schmerzen,
- Und es hemmt ja nichts der Zeiten Lauf,
- Nimm, Columbia, dann die freien Herzen,
- Nimm Europas letzte Helden auf!
- Wann das große Henkerschwert geschliffen,
- Meinen Kindern dann ein werter Gast,
- Kommt die Freiheit auf bekränzten Schiffen,
- Ihre Mütze pflanzt sie auf den Mast!
- Segle westwärts, sonne dich am Lichte,
- Das umglänzt den stillen Ozean;
- Denn nach Westen flieht die Weltgeschichte:
- Wie ein Herold segelst du voran!
- Sprach’s das Schattenbild und schien vergangen,
- Wie ein Stern, der im Verlöschen blinkt:
- Freude färbt des großen Würgers Wangen,
- Weil Europa hinter ihm versinkt.
Colombos Geist
… eine Ballade von August von PlatenColombos Geist von August von Platen wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/platen/colombos-geist/
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