- Zur Zeit, da man die Aehren schnitt,
- Ein Ritter auf das Waidwerk ritt
- Mit einem Sperber und zwei Hunden.
- Die hatten bald ein Wild gefunden;
- Ein Häslein war es winzig klein,
- Das flüchtete in’s Korn hinein,
- Dort aber haschte es ein Schnitter
- Und brachte es dem jungen Ritter.
- Der dacht‘: »Ich will es lassen leben
- Und einem Kind als Spielzeug geben«.
- Er streichelte das Thierlein mild
- Und trabte weiter durch’s Gefild.
- Ein Dorf an seiner Strasse lag
- Und vor dem Dorf ein Rosenhag.
- Darinnen stand am Gartenzaun
- Ein Fräulein lieblich anzuschau’n,
- An Jahren noch ein halbes Kind
- Und fromm wie Gottes Engel sind.
- Der Ritter grüsste, wie sich’s schickt;
- Und als die junge Magd erblickt
- Das Häslein mit dem weichen Fell,
- Da sprach sie zu dem Jäger schnell:
- »Herr Ritter, habt nicht solche Eil‘
- Und sagt, ist Euch das Thierlein feil?
- Es ist so zierlich und so klein,
- Drum wollt‘ ich gern, es wäre mein,«
- Der Ritter sah die Jungfrau an,
- Die war so lieb und wohlgethan;
- Es schwante ihm ein Abenteuer,
- Drum sprach er schnell: »Das Thier ist Euer.
- Ich geb‘ es Euch, wie’s leibt und lebt,
- Wenn Ihr mir Eure Minne gebt.«
- Da sprach mit traurigem Gesicht
- Die Jungfrau: »Minne hab‘ ich nicht,
- Allein ich hab‘ in meinem Schreine
- Ein Ringlein und zehn Bickelsteine
- Und einen Gürtel noch von Seide,
- Gar eine schöne Augenweide,
- Gestickt mit Perlen und Topasen;
- Den geb‘ ich Euch für Euren Hasen.«
- »Den Gürtel dein begehr‘ ich nicht,
- Du liebes Engelsangesicht!
- Allein nach deiner süssen Minne,
- Du Traute, stehen mir die Sinne.
- Drei Küsse nur vergönne mir,
- So geb‘ ich dir das junge Thier.«
- »Nichts weiter?« sprach das schöne Kind.
- »Steigt ab von Eurem Pferd geschwind,
- Zertheilt der Rosen dicht Gesträuch
- Und kommt herein und holt sie Euch.«
- Der Ritter sprang behend vom Ross,
- Die Magd in seine Arme schloss
- Und thät ihr rothes Mündlein kosen.
- Da lachten im Geheg die Rosen,
- Das Pferd, die Rüden braun und weiss,
- Und auch der Sperber lachte leis.
- Drauf ward das Häslein unverweilt
- Dem jungen Fräulein zugetheilt.
- Der Ritter, schnell sein Ross beschritt
- Und wohlgemuth von dannen ritt.
- Die Jungfrau koste sanft den Hasen
- Und tanzte lustig auf dem Rasen.
- Darauf sie flink zur Mutter lief
- Und athemlos vor Freude rief:
- »O schaut die kleine Kreatur!
- Drei Küsse war der Kaufschatz nur«,
- Und thät der Mutter haarklein sagen,
- Was sich im Garten zugetragen.
- Da war die Mutter sehr erschrocken
- Und griff dem Mägdlein in die Locken
- Und thät ihr gelbes Haar zerraufen. –
- »Ich will dich lehren Hasen kaufen!«
- Die Magd erging am andern Tag
- Sich wiederum im Rosenhag.
- Der Mutter Zürnen war ihr leid,
- Drum sprach das Kind in Traurigkeit:
- »Ach, dass der Ritter wieder käme
- Und seinen Hasen wieder nähme!«
- Und als sie’s kaum gesprochen, kam
- Herbei der Ritter lobesam
- Und grüsste über’s Rosengitter.
- Da rief das Fräulein: »Halt Herr Ritter!
- Der Kauf, den ich mit Euch geschlossen,
- Hat meine Mutter sehr verdrossen.
- Wie hat sie mir das Haar gerauft,
- Weil ich das Thier Euch abgekauft!
- Drum, lieber Herr, seid gut und mild
- Und nehmt zurück das kleine Wild
- Und gebt die Küsse Stück für Stück,
- Mir armen Mägdelein zurück.«
- Da sprach der Ritter grossmuthvoll:
- »Was Ihr begehrt, geschehen soll.«
- Er sprang geschwind von seinem Schecken
- Und schlüpfte durch die Rosenhecken,
- Umschlang behend der Jungfrau Mieder
- Und gab ihr ihre Küsse wieder.
- So mild der Ritter sich erwies,
- Dass er ihr auch den Hasen liess.
- Drob dankte ihm die Jungfrau warm
- Und nahm das Häslein auf den Arm
- Und hüpfte wie an junges Reh
- In heller Freude durch den Klee.
- Dann lief sie in das Haus hinein
- Und rief: »Vielliebe Mutter mein,
- Nun grollet länger nicht mit mir!
- Der Rittersmann war wieder hier
- Und gab mir, denkt nur, welches Glück,
- Die Küsse allesammt zurück,
- Das allerliebste, kleine Thier,
- Den Hasen aber liess er mir.«
- Der Zorn der Mutter flammte helle.
- Sie schlug die Tochter mit der Elle
- Und zeterte und schalt sie recht
- Und zauste ihr das Haargeflecht,
- Dass bittre Thränen weinen musste
- Die Magd, die nichts von Minne wusste.
- Drauf gab die Mutter gute Lehre
- Dem Kind von Sitte, Zucht und Ehre
- Und sprach: »Nun lass das Weinen steh’n,
- Denn was gescheh’n ist, ist gescheh’n,
- Und halt‘ den Mund, dass nicht im Land
- Dein Hasenhandel wird bekannt.
- Verstrichen war ein volles Jahr,
- Und Bräutigam der Ritter war.
- Das Land erscholl von Jubellaut,
- Und jeder lobte bass die Braut,
- Die Geld und Gut besass genug
- Und stolz die Jungfernschappel trug.
- Es war an einem Maientag,
- Da hielt der Ritter Hofgelag.
- Die Flöten und die Harfen klangen,
- Die Fahrenden zur Fiedel sangen.
- Der Ritter trug ein Festgewand
- Und hielt sein Fräulein an der Hand
- Und blickte fröhlich auf die Schaaren,
- Die zu dem Fest gekommen waren.
- Da sah er in den Hof, den weiten
- Zwei reichgeschmückte Frauen reiten.
- Die eine war schon hochbetagt,
- Die andre eine zarte Magd,
- Die scheu die Augen niederschlug
- Und auf dem Arm ein Häslein trug.
- Und als der Ritter sie erschaut,
- Da muss‘ er lachen überlaut.
- »Was lacht Ihr?« frug die Braut geschwind,
- Neugierig, wie die Frauen sind,
- »Sagt an, was werdet Ihr so roth?«
- Da kam der Ritter sehr in Noth.
- Er hätte, wenn’s gegangen wäre,
- Verschwiegen gern die Hasenmäre,
- Allein die Braut solang ihn plagte,
- Bis er die volle Wahrheit sagte
- Und ihr erzählte, wie das Kind
- Um einen Hasen ihn geminnt
- Und wie das Mägdlein unverweilt
- Der Mutter solches mitgetheilt
- Und wie er ohne Widerstreben
- Den Kaufschatz ihr zurückgegeben.
- Da lachte hell des Ritters Braut,
- Als ihr die Märe ward vertraut
- Und sprach: »Das arme Mägdelein
- Muss wohl ein rechtes Thörlein sein.
- Was du ihr that’st, hat mir gethan
- Wohl hundertmal der Burgkaplan,
- Doch hab‘ ich’s immer klug verhehlt
- Und meiner Mutter nie erzählt«
- Vom Sessel auf der Ritter sprang,
- Den Zorn er mühsam niederzwang.
- Er wandte sich und schritt im Flug
- Zum Fräulein, das den Hasen trug
- Und scheusam bei der Mutter stand.
- Er nahm sie bei der weissen Hand
- Und rief in das Getümmel laut:
- »Willkommen meine süsse Braut!«
- Und gab ihr den Verlobungskuss;
- Der schuf der Mutter nicht Verdruss.
- Horch! Orgelton und Glockenklang
- Und Pfaffenspruch und Chorgesang.
- Das Junge Paar zur Kirche schritt,
- Den Hasen nahm die Mutter mit.
- Da ward dem Ritter seine Braut
- Durch Priestersegen angetraut.
- Die erste Braut ward kurzer Hand
- Zu ihrem Burgkaplan gesandt.
- Dann schritten sie zum Hochzeitssaal
- Und setzten sich zum Hochzeitsmahl.
- Das Häslein mit zu Tische sass
- Und Kraut von goldnem Teller ass.
- Hier ist des Abenteuers Schluss.
- Sich findet, was sich finden muss.
Das Häslein
… eine Ballade von Rudolf BaumbachDas Häslein von Rudolf Baumbach wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/baumbach/das-haeslein/
Quelle: https://balladen.net/baumbach/das-haeslein/