Deutsche Balladen

Nachfolgend eine Übersicht deutscher Balladen. Die Liste ist standardmäßig nach dem Geburtsjahr der Dichter sortiert. Die Balladen lassen sich allerdings nach einzelnen Kriterien anordnen (Titel, Länge …).

Alle Balladen liegen im Volltext und als Druckversion vor. Einige Balladen haben wir außerdem vertont Balladenvertonung und wenige sogar analysiert Balladenanalyse.


  

geordnet nach dem Geburtsjahr der Autoren
(417 Balladen)

Titel Jahr BL
Traurige und betrübte Folgen der schändlichen Eifersucht von Johann Wilhelm Ludwig Gleim, 1756
„Die Eh‘ ist für uns arme Sünder / Ein Marterstand; / Drum, Eltern, zwingt doch keine Kinder / Ins Eheband.“
Johann Wilhelm Ludwig Gleim
1756 6203
Die Wut der Frauen von Johann Friedrich Löwen, vor 1771 †
„Ach! hört mit Furcht und Grauen / ihr guten Männer an, / wozu die Wut der Frauen / euch alle reizen kann.“
Johann Friedrich Löwen
1771 2350
Zuverlässige Geschichte von Johann Friedrich Löwen, vor 1771 †
„Ein Geist, den man schon viele Jahre / Gedruckt bei Käsekrämern fand, / Der bei dem Altar und der Bahre / Im Sold als Tagelöhner stand;“
1771 1012
Die Aufklärung von Gottlieb Konrad Pfeffel, vor 1809 †
„Auf seiner langen Wanderschaft / Durch halb Europa sah und hörte / Ein Löwe viel von Wissenschaft / Und Kunst. Als er nach Hause kehrte,“
Gottlieb Konrad Pfeffel
1809 1907
Die Wahl von Gottlieb Konrad Pfeffel, 1778
„Graf Hunerich, ein deutscher Mann, / Hielt sich und seinem Weib, / Frau Hedwig, einen Schloßkaplan / Zum frommen Zeitvertreib.“
1778 514
Pyreneus und die Musen von Daniel Schiebler, vor 1771 †
„Die Musen waren ausspaziert, / Nachdem sie gnug gesessen; / Da kam ein Sturm mit Regenflut, /Sie hatten Schirm und Sonnenhut / Zum Ungelück vergessen.“
Daniel Schiebler
1771 1622
Edward von Johann Gottfried Herder, 1779
„Dein Schwert, wie ist’s von Blut so rot? / Edward, Edward! / Dein Schwert, wie ist’s von Blut so rot, / Und gehst so traurig her? – O!“
Johann Gottfried Herder
1779 1435
Elvershöh von Johann Gottfried Herder, vor 1803 †
„Ich legte mein Haupt auf Elvershöh, / Mein‘ Augen begannen zu sinken, / Da kamen gegangen zwo Jungfraun schön, / Die thäten mir lieblich winken.“
1803 1334
Erlkönigs Tochter von Johann Gottfried Herder, 1779
„Herr Oluf reitet spät und weit, / Zu bieten auf seine Hochzeitleut; / Da tanzen die Elfen auf grünem Land, / Erlkönigs Tochter reicht ihm die Hand.“
1779 1329
Wilhelms Geist von Johann Gottfried Herder, vor 1803 †
„Da kam ein Geist zu Gretchens Thür, / Mit manchem Weh und Ach! / Und drückt‘ am Schloß und kehrt‘ am Schloß, / Und ächzte traurig nach,“
1803 1613
Das Lied vom braven Manne von Gottfried August Bürger, 1776
„Hoch klingt das Lied vom braven Mann, / Wie Orgelton und Glockenklang. / Wer hohes Muts sich rühmen kann, / Den lohnt nicht Gold, den lohnt Gesang.“
Gottfried August Bürger
1776 3699
Der Hund aus der Pfennigschenke von Gottfried August Bürger, vor 1794 †
„Es ging, was ernstes zu bestellen, / Ein Wandrer seinen stillen Gang, / Als auf ihn los ein Hund, mit Bellen, / Und Rasseln vieler Halsbandschellen,“
1794 1138
Der Kaiser und der Abt von Gottfried August Bürger, vor 1794 †
„Ich will euch erzählen ein Märchen, gar schnurrig: / Es war mal ein Kaiser; der Kaiser war kurrig; / Auch war mal ein Abt, ein gar stattlicher Herr; / Nur schade! sein Schäfer war klüger, als er.“
1794 6061
Der wilde Jäger von Gottfried August Bürger, 1786 (?)
„Der Wild- und Rheingraf stieß ins Horn: / „Hallo, Hallo zu Fuß und Roß!“ / Sein Hengst erhob sich wiehernd vorn; / Laut rasselnd stürzt‘ ihm nach der Troß; / Laut klifft‘ und klafft‘ es, frei vom Koppel, / Durch Korn und Dorn, durch Heid‘ und Stoppel.“
1786 6337
Des Pfarrers Tochter von Taubenhain von Gottfried August Bürger, 1781
„Im Garten des Pfarrers von Taubenhain / Geht’s irre bei Nacht in der Laube. / Da flüstert und stöhnt’s so ängstiglich; / Da rasselt, da flattert und sträubst es sich, / Wie gegen den Falken die Taube.“
1781 6314
Die Entführung von Gottfried August Bürger, 1778
„»Knapp‘, sattle mir mein Dänenroß, / Daß ich mir Ruh‘ erreite! / Es wird mir hier zu eng‘ im Schloß; / Ich will und muß ins Weite!« –“
1778 7955
Die Kuh von Gottfried August Bürger, 1784
„Frau Magdalis weint‘ auf ihr letztes Stück Brod; / Sie konnt‘ es vor Kummer nicht essen. / Ach, Wittwen bekümmert oft größere Noth, / Als glückliche Menschen ermessen.“
1784 2729
Die Menagerie der Götter von Gottfried August Bürger, 1774
„Wie hier an Affen, Papagein, / An Kakadu und Raben / Hofherrn und Damen insgemein / Ihr träges Müthchen laben:“
1774 1700
Die Nachtfeier der Venus von Gottfried August Bürger, 1767/71
„Morgen liebe, wer die Liebe / Schon gekant! / Morgen liebe, wer die Liebe / Nie empfand!“
1767 5833
Die Schatzgräber von Gottfried August Bürger, 1786
„Ein Winzer, der am Tode lag, / Rief seine Kinder an und sprach: / »In unserem Weinberg liegt ein Schatz. / Grabt nur danach!« – »An welchem Platz?«“
1786 615
Die Weiber von Weinsberg von Gottfried August Bürger, 1774
„Wer sagt mir an, wo Weinsberg liegt? / Sol seyn ein wakres Städtchen, / Sol haben, from und klug gewiegt, / Viel Weiberchen und Mädchen.“
1774 1998
Lenore von Gottfried August Bürger, 1773
„Lenore fuhr ums Morgenrot / Empor aus schweren Träumen: / „Bist untreu, Wilhelm, oder tot? / Wie lange willst du säumen?“ –“
1773 6735
Leonardo und Blandine von Gottfried August Bürger, 1776
„Blandine sah her, Lenardo sah hin, / Mit Augen, erleuchtet vom zärtlichsten Sinn: / Blandine, die schönste Prinzessin der Welt, / Lenardo, der Schönsten zum Diener bestellt.“
1776 12236
Sanct Stephan von Gottfried August Bürger, 1777
„Sanct Stephan war ein Gottesmann, / Von Gottes Geist berathen, / Der durch den Glauben Kraft gewann / Zu hohen Wunderthaten;“
1777 2176
Apoll und Daphne von Ludwig Heinrich Christoph Hölty, 1769
„Apoll, der gern nach Mädchen schielte, / Wie Dichter thun, / Sah einst im Thal, wo Zephyr spielte, / Die Daphne ruhn.“
Ludwig Heinrich Christoph Hölty
1769 1072
Die Nonne von Ludwig Heinrich Christoph Hölty, 1773
„Es liebt‘ in Welschland irgendwo / Ein schöner junger Ritter / Ein Mädchen, das der Welt entfloh, / Troz Klosterthor und Gitter;“
1773 2211
Ebenteuer von Ludwig Heinrich Christoph Hölty, 1771
„Ein Mann mit einem Ordensband, / Der Ritter Hardiknut, / Verließ die Stadt, und kam aufs Land, / Wie oft der Städter tut.“
1771 3006
Hexenlied von Ludwig Heinrich Christoph Hölty, 1776
„Die Schwalbe fliegt, / Der Frühling siegt, / Und spendet uns Blumen zum Kranze! / Bald huschen wir“
1776 582
Das Tagebuch von Johann Wolfgang von Goethe, 1810
„Wir hören’s oft und glauben’s wohl am Ende: / Das Menschenherz sei ewig unergründlich, / Und wie man auch sich hin und wider wende, / So sei der Christe wie der Heide sündlich.“
Johann Wolfgang von Goethe
1810 7063
Das Veilchen von Johann Wolfgang von Goethe, 1774
„Ein Veilchen auf der Wiese stand / Gebückt in sich und unbekannt; / Es war ein herzigs Veilchen. / Da kam eine junge Schäferin, / Mit leichtem Schritt und munterm Sinn,“
1774 513
Der Edelknabe und die Müllerin von Johann Wolfgang von Goethe, 1827
„Wohin? Wohin? / Schöne Müllerin! / Wie heißt du? / Liese.“
1827 660
Der Fischer von Johann Wolfgang von Goethe, 1778
„Das Wasser rauscht’, das Wasser schwoll, / Ein Fischer saß daran, / Sah nach dem Angel ruhevoll, / Kühl bis an’s Herz hinan:“
1778 810
Der getreue Eckart von Johann Wolfgang von Goethe, 1813
„»O wären wir weiter, o wär ich zu Haus! / Sie kommen, da kommt schon der nächtliche Graus; / Sie sind’s, die unholdigen Schwestern. / Sie streifen heran, und sie finden uns hier, / Sie trinken das mühsam geholte, das Bier,“
1813 1709
Der Gott und die Bajadere von Johann Wolfgang von Goethe, 1797
„Mahadöh, der Herr der Erde, / Kommt herab zum sechstenmal, / Dass er uns’res gleichen werde, / Mit zu fühlen Freud’ und Qual.“
1797 2848
Der König in Thule von Johann Wolfgang von Goethe, 1774
„Es war ein König in Thule, / Gar treu bis an das Grab, / Dem sterbend seine Buhle / Einen goldnen Becher gab.“
1774 525
Der Müllerin Verrat von Johann Wolfgang von Goethe, 1797/98
„Woher der Freund so früh und schnelle, / Da kaum der Tag im Osten graut? / Hat er sich in der Waldkapelle, / So kalt und frisch es ist, erbaut?“
1797 2231
Der Rattenfänger von Johann Wolfgang von Goethe, 1802
„Ich bin der wohlbekannte Sänger, / Der vielgereiste Rattenfänger, / Den diese altberühmte Stadt / Gewiß besonders nötig hat.“
1802 642
Der Sänger von Johann Wolfgang von Goethe, 1783
„Was hör ich draußen vor dem Tor, / Was auf der Brücke schallen? / Laß den Gesang vor unserm Ohr / Im Saale widerhallen!“
1783 1061
Der Schatzgräber von Johann Wolfgang von Goethe, 1797
„Arm am Beutel, krank am Herzen, / Schleppt ich meine langen Tage. / Armuth ist die größte Plage, / Reichthum ist das höchste Gut!“
1797 1028
Der Totentanz von Johann Wolfgang von Goethe, 1813
„Der Türmer, der schaut zu Mitten der Nacht / Hinab auf die Gräber in Lage; / Der Mond, der hat alles ins Helle gebracht; / Der Kirchhof, er liegt wie am Tage.“
1813 1659
Der untreue Knabe von Johann Wolfgang von Goethe, 1774/75
„Es war ein Knabe frech genung, / War erst aus Frankreich kommen; / Der hatt’ ein armes Mädel jung / Gar oft in Arm genommen,“
1774 1103
Der Zauberlehrling von Johann Wolfgang von Goethe, 1797
„Hat der alte Hexenmeister / Sich doch einmal wegbegeben! / Und nun sollen seine Geister / Auch nach meinem Willen leben.“
1797 1968
Die Braut von Korinth von Johann Wolfgang von Goethe, 1797
„Nach Korinthus von Athen gezogen / Kam ein Jüngling, dort noch unbekannt. / Einen Bürger hofft’ er sich gewogen; / Beide Väter waren gastverwandt,“
1797 5420
Die erste Walpurgisnacht von Johann Wolfgang von Goethe, 1799
„Es lacht der Mai! / Der Wald ist frei / Von Eis und Reifgehänge. / Der Schnee ist fort; / Am grünen Ort / Erschallen Lustgesänge.“
1799 2124
Die Spinnerin von Johann Wolfgang von Goethe, 1795 (?)
„Als ich still und ruhig spann, / Ohne nur zu stocken, / Trat ein schöner junger Mann / Nahe mir zum Rocken.“
1795 612
Die wandelnde Glocke von Johann Wolfgang von Goethe, 1813
„Es war ein Kind, das wollte nie / Zur Kirche sich bequemen, / Und sonntags fand es stets ein Wie, / Den Weg ins Feld zu nehmen.“
1813 730
Erlkönig von Johann Wolfgang von Goethe, 1780/1782
„Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? / Es ist der Vater mit seinem Kind; / Er hat den Knaben wohl in dem Arm, / Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm.“
1780 1057
Gefunden von Johann Wolfgang von Goethe, 1813
„Ich ging im Walde / So für mich hin, / Und nichts zu suchen / Das war mein Sinn.“
1813 391
Harzreise im Winter von Johann Wolfgang von Goethe, 1777
„Dem Geier gleich, / Der auf schweren Morgenwolken / Mit sanftem Fittich ruhend / Nach Beute schaut, / Schwebe mein Lied!“
1777 1823
Heidenröslein von Johann Wolfgang von Goethe, 1771
„Sah ein Knab’ ein Röslein stehn, / Röslein auf der Heiden, / War so jung und morgenschön, / Lief er schnell es nah zu sehn,“
1771 494
Hochzeitlied von Johann Wolfgang von Goethe, 1802
„Wir singen und sagen vom Grafen so gern, / Der hier in dem Schlosse gehauset, / Da, wo ihr den Enkel des seligen Herrn, / Den heute vermählten, beschmauset.“
1802 2348
Johanna Sebus von Johann Wolfgang von Goethe, 1809
„Der Damm zerreißt, das Feld erbraust, / Die Fluten spülen, die Fläche saust. / »Ich trage dich, Mutter, durch die Flut, / Noch reicht sie nicht hoch, ich wate gut.« –“
1809 1761
Legende vom Hufeisen von Johann Wolfgang von Goethe, 1797
„Als noch, verkannt und sehr gering, / unser Herr auf der Erde ging, / und viele Jünger sich zu ihm fanden, / die sehr selten sein Wort verstanden,“
1797 1858
Mignon von Johann Wolfgang von Goethe, 1782
„Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn, / Im dunkeln Laub die Goldorangen glühn, / Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht, / Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht,“
1782 595
Ritter Kurt’s Brautfahrt von Johann Wolfgang von Goethe, 1802
„Mit des Bräutigams Behagen / Schwingt sich Ritter Kurt auf’s Roß, / Zu der Trauung soll’s ihn tragen / Auf der edlen Liebsten Schloß:“
1802 1003
Vor Gericht von Johann Wolfgang von Goethe, 1776
„Von wem ich es habe, das sag ich euch nicht, / Das Kind! in meinem Leib. / »Pfui!« speit ihr aus: »die Hure da!« / Bin doch ein ehrlich Weib.“
1776 435
Wandrer und Pächterin von Johann Wolfgang von Goethe, 1802 (?)
„Kannst du, schöne Pächt’rin ohne Gleichen, / Unter dieser breiten Schattenlinde, / Wo ich Wandrer kurze Ruhe finde, / Labung mir für Durst und Hunger reichen?“
1802 1786
Wirkung in die Ferne von Johann Wolfgang von Goethe, 1808
„Die Königin steht im hohen Saal, / Da brennen der Kerzen so viele; / Sie spricht zum Pagen: »Du läufst einmal / Und holst mir den Beutel zum Spiele.“
1808 1263
Seltha, die Kindermörderin von Gotthold Friedrich Stäudlin, 1776
„Ha! wie getroffen steh‘ ich hier! / Wie ist das Mark, die Seele mir / Von bangem Schaur durchflossen! / Ach weh! es ist dein Blut, mein Kind!“
Gotthold Friedrich Stäudlin
1776 1709
Das Lied von der Glocke von Friedrich Schiller, 1799
„Fest gemauert in der Erden / Steht die Form, aus Lehm gebrannt. / Heute muß die Glocke werden, / Frisch, Gesellen! seyd zur Hand.“
Friedrich Schiller
1799 10652
Das Siegesfest von Friedrich Schiller, 1803
„Priams Feste war gesunken, / Troja lag in Schutt und Staub, / Und die Griechen, siegestrunken, / Reich beladen mit dem Raub,“
1803 3942
Das verschleierte Bild zu Sais von Friedrich Schiller, 1795
„Ein Jüngling, den des Wissens heißer Durst / Nach Sais in Ägypten trieb, der Priester / Geheime Weisheit zu erlernen, hatte / Schon manchen Grad mit schnellem Geist durcheilt,“
1795 3021
Der Alpenjäger von Friedrich Schiller, 1804
„Willst du nicht das Lämmlein hüten? / Lämmlein ist so fromm und sanft, / Nährt sich von des Grases Blüten, / Spielend an des Baches Ranft.“
1804 1249
Der Gang nach dem Eisenhammer von Friedrich Schiller, 1797
„Ein frommer Knecht war Fridolin, / Und in der Furcht des Herrn / Ergeben der Gebieterin / Der Gräfin von Saverne.“
1797 6375
Der Graf von Habsburg von Friedrich Schiller, 1803
„Zu Aachen in seiner Kaiserpracht, / Im altertümlichen Saale, / Saß König Rudolfs heilige Macht / Beim festlichen Krönungsmahle.“
1803 3821
Der Handschuh von Friedrich Schiller, 1797
„Vor seinem Löwengarten, / Das Kampfspiel zu erwarten, / Saß König Franz, / Und um ihn die Großen der Krone, / Und rings auf hohem Balkone / Die Damen in schönem Kranz.“
1797 1561
Der Kampf mit dem Drachen von Friedrich Schiller, 1798
„Was rennt das Volk, was wälzt sich dort / Die langen Gassen brausend fort? / Stürzt Rhodus unter Feuers Flammen? / Es rottet sich im Sturm zusammen,“
1798 8638
Der Ring des Polykrates von Friedrich Schiller, 1797
„Er stand auf seines Daches Zinnen, / Er schaute mit vergnügten Sinnen, / Auf das beherrschte Samos hin. / Dieß alles ist mir unterthänig, / Begann er zu Egyptens König, / Gestehe daß ich glücklich bin.“
1797 2835
Der Taucher von Friedrich Schiller, 1797
„Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp, / Zu tauchen in diesen Schlund? / Einen goldnen Becher werf ich hinab, / Verschlungen schon hat ihn der schwarze Mund.“
1797 5552
Die Bürgschaft von Friedrich Schiller, 1798
„Zu Dionys dem Tirannen schlich / Möros, den Dolch im Gewande, / Ihn schlugen die Häscher in Bande. / Was wolltest du mit dem Dolche, sprich!“
1798 4249
Die Götter Griechenlands von Friedrich Schiller, 1788
„Da ihr noch die schöne Welt regiertet, / an der Freude leichtem Gängelband / glücklichere Menschenalter führtet, / schöne Wesen aus dem Fabelland!“
1788 5907
Die Kindsmörderin von Friedrich Schiller, 1782
„Horch – die Gloken weinen dumpf zusammen, / Und der Zeiger hat vollbracht den Lauf, / Nun, so sey’s denn! – Nun, in Gottes Namen! / Grabgefährten brecht zum Richtplaz auf.“
1782 3684
Die Kraniche des Ibykus von Friedrich Schiller, 1797
„Zum Kampf der Wagen und Gesänge, / Der auf Corinthus Landesenge / Der Griechen Stämme froh vereint, / Zog Ibykus, der Götterfreund.“
1797 5299
Die Rache der Musen von Friedrich Schiller, 1782
„Weinend kamen einst die Neune / Zu dem Liedergott. / »Hör, Papachen«, rief die Kleine, / »Wie man uns bedroht!“
1782 1282
Die Teilung der Erde von Friedrich Schiller, 1795
„»Nehmt hin die Welt!« rief Zeus von seinen Höhen / Den Menschen zu. »Nehmt, sie soll euer sein! / Euch schenk ich sie zum Erb und ewgen Lehen – / Doch teilt euch brüderlich darein!«“
1795 1111
Hero und Leander von Friedrich Schiller, 1801
„Seht ihr dort die altergrauen / Schlösser sich entgegen schauen, / Leuchtend in der Sonne Gold, / Wo der Hellespont die Wellen / Brausend durch der Dardanellen / Hohe Felsenpforte rollt?“
1801 6545
Kassandra von Friedrich Schiller, 1802
„Freude war in Trojas Hallen, /
Eh die hohe Feste fiel, / Jubelhymnen hört man schallen / In der Saiten goldnes Spiel.“
1802 3182
Pegasus im Joche von Friedrich Schiller, 1795
„Auf einen Pferdemarkt – vielleicht zu Haymarket, / Wo andre Dinge noch in Waare sich verwandeln, / Bracht’ einst ein hungriger Poet / Der Musen Roß, es zu verhandeln.“
1795 3267
Ritter Toggenburg von Friedrich Schiller, 1797
„„Ritter, treue Schwesterliebe / Widmet euch dieß Herz, / Fodert keine andre Liebe, / Denn es macht mir Schmerz.“
1797 1726
Arion schifft auf Meereswogen von Ludwig Tieck, vor 1853 †
„Arion schifft auf Meereswogen / Nach seiner teuren Heimat zu, / Er wird vom Winde fortgezogen / Die See in stiller, sanfter Ruh.“
Ludwig Tieck
1853 1580
Aus Köllen war ein Edelknecht von Clemens Brentano, 1802
„Aus Köllen war ein Edelknecht / Um Botschaft ausgegangen, / Den Vater hielt ihm Engelbrecht / Der Bischof hart gefangen.“
Clemens Brentano
1802 2307
Draus bei Schleswig vor der Pforte von Clemens Brentano, 1816
„Draus bei Schleswig vor der Pforte / Wohnen armer Leute viel, / Ach des Feindes wilder Horde / Werden sie das erste Ziel.“
1816 2233
Ein Fischer saß im Kahne von Clemens Brentano, 1800/01
„Ein Fischer saß im Kahne, / Ihm war das Herz so schwer, / Sein Liebchen war gestorben, / Das glaubt‘ er nimmermehr.“
1800 1899
Es ging verirrt im Walde von Clemens Brentano, 1802
„Es ging verirrt im Walde / Ein Königstöchterlein / Laut weint sie, daß es schallte / Tief in den Wald hinein.“
1802 2224
Ich kenn ein Haus, ein Freudenhaus von Clemens Brentano, 1816
„Ich kenn ein Haus, ein Freudenhaus, / Es hat geschminkte Wangen, / Es hängt ein bunter Kranz heraus, / Drin liegt der Tod gefangen.“
1816 2563
Zu Bacharach am Rheine von Clemens Brentano, 1800/01
„Zu Bacharach am Rheine / Wohnt eine Zauberin, / Sie war so schön und feine / Und riß viel Herzen hin.“
1800 2231
Der Spielmann von Friedrich Gottlob Wetzel, vor 1819 †
„Es steht ein Spielmann vor der Tür: / Ruft ihn herein zum Feste! / Er tritt wohl in den Saal herfür, / Und grüßt die muntern Gäste: / Kennt ihr das Lied vom Rotbart nicht?“
Friedrich Gottlob Wetzel
1819 1450
Das Burgfräulein von Windeck von Adelbert von Chamisso, 1831
„Halt an den schnaubenden Rappen, / Verblendeter Rittersmann! / Gen Windeck fleucht, dich verlockend, / Der luftige Hirsch hinan.“
Adelbert von Chamisso
1831 1206
Das Riesenspielzeug von Adelbert von Chamisso, 1831
„Burg Niedeck ist im Elsaß der Sage wohl bekannt, / Die Höhe, wo vor Zeiten die Burg der Riesen stand; / Sie selbst ist nun verfallen, die Stätte wüst und leer, / Du fragest nach den Riesen, du findest sie nicht mehr.“
1831 1909
Der alte Sänger von Adelbert von Chamisso, 1834
„Sang der sonderbare Greise / Auf den Märkten, Straßen, Gassen / Gellend, zürnend seine Weise: / »Bin, der in die Wüste schreit.“
1834 1450
Der Bettler und sein Hund von Adelbert von Chamisso, 1829
„»Drei Taler erlegen für meinen Hund! / So schlage das Wetter mich gleich in den Grund! / Was denken die Herrn von der Polizei? / Was soll nun wieder die Schinderei?“
1829 1420
Der rechte Barbier von Adelbert von Chamisso, 1834
„„Und soll ich nach Philisterart / Mir Kinn und Wange putzen, / So will ich meinen langen Bart / Den letzten Tag noch nutzen;“
1834 2092
Der Soldat von Adelbert von Chamisso, 1833
„Es geht bei gedämpfter Trommel Klang; / Wie weit noch die Stätte! der Weg wie lang! / O wär er zur Ruh und alles vorbei! / Ich glaub’, es bricht mir das Herz entzwei!“
1833 483
Die alte Waschfrau von Adelbert von Chamisso, 1833
„Du siehst geschäftig bei dem Linnen / die Alte dort in weißem Haar, / die rüstigste der Wäscherinnen / im sechsundsiebenzigsten Jahr.“
1833 1338
Die Kreuzschau von Adelbert von Chamisso, 1835
„Der Pilger, der die Höhen überstiegen, / Sah jenseits schon das ausgespannte Thal / In Abendglut vor seinen Füßen liegen. / Auf duft’ges Gras, im milden Sonnenstrahl“
1835 1919
Die Löwenbraut von Adelbert von Chamisso, 1827
„Mit der Myrte geschmückt und dem Brautgeschmeid, / Des Wärters Tochter, die rosige Maid, / Tritt ein in den Zwinger des Löwen; er liegt / Der Herrin zu Füßen, vor der er sich schmiegt.“
1827 1706
Die Männer im Zobtenberge von Adelbert von Chamisso, vor 1838 †
„Es wird vom Zobtenberge gar Seltsames erzählt; / Als tausend und fünfhundert und siebzig man gezählt, / Am Sonntag Quasimodo lustwandelte hinan / Johannes Beer aus Schweidnitz, ein schlichter frommer Mann.“
1838 2215
Die Sonne bringt es an den Tag von Adelbert von Chamisso, 1827
„Gemächlich in der Werkstatt saß / Zum Frühtrunk Meister Nikolas, / Die junge Hausfrau schenkt′ ihm ein, / Es war im heitern Sonnenschein. – / Die Sonne bringt es an den Tag.“
1827 2140
Die versunkene Burg von Adelbert von Chamisso, 1836
„Es ragt umkrönt von Türmen empor aus dunklem Forst / Ein steiler luft’ger Felsen, das ist der Raubherrn Horst, / Und wie aus blauen Lüften der Aar auf seinen Fang, / So schießen sie auf Beute von dort das Tal entlang.“
1836 2625
Die Weiber von Weinsberg von Adelbert von Chamisso, 1831
„Der erste Hohenstaufe, der König Konrad, lag / Mit Heeresmacht vor Weinsberg seit manchem langen Tag. / Der Welfe war geschlagen, noch wehrte sich das Nest, / Die unverzagten Städter, die hielten es noch fest.“
1831 1223
Ein Lied von der Weibertreue von Adelbert von Chamisso, 1831
„Sie haben zwei Todte zur Ruhe gebracht; / Der Hauptmann fiel in rühmlicher Schlacht, / Mit Ehren ward er beigesetzt, / Und der, den jüngst er wacker gehetzt, / Der Räuber hängt am Galgen.“
1831 4527
Der Geiger zu Gmünd von Justinus Kerner, 1816
„Einst ein Kirchlein sonder gleichen, / Noch ein Stein von ihm steht da, / Baute Gmünd der sangesreichen / Heiligen Cäcilia,“
Justinus Kerner
1816 2671
Der reichste Fürst von Justinus Kerner, 1818
„Preisend mit viel schönen Reden / Ihrer Länder Wert und Zahl, / Saßen viele deutsche Fürsten / Einst zu Worms im Kaisersaal.“
1818 753
Die Mühle steht stille von Justinus Kerner, vor 1862 †
„Herr Irrwing reitet nachts durchs Tal der Mühle, / Ein Lichtstrahl folgt ihm und ein Windhauch kühle. / Herr Irrwing denkt: das ist des Mondes Licht; / Da haucht es hohl: »Der Mondstrahl redet nicht!«“
1862 2236
Kaiser Rudolfs Ritt zum Grabe von Justinus Kerner, vor 1862 †
„Auf der Burg zu Germersheim, / Stark am Geist, am Leibe schwach, / Sitzt der greise Kaiser Rudolf, / Spielend das gewohnte Schach.“
1862 1716
Weinsberger Weiberlist von Justinus Kerner, 1849
„»Des Zuzugs Trommeln schallen, / Weib! meinen Heckerhut! / Und sollt ich heut noch fallen, / Blut muß ich trinken, Blut!«“
1849 1281
Bertran de Born von Ludwig Uhland, 1829
„Droben auf dem schroffen Steine / Raucht in Trümmern Autafort, / Und der Burgherr steht gefesselt / Vor des Königs Zelte dort:“
Ludwig Uhland
1829 1618
Das Glück von Edenhall von Ludwig Uhland, 1834
„Von Edenhall der junge Lord / Läßt schmettern Festtrommetenschall, / Er hebt sich an des Tisches Bord / Und ruft in trunkner Gäste Schwall: / „Nun her mit dem Glücke von Edenhall!““
1834 1643
Das Schifflein von Ludwig Uhland, 1810
„Ein Schifflein ziehet leise / Den Strom hin seine Gleise. / Es schweigen, die drin wandern, / Denn Keiner kennt den Andern.“
1810 558
Das Schloß am Meere von Ludwig Uhland, 1805
„Hast du das Schloß gesehen, / Das hohe Schloß am Meer? / Golden und rosig wehen / Die Wolken drüber her.“
1805 699
Der gute Kamerad von Ludwig Uhland, 1809
„Ich hatt’ einen Kameraden, / Einen bessern findst du nit. / Die Trommel schlug zum Streite, / Er ging an meiner Seite, / In gleichem Schritt und Tritt.“
1809 336
Der Königssohn von Ludwig Uhland, 1806
„Der alte, graue König sitzt / Auf seiner Väter Throne; / Sein Mantel glänzt wie Abendrot, / Wie sinkende Sonn‘ die Krone.“
1806 3433
Der Sänger mit dem Schwert von Ludwig Uhland, vor 1862 †
„In der hohen Hall saß König Sifrid: / „Ihr Harfner, wer weiß mir das schönste Lied?“ / Und ein Jüngling trat aus der Schar behende, / die Harf‘ in der Hand, das Schwert an der Lende:“
1862 679
Der schwarze Ritter von Ludwig Uhland, 1807
„Pfingsten war, das Fest der Freude, / Das da feiern Wald und Haide. / Hub der König an zu sprechen: / „Auch aus den Hallen / Der alten Hofburg allen / Soll ein reicher Frühling brechen!““
1807 1452
Der Student von Ludwig Uhland, 1814 (?)
„Als ich einst bei Salamanka / Früh in einem Garten saß / Und bei’m Schlag der Nachtigallen / Emsig im Homerus las:“
1814 1853
Des Sängers Fluch von Ludwig Uhland, 1815
„Es stand in alten Zeiten ein Schloß, so hoch und hehr, / Weit glänzt’ es über die Lande bis an das blaue Meer, / Und rings von duft’gen Gärten ein blüthenreicher Kranz, / Drin sprangen frische Brunnen im Regenbogenglanz.“
1815 2920
Der Überfall im Wildbad von Ludwig Uhland, 1815
„In schönen Sommertagen, wann lau die Lüfte wehn, / Die Wälder lustig grünen, die Gärten blühend stehn, / Da ritt aus Stuttgarts Thoren ein Held von stolzer Art, / Graf Eberhard der Greiner, der alte Rauschebart.“
1815 3071
Die Rache von Ludwig Uhland, 1810
„Der Knecht hat erstochen den edlen Herrn, / Der Knecht wär selber ein Ritter gern. / Er hat ihn erstochen im dunklen Hain / Und den Leib versenket im tiefen Rhein.“
1810 393
Die Vätergruft von Ludwig Uhland, 1805
„Es ging wohl über die Haide / Zur alten Kapell’ empor / Ein Greis im Waffengeschmeide, / Und trat in den dunkeln Chor.“
1805 467
Freie Kunst von Ludwig Uhland, 1813
„Singe, wem Gesang gegeben, / In dem deutschen Dichterwald! / Das ist Freude, das ist Leben, / Wenn‘s von allen Zweigen schallt.“
1813 799
Graf Eberstein von Ludwig Uhland, 1815
„Zu Speier im Saale, da hebt sich ein Klingen, / Mit Fackeln und Kerzen ein Tanzen und Springen. / Graf Eberstein / Führet den Reihn / Mit des Kaisers holdseligem Töchterlein.“
1815 1161
Harald von Ludwig Uhland, 1811
„Vor seinem Heergefolge ritt / Der kühne Held Harald. / Sie zogen in des Mondes Schein / Durch einen wilden Wald.“
1811 1292
Klein Roland von Ludwig Uhland, 1808
„Frau Berta saß in der Felsenkluft, / Sie klagt’ ihr bittres Loos. / Klein Roland spielt’ in freier Luft, / Deß Klage war nicht groß.“
1808 3470
Roland Schildträger von Ludwig Uhland, 1811
„Der König Karl saß einst zu Tisch / Zu Aachen mit den Fürsten, / Man stellte Wildpret auf und Fisch / Und ließ auch keinen dürsten.“
1811 5426
Schwäbische Kunde von Ludwig Uhland, 1815
„Als Kaiser Rothbart lobesam / Zum heil’gen Land gezogen kam, / Da mußt’ er mit dem frommen Heer / Durch ein Gebirge, wüst und leer.“
1815 1646
Siegfrieds Schwert von Ludwig Uhland, 1812
„Jung Siegfried war ein stolzer Knab, / Ging von des Vaters Burg herab. // Wollt rasten nicht in Vaters Haus, / Wollt wandern in alle Welt hinaus.“
1812 764
Taillefer von Ludwig Uhland, 1813
„Normannenherzog Wilhelm sprach einmal: / »Wer singet in meinem Hof und in meinem Saal? / Wer singet vom Morgen bis in die späte Nacht, / So lieblich, daß mir das Herz im Leibe lacht?«“
1813 2410
Trinklied von Ludwig Uhland, 1815
„Wir sind nicht mehr am ersten Glas, / Drum denken wir gern an dies und das, / Was rauschet und was brauset.“
1815 1589
Vom treuen Walther von Ludwig Uhland, 1805
„Der treue Walther ritt vorbei / An unsrer Frau Kapelle. / Da kniete gar in tiefer Reu’ / Ein Mägdlein an der Schwelle.“
1805 1272
Wintermorgen von Ludwig Uhland, 1834 (?)
„Ein trüber Wintermorgen war’s, / Als wollt’ es gar nicht tagen, / Und eine dumpfe Glocke ward / Im Nebel angeschlagen.“
1834 386
Württemberg von Ludwig Uhland, 1816
„Was kann dir aber fehlen, / Mein teures Vaterland? / Man hört ja weit erzählen / Von deinem Segensstand.“
1816 912
Der Gattenmörder von Joseph von Eichendorff, vor 1857 †
„Vater und Kind gestorben / ruhen im Grabe tief, / die Mutter hat erworben / seitdem ein andrer Lieb.“
Joseph von Eichendorff
1857 2683
Der Gefangene von Joseph von Eichendorff, 1812
„In goldner Morgenstunde, / Weil alles freudig stand, / Da ritt im heitern Grunde / Ein Ritter über Land.“
1812 1561
Der Götter Irrfahrt von Joseph von Eichendorff, 1828
„Unten endlos nichts als Wasser, / Droben Himmel still und weit, / Nur das Götterland, das blasse, / Lag in Meereseinsamkeit,“
1828 2254
Der Schatzgräber von Joseph von Eichendorff, 1834
„Wenn alle Wälder schliefen, / Er an zu graben hub, / Rastlos in Berges Tiefen / Nach einem Schatz er grub.“
1834 346
Die Hochzeitsnacht von Joseph von Eichendorff, 1810
„Nachts durch die stille Runde / Rauschte des Rheines Lauf, / Ein Schifflein zog im Grunde, / Ein Ritter stand darauf.“
1810 1823
Die späte Hochzeit von Joseph von Eichendorff, 1828
„Der Mond ging unter – jetzt ist’s Zeit. – / Der Bräut’gam steigt vom Roß, / Er hat so lange schon gefreit – / Da tut sich auf das Schloß,“
1828 414
Die stille Gemeinde von Joseph von Eichendorff, 1835
„Von Bretagnes Hügeln, die das Meer / Blühend hell umsäumen, / Schaute ein Kirchlein trostreich her / Zwischen uralten Bäumen.“
1835 2622
Die verlorene Braut von Joseph von Eichendorff, 1837
„Vater und Kind gestorben / Ruhten im Grabe tief, / Die Mutter hatt erworben / Seitdem ein ander Lieb.“
1837 2693
Die Zauberin im Walde von Joseph von Eichendorff, 1808
„„Schon vor vielen, vielen Jahren / Saß ich drüben an dem Ufer, / Sah manch Schiff vorüberfahren / Weit hinein ins Waldesdunkel.“
1808 1940
Letzte Heimkehr von Joseph von Eichendorff, 1830
„Der Wintermorgen glänzt so klar, / Ein Wandrer kommt von ferne, / Ihn schüttelt Frost, es starrt sein Haar, / Ihm log die schöne Ferne, / Nun endlich will er rasten hier, / Er klopft an seines Vaters Tür.“
1830 1297
Sehnsucht von Joseph von Eichendorff, 1830/31
„Es schienen so golden die Sterne, / Am Fenster ich einsam stand / Und hörte aus weiter Ferne / Ein Posthorn im stillen Land.“
1830 628
Täuschung von Joseph von Eichendorff, 1837
„Ich ruhte aus vom Wandern, / Der Mond ging eben auf, / Da sah ich fern im Lande / Der alten Tibet Lauf,“
1837 455
Waldgespräch von Joseph von Eichendorff, 1812
„»Es ist schon spät, es wird schon kalt, / Was reitst du einsam durch den Wald? / Der Wald ist lang, du bist allein, / Du schöne Braut! Ich führ dich heim!«“
1812 482
Barbarossa von Friedrich Rückert, 1817
„Der alte Barbarossa, / Der Kaiser Friederich, / Im unterirdschen Schlosse / Hält er verzaubert sich.“
Friedrich Rückert
1817 710
Chidher von Friedrich Rückert, vor 1866 †
„Chidher, der ewig junge, sprach: / Ich fuhr an einer Stadt vorbei, / Ein Mann im Garten Früchte brach; / Ich fragte, seit wann die Stadt hier sei?“
1866 1333
Der fehlende Schöppe von Friedrich Rückert, vor 1866 †
„Zu Ebern hält man Hochgericht / über Leben und Blut; / zwölf Stühle sind zugericht / für die zwölf Schöppen gut.“
1866 720
Die sterbende Blume von Friedrich Rückert, vor 1866 †
„Hoffe! du erlebst es noch, / Daß der Frühling wiederkehrt. / Hoffen alle Bäume doch, / Die des Herbstes Wind verheert,“
1866 1961
Die verzauberte Jungfrau von Friedrich Rückert, vor 1866 †
„Die Jungfrau, die verzaubert dort / Sitzt in der Höhle Grunde, / Hat auf Erlösung fort und fort / Gewartet bis zur Stunde;“
1866 911
Erscheinung der Schnitterengel von Friedrich Rückert, vor 1866 †
„Die Mägdelein / Im Mondenschein, / Die Schnitterinnen tanzen, / Die Kleider sind / Im Abendwind / Geworfen auf die Pflanzen;“
1866 1075
Jusuf und Suleicha von Friedrich Rückert, vor 1866 †
„Lange her ist’s, dass Suleicha / Jung und schön und reich und üppig, / Josef ihren keuschen Sklaven / Wollte ziehn in ihre Arme, / Denen er den Kerker verzog.“
1866 1715
Roland der Ries‘ von Friedrich Rückert, vor 1866 †
„Roland, der Ries‘, am / Rathaus zu Bremen / Steht er im Standbild / Standhaft und wacht.“
1866 538
Das Gewitter von Gustav Schwab, 1828
„Urahne, Großmutter, Mutter und Kind, / In dumpfer Stube beisammen sind; / Es spielet das Kind, die Mutter sich schmückt, / Großmutter spinnet, Urahne gebückt“
Gustav Schwab
1828 1117
Der Mörderturm von Gustav Schwab, vor 1850 †
„Zu Würzburg steht ein grauer Turm / weit ab vom lust’gen Maine, / in seinen Balken pickt der Wurm, / es nagt das Moos am Steine.“
1850 1348
Der Reiter und der Bodensee von Gustav Schwab, 1826
„Der Reiter reitet durch’s helle Thal, / Auf’s Schneefeld schimmert der Sonne Strahl. // Er treibet im Schweiß durch den kalten Schnee, – / Will heut noch erreichen den Bodensee;“
1826 2075
Das Hünengrab von Wilhelm Müller, vor 1827 †
„Schon wieder hundert Jahre! / Ich darf aus meiner Gruft / Heraus die Blicke senden / Und schöpfen frische Luft.“
Wilhelm Müller
1827 796
Der Glockenguß zu Breslau von Wilhelm Müller, vor 1827 †
„War einst ein Glockengießer / Zu Breslau in der Stadt, / Ein ehrenwerter Meister / Gewandt in Rat und Tat.“
1827 2585
Alexius von August von Platen, 1832
„Vor der Strenge seines Vaters, vor dem allgewaltigen Zar, / Floh von Moskau weg Alexis, der aus zarterm Stoffe war: / Gern vergönnt der milde Kaiser, den er anzuflehn beschloß, / Ein Asyl dem armen Flüchtling auf Neapels Felsenschloß.“
August von Platen
1832 1593
Colombos Geist von August von Platen, 1818
„Durch die Fluten bahnte, durch die dunkeln, / Sich das Schiff die feuchte Straße leicht: / Stürme ruhn und alle Sterne funkeln, / Als den Wendepunkt die Nacht erreicht.“
1818 1678
Das Grab im Busento von August von Platen, 1820
„Nächtlich am Busento lispeln, bey Cosenza, dumpfe Lieder, / Aus den Wassern schallt es Antwort, und in Wirbeln klingt es wieder! // Und den Fluß hinauf, hinunter, zieh’n die Schatten tapfrer Gothen, / Die den Alarich beweinen, ihres Volkes besten Todten.“
1820 902
Der alte Gondolier von August von Platen, 1834
„Es sonnt sich auf den Stufen / Der seebespülten Schwelle / Ein Greis am Rand der Welle, / In weißer Locken Zier: / Und gerne steht dem Fremdling, / Der müßig wandelt, Rede / Auf seiner Fragen jede / Der alte Gondolier.“
1834 1563
Der Pilgrim vor St. Just von August von Platen, 1819
„Nacht ist′s und Stürme sausen für und für, / Hispanische Mönche, schließt mir auf die Tür! // Laßt hier mich ruhn, bis Glockenton mich weckt, / Der zum Gebet euch in die Kirche schreckt!“
1819 483
Der Tod des Carus von August von Platen, 1830
„Mutig stand an Persiens Grenzen Roms erprobtes Heer im Feld, / Carus saß in seinem Zelte, der den Purpur trug, ein Held. // Persiens Abgesandte beugten sich vor Roms erneuter Macht, / Flehn um Frieden an den Kaiser; doch der Kaiser wählt die Schlacht.“
1830 1863
Die Gründung Karthagos von August von Platen, 1832
„Vor der Goldbegier des Bruders, / Der nach ihren Schätzen schnaubt, / Der in ihres Gatten Busen / Sein verruchtes Schwert getaucht, / Flieht hinweg die schöne Dido“
1832 1886
Gambacorti und Gualandi von August von Platen, 1832
„Als Alfons, der mächtige König, / Seine Scharen ausgeschickt, / Anzufeinden jene weise / Florentinische Republik, / Die verwaltete wohlbedächtig / Cosimo von Medicis,“
1832 1309
Harmosan von August von Platen, 1830
„Schon war gesunken in den Staub der Sassaniden alter Thron, / Es plündert Mosleminenhand das schätzereiche Ktesiphon: / Schon langt am Oxus Omar an, nach manchem durchgekämpften Tag, / Wo Chosrus Enkel Jesdegerd auf Leichen eine Leiche lag.“
1830 1270
Klaglied Kaiser Otto des Dritten von August von Platen, 1834
„O Erde, nimm den Müden, / Den Lebensmüden auf, / Der hier im fernen Süden / Beschließt den Pilgerlauf! / Schon steh ich an der Grenze, / Die Leib und Seele teilt, / Und meine zwanzig Lenze / Sind rasch dahin geeilt.“
1834 1539
Luca Signorelli von August von Platen, 1830
„Die Abendstille kam herbei, / Der Meister folgt dem allgemeinen Triebe; / Verlassend seine Staffelei, / Blickt er das Bild noch einmal an mit Liebe.“
1830 1380
Saul und David von August von Platen, vor 1835 †
„Der König sitzt auf seinem Throne bang, / Er winkt, den Sohn des Isai zu rufen: / »Komm, Knabe, komm mit deinem Harfenklang!« / Und jener läßt sich nieder auf die Stufen.“
1835 825
Zobir von August von Platen, 1830
„Raublustig und schreckenverbreitend und arm / Geleitet Abdalla den Araberschwarm / Gen Afrika zu, / Vor Tripoli stehn die Beherzten im Nu.“
1830 2097
Am letzten Tage des Jahres (Silvester) von Annette von Droste-Hülshoff, vor 1848 †
„Das Jahr geht um, / Der Faden rollt sich sausend ab. / Ein Stündchen noch, das letzte heut, / Und stäubend rieselt in sein Grab, / Was einstens war lebend’ge Zeit. / Ich harre stumm.“
Annette von Droste-Hülshoff
1848 1262
Am Turme von Annette von Droste-Hülshoff, 1842
„Ich steh‘ auf hohem Balkone am Turm, / Umstrichen vom schreienden Stare, / Und lass‘ gleich einer Mänade den Sturm / Mir wühlen im flatternden Haare;“
1842 926
Bajazet von Annette von Droste-Hülshoff, 1835/36
„Der Löwe und der Leopard / Die singen Wettgesänge, / Glutsäulen heben Wettlauf an, / Und der Samum ihr Herold. / O Sonne, birg die Stralen!“
1835 1087
Das Fegefeuer des westfälischen Adels von Annette von Droste-Hülshoff, 1841
„Wo der selige Himmel, das wissen wir nicht, / Und nicht, wo der greuliche Höllenschlund, / Ob auch die Wolke zittert im Licht, / Ob siedet und qualmet Vulkanes Mund;“
1841 3649
Das Fräulein von Rodenschild von Annette von Droste-Hülshoff, 1841
„Sind denn so schwül die Nächt‘ im April? / Oder ist so siedend jungfräulich Blut? / Sie schließt die Wimper, sie liegt so still, / Und horcht des Herzens pochender Flut.“
1841 3493
Das Hirtenfeuer von Annette von Droste-Hülshoff, 1842
„Dunkel, Dunkel im Moor, / Über der Haide Nacht, / Nur das rieselnde Rohr / Neben der Mühle wacht, / Und an des Rades Speichen / Schwellende Tropfen schleichen.“
1842 1695
Der Fundator von Annette von Droste-Hülshoff, 1842
„Im Westen schwimmt ein falber Strich, / Der Abendstern entzündet sich / Grad‘ überm Sankt Georg am Tore; / Schwer haucht der Dunst vom nahen Moore.“
1842 3899
Der Geierpfiff von Annette von Droste-Hülshoff, 1841
„»Nun still! – Du an den Dohnenschlag! / Du links an den gespaltnen Baum! / Und hier der faule Fetzer mag / Sich lagern an der Klippe Saum: / Da seht fein offen übers Land / Die Kutsche ihr heranspazieren: / Und Rieder dort, der Höllenbrand, / Mag in den Steinbruch sich postieren!“
1841 4788
Der Graf von Thal von Annette von Droste-Hülshoff, 1835
„Das war der Graf von Thal, / So ritt an der Felsenwand; / Das war sein ehlich Gemahl, / Die hinter dem Steine stand.“
1835 5880
Der Graue von Annette von Droste-Hülshoff, 1841
„Im Walde steht die kleine Burg, / Aus rohem Quaderstein gefugt, / Mit Schart‘ und Fensterlein, wodurch / Der Doppelhaken einst gelugt;“
1841 5603
Der Barmekiden Untergang von Annette von Droste-Hülshoff, 1835/36
„Reiche mir die Blutorange / Mit dem süßen Zauberdufte, / Sie, die von den schönsten Lippen / Ihre Nahrung hat geraubt.“
1835 1269
Der Knabe im Moor von Annette von Droste-Hülshoff, 1842
„O, schaurig ist’s, übers Moor zu gehn, / Wenn es wimmelt vom Haiderauche, / Sich wie Phantome die Dünste drehn / Und die Ranke häkelt am Strauche,“
1842 1393
Der Mutter Wiederkehr von Annette von Droste-Hülshoff, 1844 (?)
„Du frägst mich immer von neuem, Marie, / Warum ich mein Heimathland / Die alten lieben Gebilde flieh / Dem Herzen doch eingebrannt?“
1844 6649
Der Schloßelf von Annette von Droste-Hülshoff, 1841
„In monderhellten Weihers Glanz / Liegt brütend wie ein Wasserdrach‘ / Das Schloß mit seinem Zackenkranz, / Mit Zinnenmoos und Schuppendach.“
1841 2545
Der sterbende General von Annette von Droste-Hülshoff, 1847
„Er lag im dicht verhängten Saal, / Wo grau der Sonnenstrahl sich brach, / Auf seinem Schmerzensbette lag / Der alte kranke General;“
1847 2047
Der Tod des Erzbischofs Engelbert von Köln von Annette von Droste-Hülshoff, 1841
„Der Anger dampft, es kocht die Ruhr, / Im scharfen Ost die Halme pfeifen, / Da trabt es sachte durch die Flur, / Da taucht es auf wie Nebelstreifen,“
1841 4474
Die beschränkte Frau von Annette von Droste-Hülshoff, 1841/42
„Ein Krämer hatte eine Frau, / Die war ihm schier zu sanft und milde, / Ihr Haar zu licht, ihr Aug‘ zu blau, / Zu gleich ihr Blick dem Mondenschilde;“
1841 2806
Die junge Mutter von Annette von Droste-Hülshoff, 1841/42
„Im grün verhangnen duftigen Gemach, / Auf weißen Kissen liegt die junge Mutter; / Wie brennt die Stirn! sie hebt das Auge schwach / Zum Bauer, wo die Nachtigall das Futter / Den nackten Jungen reicht: „mein armes Thier,““
1841 1699
Die Schwestern von Annette von Droste-Hülshoff, 1841/42
„Sacht pochet der Käfer im morschen Schrein, / Der Mond steht über den Fichten. / „Jesus Maria, wo mag sie seyn! / Hin will meine Angst mich richten.“
1841 6439
Die Stiftung Cappenbergs von Annette von Droste-Hülshoff, 1841
„Der Mond mit seinem blassen Finger / Langt leise durch den Mauerspalt, / Und koset, streifend längs dem Zwinger, / Norbertus‘ Stirne feucht und kalt.“
1841 2780
Die Vendetta von Annette von Droste-Hülshoff, 1841/42
„Ja, einen Feind hat der Kors‘, den Hund, / Luigi, den hagern Podesta, / Der den Ohm, so stark und gesund, / Ließ henken, den kühnen di Vesta.“
1841 4529
Die Vergeltung von Annette von Droste-Hülshoff, 1841/42
„Der Kapitän steht an der Spiere, / Das Fernrohr in gebräunter Hand, / Dem schwarzgelockten Passagiere / Hat er den Rücken zugewandt.“
1841 3022
Gethsemane von Annette von Droste-Hülshoff, vor 1848 †
„Als Christus lag im Hain Gethsemane / auf seinem Antlitz mit geschloss’nen Augen, – / die Lüfte schienen Seufzer nur zu saugen, / und eine Quelle murmelte ihr Weh,“
1848 1994
Kurt von Spiegel von Annette von Droste-Hülshoff, 1842
„O frommer Prälat, was ließest so hoch / Des Marschalks frevlen Mut du steigen! / War’s seine Gestalt, deren Adel dich trog, / Sein flatternder Witz unter Bechern und Reigen?“
1842 2984
Meister Gerhard von Köln von Annette von Droste-Hülshoff, 1842
„Wenn in den linden Vollmondnächten / Die Nebel lagern überm Rhein, / Und graue Silberfäden flechten / Ein Florgewand dem Heil’genschrein:“
1842 3076
Vorgeschichte (SECOND SIGHT) von Annette von Droste-Hülshoff, 1841
„Kennst du die Blassen im Haideland, / Mit blonden flächsenen Haaren? / Mit Augen so klar wie an Weihers Rand / Die Blitze der Welle fahren? / O sprich ein Gebet, inbrünstig, ächt, / Für die Seher der Nacht, das gequälte Geschlecht.“
1841 3591
Begegnung von Heinrich Heine, 1844
„Wohl unter der Linde erklingt die Musik, / Da tanzen die Burschen und Mädel, / Da tanzen zwei die niemand kennt, / Sie schau’n so schlank und edel.“
Heinrich Heine
1844 915
Beine hat uns zwei gegeben von Heinrich Heine, vor 1856 †
„Beine hat uns zwei gegeben / Gott der Herr, um fortzustreben, / Wollte nicht, daß an der Scholle / Unsre Menschheit kleben solle.“
1856 3078
Belsazar von Heinrich Heine, 1820
„Die Mitternacht zog näher schon; / In stummer Ruh lag Babylon. // Nur oben in des Königs Schloss, / Da flackert’s, da lärmt des Königs Tross. // Dort oben in dem Königssaal / Belsazar hielt sein Königsmahl.“
1820 1321
Der Dichter Firdusi von Heinrich Heine, 1851
„Goldne Menschen, Silbermenschen! / Spricht ein Lump von einem Toman, / Ist die Rede nur von Silber, / Ist gemeint ein Silbertoman.“
1851 4440
Der tugendhafte Hund von Heinrich Heine, 1855
„Ein Pudel, der mit gutem Fug / Den schönen Namen Brutus trug, / War vielberühmt im ganzen Land / Ob seiner Tugend und seinem Verstand.“
1855 1554
Die Grenadiere von Heinrich Heine, 1822
„Nach Frankreich zogen zwei Grenadier’, / Die waren in Rußland gefangen. / Und als sie kamen in’s deutsche Quartier, / Sie ließen die Köpfe hangen.“
1822 1064
Die Nixen von Heinrich Heine, 1844
„Am einsamen Strande plätschert die Fluth, / Der Mond ist aufgegangen, / Auf weißer Dühne der Ritter ruht, / Von bunten Träumen befangen.“
1844 779
Das Lied vom blöden Ritter von Heinrich Heine, vor 1856 †
„Es war mal ein Ritter trübselig und stumm, / Mit hohlen, schneeweißen Wangen; / Er schwankte und schlenderte schlotternd herum, / In dumpfen Träumen befangen.“
1856 1358
Das Sklavenschiff von Heinrich Heine, 1854 (?)
„Der Superkargo Mynher van Koek / Sitzt rechnend in seiner Kajüte; / Er kalkuliert der Ladung Betrag / Und die probabeln Profite.“
1854 2354
Die schlesischen Weber von Heinrich Heine, 1844
„Im düstern Auge keine Thräne, / Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne: / Deutschland, wir weben Dein Leichentuch, / Wir weben hinein den dreifachen Fluch – / Wir weben, wir weben!“
1844 744
Die Wallfahrt nach Kevlaar von Heinrich Heine, 1823/24
„Am Fenster stand die Mutter, / Im Bette lag der Sohn. / »Willst du nicht aufstehn, Wilhelm, / Zu schaun die Prozession?«“
1823 1902
Donna Clara von Heinrich Heine, 1823/24
„In dem abendlichen Garten / Wandelt des Alkaden Tochter; / Pauken- und Trommetenjubel / Klingt herunter von dem Schlosse.“
1823 2310
Es war ein alter König von Heinrich Heine, 1844
„Es war ein alter König, / Sein Herz war schwer, sein Haupt war grau; / Der arme alte König, / Er nahm eine junge Frau.“
1844 286
Frau Mette von Heinrich Heine, 1844
„Herr Peter und Bender saßen beim Wein, / Herr Bender sprach: »Ich wette, / Bezwänge dein Singen die ganze Welt, / Doch nimmer bezwingt es Frau Mette.«“
1844 1663
Jammertal von Heinrich Heine, vor 1856 †
„Der Nachtwind durch die Luken pfeift, / Und auf dem Dachstublager / Zwei arme Seelen gebettet sind; / Sie schauen so blaß und mager.“
1856 773
Karl I. von Heinrich Heine, vor 1856 †
„Im Wald, in der Köhlerhütte, sitzt / Trübsinnig allein der König; / Er sitzt an der Wiege des Köhlerkinds / Und wiegt und singt eintönig:“
1856 1017
König Harald Harfagar von Heinrich Heine, 1844
„Der König Harald Harfagar / Sitzt unten in Meeresgründen / Bei seiner schönen Wasserfee; / Die Jahre kommen und schwinden.“
1844 891
Marie Antoinette von Heinrich Heine, 1851
„Wie heiter im Tuilerienschloß / Blinken die Spiegelfenster, / Und dennoch dort am hellen Tag / Gehn um die alten Gespenster.“
1851 1602
Rhampsenit von Heinrich Heine, vor 1851 †
„Als der König Rhampsenit / Eintrat in die goldne Halle / Seiner Tochter, lachte diese, / Lachten ihre Zofen alle.“
1851 1948
Ritter Olaf von Heinrich Heine, 1844
„Vor dem Dome stehn zwey Männer, / Tragen beide rothe Röcke, / Und der Eine ist der König / Und der Henker ist der Andre.“
1844 2047
Schelm von Bergen von Heinrich Heine, 1846
„Im Schloß zu Düsseldorf am Rhein / Wird Mummenschanz gehalten; / Da flimmern die Kerzen, da rauscht die Musik, / Da tanzen die bunten Gestalten.“
1846 1542
Schlachtfeld bei Hastings von Heinrich Heine, vor 1851 †
„Der Abt von Waltham seufzte tief, / Als er die Kunde vernommen, / Daß König Harold elendiglich / Bei Hastings umgekommen.“
1851 3402
Der verlorne Sohn von Christian Friedrich Scherenberg, vor 1881 †
„Und nun ade, mein Sohn, nun tue gut / Und mach deinem Vater kein Herzeleid. / Und nun ade, mein Leben, mein Blut! / Gedenk deiner Mutter auch alle Zeit! / Gedenk deiner Eltern zu Land und See; / Du bist unsere Freude, du bist unser Weh!“
Christian Friedrich Scherenberg
1881 2055
Blücher am Rhein von August Kopisch, 1836 (?)
„Die Heere blieben am Rheine stehn: / Soll man hinein nach Frankreich gehn? / Man dachte hin und wieder nach, / Allein der alte Blücher sprach: / „Generalkarte her!“
August Kopisch
1836 382
Blücher bei Brienne von August Kopisch, vor 1853 †
„Es stob da um Brienne / Gerad’ wie auf der Tenne! / Napoleon hielt uns Stange: / Das währt dem Vater Blücher allzulange. / Ritt hin der Eisenfresser: / „Was sind denn das für Schosen?“
1853 652
Das Krähen von August Kopisch, vor 1853 †
„Ein Grobschmied hatt ein Töchterlein, / Das konnte nicht schöner und feiner sein. / Da kam der Hans den einen Tag, / Ein Bursche, wies viele geben mag:“
1853 3077
Das Wunder im Kornfeld von August Kopisch, 1836 (?)
„Der Knecht reitet hinten, der Ritter vorn, / Rings um sie woget das blühende Korn . . . / Und wie Herr Attich herniederschaut, / Da liegt im Weg ein lieblich Kind, / Von Blumen umwölbt, die sind betaut, / Und mit den Locken spielt der Wind.“
1836 893
Der Burgemeister zu Pferde von August Kopisch, vor 1853 †
„In Kriebeln war vor Zeiten gar viele Feuersnoth, / Doch einmal kommt ein Männlein mit einem Käpplein roth, / Und bringt gefaßt am Zügel ein blüthenweißes Pferd, / Und schenkts dem Burgemeister und sprach: »Das haltet werth:“
1853 810
Der Kutscher des Alten Fritz von August Kopisch, vor 1853 †
„Des Alten Fritz Leibkutscher soll aus Stein / zu Potsdamm auf dem Stall zu sehen sein – / da fährt er so einher, / als ob er lebend wär: / aller Kutscher Muster, treu und fest und grob, / Pfund genannt, umschmeißen kannt er nicht: das war sein Lob!“
1853 1132
Der Nöck von August Kopisch, 1836 (?)
„Es tönt des Nöcken Harfenschall: / Da steht sogar still der Wasserfall, / Umschwebt mit Schaum und Wogen / Den Nöck im Regenbogen. / Die Bäume neigen / Sich tief und schweigen, / Und atmend horcht die Nachtigall.-„
1836 1004
Der Schneiderjunge von Krippstedt von August Kopisch, vor 1853 †
„In Krippstedt wies ein Schneiderjunge / Dem Bürgermeister einst die Zunge: / Es war im Jahr Eintausend siebenhundert. / Der Bürgermeister sehr sich wundert / Und find’t es wider den Respekt, / Weshalb er in den Turm ihn steckt.“
1853 2191
Der Trompeter von August Kopisch, 1836 (?)
„Wenn dieser Siegesmarsch in das Ohr mir schallt, / Kaum halt ich da die Tränen mir zurück mit Gewalt. / Mein Kamerad der hat ihn geblasen in der Schlacht, / Auch schönen Mädchen oft als ein Ständchen gebracht;“
1836 1239
Des winzigen Volkes Überfahrt von August Kopisch, vor 1853 †
„Steh auf, steh auf! Es pocht ans Haus – / „Tipp, tipp!“ – Wer mag das sein? / Der alte Fährmann geht hinaus, / „Tipp, tipp!“ – Wer mag das sein? / Nichts sieht er, – halb nur scheint der Mond, / die Sache deucht ihm ungewohnt! –“
1853 2529
Die Heinzelmännchen zu Köln von August Kopisch, 1836
„Wie war zu Köln es doch vordem / mit Heinzelmännchen so bequem! / Denn, war man faul, man legte sich / hin auf die Bank und pflegte sich:“
1836 2499
Die Wettersäule von August Kopisch, vor 1853 †
„Vom Meere wirbelt´s auf wie Rauch, / und aus der Wolke senkt sich auch / der finstre Hang. / Die Wettersäule stürmt ums Riff / und faßt bereits des Helden Schiff:“
1853 2701
Zeitelmoos von August Kopisch, 1836 (?)
„Geht heim, ihr Kleinen, wärmet euch am Feuer, / Am Abend ist’s im Zeitelmoose nicht geheuer!“ — / Die Kleinen lachen. — / Und, wie er weiter reitet von der Stelle, / Wirft sich am Teich ein Mädchen in die kühle Welle…“
1836 1861
Der ewige Jude von Nikolaus Lenau, 1836
„Ich irrt allein in einem öden Tale, / Von Klippenkalk umstarrt, von dunklen Föhren; / Es war kein Laut im Hochgebirg zu hören, / Stumm rang die Nacht mit letztem Sonnenstrahle.“
Nikolaus Lenau
1836 6724
Der Postillon von Nikolaus Lenau, 1833
„Lieblich war die Maiennacht, / Silberwölklein flogen, / Ob der holden Frühlingspracht / Freudig hingezogen.“
1833 1393
Die Drei von Nikolaus Lenau, 1842
„Drei Reiter nach verlorner Schlacht, / Wie reiten sie so sacht, so sacht! / Aus tiefen Wunden quillt das Blut, / Es spürt das Roß die warme Flut.“
1842 649
Die drei Indianer von Nikolaus Lenau, 1834
„Mächtig zürnt der Himmel im Gewitter, / Schmettert manche Rieseneich in Splitter, / Übertönt des Niagara Stimme, / Und mit seiner Blitze Flammenruten / Peitscht er schneller die beschäumten Fluten, / Daß sie stürzen mit empörtem Grimme.“
1834 1377
Die drei Zigeuner von Nikolaus Lenau, 1837/38
„Drei Zigeuner fand ich einmal / Liegen an einer Weide, / Als mein Fuhrwerk mit müder Qual / Schlich durch sandige Heide.“
1837 715
Die Heideschenke von Nikolaus Lenau, 1827/30
„Ich zog durchs weite Ungarland; / Mein Herz fand seine Freude, / Als Dorf und Busch und Baum verschwand / Auf einer stillen Heide.“
1827 3510
Die Werbung von Nikolaus Lenau, 1826 (?)
„Rings im Kreise lauscht die Menge / Bärtiger Magyaren froh; / Aus dem Kreise rauschen Klänge: / Was ergreifen die mich so? –“
1826 2939
Der Feuerreiter von Eduard Mörike, 1824
„Sehet ihr am Fensterlein / Dort die rothe Mütze wieder? / Nicht geheuer muß es sein, / Denn er geht schon auf und nieder. / Und auf einmal welch Gewühle / Bei der Brücke, nach dem Feld’!“
Eduard Mörike
1824 1079
Der Zauberleuchtturm von Eduard Mörike, vor 1875 †
„Des Zauberers sein Mägdlein saß / in ihrem Saale rund von Glas; / sie spann beim hellen Kerzenschein / und sang so glockenhell darein.“
1875 1056
Die Geister am Mummelsee von Eduard Mörike, 1828 (?)
„Vom Berge was kommt dort um Mitternacht spaet / Mit Fackeln so praechtig herunter? / Ob das wohl zum Tanze, zum Feste noch geht? / Mir klingen die Lieder so munter. / O nein! / So sage, was mag es wohl sein?“
1828 977
Die schlimme Gret und der Königssohn von Eduard Mörike, 1828
„„Gott grüß dich, junge Müllerin! / Heut wehen die Lüfte wohl schön?“ / „Laßt sie wehen von Morgen und Abend, / Meine leere Mühle zu drehn!““
1828 3983
Die Tochter der Heide von Eduard Mörike, 1861
„Wasch dich, mein Schwesterchen, wasch dich! / Zu Robins Hochzeit gehn wir heut: / Er hat die stolze Ruth gefreit. / Wir kommen ungebeten;“
1861 786
Die traurige Krönung von Eduard Mörike, 1828
„Es war ein König Milesint, / Von dem will ich euch sagen: / Der meuchelte sein Bruderskind, / Wollte selbst die Krone tragen.“
1828 902
Schön-Rohtraut von Eduard Mörike, 1838
„Wie heißt König Ringangs Töchterlein? / Rohtraut, Schön-Rohtraut. / Was tut sie denn den ganzen Tag, / Da sie wohl nicht spinnen und nähen mag?“
1838 863
Zwei Liebchen von Eduard Mörike, 1838 (?)
„Ein Schifflein auf der Donau schwamm, / Drin saßen Braut und Bräutigam, / Er hüben und sie drüben. / Sie sprach: »Herzliebster, sage mir, / Zum Angebind was geb ich dir?«“
1838 979
Botenart von Anastasius Grün, 1837 (?)
„Der Graf kehrt heim vom Festturnei, / Da wallt an ihm sein Knecht vorbei. / Hallo, woher des Wegs, sag’ an! / Wohin, mein Knecht, geht deine Bahn?“
Anastasius Grün
1837 992
Der Brautkuß von Anastasius Grün, vor 1876 †
„Was flattern die Raben am Hochgericht? / Was wimmert der Eulen ächzend Gezücht? / Sie wimmern der Sünderin Leichengesang, / Den Totenreih’n flattern die Raben bang.“
1876 2356
Der Deserteur von Anastasius Grün, 1837 (?)
„Auf der Hauptwacht sitzt geschlossen / Des Gebirges schlanker Sohn, / Morgen frühe wird erschossen, / Der dreimal der Fahn’ entflohn.“
1837 2120
Aus dem schlesischen Gebirge von Ferdinand Freiligrath, 1842/1844
„»Nun werden grün die Brombeerhecken; / Hier schon ein Veilchen – welch ein Fest! / Die Amsel sucht sich dürre Stecken, / Und auch der Buchfink baut sein Nest.“
Ferdinand Freiligrath
1842 1958
Der Scheik am Sinai von Ferdinand Freiligrath, vor 1876 †
„„Tragt mich vor’s Zelt hinaus sammt meiner Ottomane! / Ich will ihn selber sehn! – Heut‘ kam die Karavane / Aus Afrika, sagt ihr, und mit ihr das Gerücht? / Tragt mich vor’s Zelt hinaus! wie an den Wasserbächen / Sich die Gazelle letzt, will ich an seinem Sprechen / Mich letzen, wenn er Wahrheit spricht.““
1876 2216
Die Trompete von Gravelotte von Ferdinand Freiligrath, vor 1876 †
„Sie haben Tod und Verderben gespiehn; / Wir haben es nicht gelitten. / Zwei Colonnen Fussvolk, zwei Batterie’n, / Wir haben sie niedergeritten.“
1876 1044
Die Trompete von Vionville von Ferdinand Freiligrath, vor 1876 †
„Sie haben Tod und Verderben gespien: / Wir haben es nicht gelitten. / Zwei Kolonnen Fußvolk, zwei Batterien, / wir haben sie niedergeritten.“
1876 1029
Löwenritt von Ferdinand Freiligrath, vor 1876 †
„Wüstenkönig ist der Löwe; will er sein Gebiet durchfliegen, / Wandelt er nach der Lagune, in dem hohen Schilf zu liegen. / Wo Gazellen und Giraffen trinken, kauert er im Rohre; / Zitternd über dem Gewalt’gen rauscht das Laub der Sykomore.“
1876 2089
Prinz Eugen, der edle Ritter von Ferdinand Freiligrath, vor 1876 †
„Zelte, Posten, Werda-Rufer! / Lustge Nacht am Donauufer! / Pferde stehn im Kreis umher / Angebunden an den Pflöcken; / An den engen Sattelböcken / Hangen Karabiner schwer.“
1876 886
Aus der Kindheit von Friedrich Hebbel, 1843
„„Ja, das Kätzchen hat gestohlen, / und das Kätzchen wird ertränkt. / Nachbars Peter sollst du holen, / daß er es im Teich versenkt!““
Friedrich Hebbel
1843 1700
Das alte Haus von Friedrich Hebbel, 1834
„Der Maurer schreitet frisch heraus, / er soll dich niederbrechen; / da ist es mir, du altes Haus, / als hörte ich dich sprechen: / »Wie magst du mich, das lange Jahr’ / der Lieb’ und Eintracht Tempel war, / wie magst du mich zerstören?«“
1834 1783
Das Kind am Brunnen von Friedrich Hebbel, 1841
„Frau Amme, Frau Amme, das Kind ist erwacht! / Doch die liegt ruhig im Schlafe. / Die Vöglein zwitschern, die Sonne lacht, / Am Hügel weiden die Schafe.“
1841 998
Der Heideknabe von Friedrich Hebbel, vor 1863 †
„Der Knabe träumt, man schicke ihn fort / Mit dreißig Talern zum Heideort, / Er ward drum erschlagen am Wege / Und war doch nicht langsam und träge.“
1863 2522
Der heilige Wein von Friedrich Hebbel, vor 1863 †
„Es schlichen zwei schlimme Gesellen / sich in die Kapelle hinein: / in Kannen, in goldnen, geweihten, / stand dort der heilige Wein.“
1863 763
Der Invalide von Friedrich Hebbel, vor 1863 †
„Frei zieh ich durch Dörfer und Städte, / Frei zieh ich von Haus zu Haus, / Und um mein Amt zu vermelden: / Ich glaub, ich säe die Helden / Für künftige Schlachten aus.“
1863 621
Die Odaliske von Friedrich Hebbel, 1853
„Es harrt auf weichem Purpursamt / Die jüngste Sklavin ihres Herrn, / Und unter dunkler Braue flammt / Ihr Auge, wie ein irrer Stern.“
1853 1354
Vater und Sohn von Friedrich Hebbel, vor 1863 †
„»Wer hat die Kerze ins Dach gesteckt?« / Mein Sohn, dein Knabe tat’s! / »Sein Arm ist zu kurz, wie hoch er ihn reckt!« / Ich hob ihn empor, er erbat’s.“
1863 1321
Vater unser von Friedrich Hebbel, 1839
„Blitze lauern hinter Wolken, / In den Eichen wühlt der Sturm; / Dicker Wald; ein Notgeläute / Hallt schon dumpf von manchem Turm.“
1839 1317
Bothwell von Emanuel Geibel, 1860/64
„Wie bebte Königin Marie, / Als durchs geheime Pförtlein spat / Mit ungebognem Haupt und Knie / In ihr Gemach Graf Bothwell trat!“
Emanuel Geibel
1860 1029
Der Tod des Tiberius von Emanuel Geibel, vor 1884 †
„Bei Kap Misenum winkt ein fürstlich Haus / aus Lorbeerwipfeln zu des Meeres Küsten, / mit Säulengängen, Mosaiken, Büsten, / und jedem Prunkgerät zu Fest und Schmaus.“
1884 5163
Des Woiewoden Tochter von Emanuel Geibel, vor 1884 †
„Es steht im Wald, im tiefen Wald / Das Haus des Woiewoden; / Eiszapfen hangen am Dache kalt, / Und Schnee bedeckt den Boden.“
1884 1403
Die Goldgräber von Emanuel Geibel, 1870
„Sie waren gezogen über das Meer, / Nach Glück und Gold stand ihr Begehr, / Drei wilde Gesellen, vom Wetter gebräunt, / Und kannten sich wohl und waren sich freund.“
1870 2224
Die weiße Schlange von Emanuel Geibel, 1844/53
„Auf der Burg in reichgeschmückter Halle / Schweigsam brütend sitzt der greise Stojan, / Sitzt beim vollen Silberkrug und trinkt nicht, / Starrt empor zum Balkenwerk der Decke, / Das von güldnen Drachenköpfen funkelt;“
1844 7773
Friedrich Rotbart von Emanuel Geibel, 1837
„Tief im Schloße des Kyffhäusers / Bei der Ampel rotem Schein / Sitzt der alte Kaiser Friedrich / An dem Tisch von Marmorstein.“
1837 1224
Krokodilromanze von Emanuel Geibel, 1873/77
„Ich bin ein altes Krokodil / Und sah schon die Osirisfeier; / Bei Tage sonn ich mich im Nil, / Bei Nacht am Strande leg ich Eier.“
1873 339
Omar von Emanuel Geibel, vor 1884 †
„Inmitten seiner Turbankrieger, / Die Stirne voll Gewitterschein, / Zog Omar, der Kalif, als Sieger / Ins Tor der Ptolemäer ein.“
1884 1880
Geschwisterblut von Theodor Storm, 1853 (?)
„Sie saßen sich genüber bang / Und sahen sich an in Schmerzen; / Oh, lägen sie in tiefster Gruft / Und lägen Herz an Herzen! –“
Theodor Storm
1853 1906
In Bulemanns Haus von Theodor Storm, vor 1888 †
„Es klippt auf den Gassen im Mondenschein; / Das ist die zierliche Kleine, / Die geht auf ihren Pantöffelein / Behend und mutterseelenallein / Durch die Gassen im Mondenscheine.“
1888 1912
Von Katzen von Theodor Storm, vor 1848
„Vergangnen Maitag brachte meine Katze / Zur Welt sechs allerliebste kleine Kätzchen, / Maikätzchen, alle weiß mit schwarzen Schwänzchen. / Fürwahr, es war ein zierlich Wochenbettchen!“
1848 1340
Walpurgisnacht von Theodor Storm, vor 1888 †
„Am Kreuzweg weint die verlassene Maid, / Sie weint um verlassene Liebe. / Die klagt den fliegenden Wolken ihr Leid, / Ruft Himmel und Hölle zu Hülfe. –“
1888 866
Aktäon von Gottfried Keller, vor 1890 †
„Aktäon hat im dunklen Hain / Das edle Wild gefällt, / Da sah von einem milden Schein / Die Waldflut er erhellt.“
Gottfried Keller
1890 662
Ballade vom dürren König von Gottfried Keller, vor 1845 †
„Es war ein dürrer König, der hatt‘ ein Land am Meer; / Er fuhr an seinen Küsten brandschatzend hin und her. / So oft im Maienscheine erglüht sein Felsenhaus, / Zog er mit Schiff und Knechten und leeren Seckeln aus.“
1845 2738
Das Köhlerweib ist trunken von Gottfried Keller, 1851/54
„Das Köhlerweib ist trunken / Und singt im Wald; / Hört, wie die Stimme gellend / Im Grünen hallt! // Sie war die schönste Blume, / Berühmt im Land; / Es warben Reich‘ und Arme / Um ihre Hand.“
1851 362
Der Narr des Grafen von Zimmern von Gottfried Keller, 1878
„Was rollt so zierlich, klingt so lieb / Treppauf und ab im Schloss? / Das ist des Grafen Zeitvertreib / Und stündlicher Genoss:“
1878 1189
Die kleine Passion von Gottfried Keller, 1872
„Der sonnige Duft, Semptemberluft, / sie wehten ein Mücklein mir aufs Buch. / Das suchte sich die Ruhegruft / und fern vom Wald sein Leichentuch.“
1872 973
Ein Schwurgericht von Gottfried Keller, 1878
„Da liegt ein Blatt, von meiner Hand beschrieben / In Tagen, die nun lang dahin geschwunden, / So lang, daß halb verblich die flücht’ge Schrift. / Doch wie ich lese, wird ein Unterfangen, / Ein wunderliches, wieder mir lebendig, / Das mich befiel in wunderlicher Zeit,“
1878 3785
Panard und Galet von Gottfried Keller, 1845
„Sie kamen von der Tränke,
Sie wankten aus der Schenke / Mit einer Zecherschar, / Als es Karfreitag morgen / Und grabesstille war.“
1845 759
Von Kindern von Gottfried Keller, 1847
„Man merkte, daß der Wein geraten war: / Der alte Bettler wankte aus dem Tor, / Die Wangen glühend wie ein Rosenflor, / Mutwillig flatterte sein Silberhaar.“
1847 471
Archibald Douglas von Theodor Fontane, 1854 (?)
„„Ich hab’ es getragen sieben Jahr / Und ich kann es nicht tragen mehr, / Wo immer die Welt am schönsten war, / Da war sie öd’ und leer.“
Theodor Fontane
1854 2434
Barbara Allen von Theodor Fontane, 1855
„Es war im Herbst, im bunten Herbst, / Wenn die rotgelben Blätter fallen, / Da wurde John Graham vor Liebe krank, / Vor Liebe zu Barbara Allen.“
1855 1037
Das Trauerspiel von Afghanistan von Theodor Fontane, 1858
„Der Schnee leis stäubend vom Himmel fällt, / Ein Reiter vor Dschellalabad hält, / „Wer da!“ – „„Ein britischer Reitersmann, / Bringe Botschaft aus Afghanistan.“““
1858 1286
Die Balinesenfrauen auf Lombok von Theodor Fontane, 1895
„Unerhört, / Auf Lombok hat man sich empört, / Auf der Insel Lombok die Balinesen / Sind mit Mynheer unzufrieden gewesen.“
1895 1035
Die Brück‘ am Tay von Theodor Fontane, 1880
„»Wann treffen wir drei wieder zusamm?« / »Um die siebente Stund‘, am Brückendamm.« / »Am Mittelpfeiler.« / »Ich lösche die Flamm.« / »Ich mit.« // »Ich komme vom Norden her.« / »Und ich vom Süden.« / »Und ich vom Meer.«“
1880 1839
Die drei Raben von Theodor Fontane, vor 1898 †
„Drei Raben saßen auf einem Baum, / Drei schwärzere Raben gab es kaum. / Der eine sprach zu den andern zwei’n: / „Wo nehmen wir unser Frühmahl ein?““
1898 617
Die zwei Raben von Theodor Fontane, 1855
„Ich ging über’s Heidemoor allein, / Da hört ich zwei Raben kreischen und schrein; / Der eine rief dem andern zu: / »Wo machen wir Mittag, ich und du?«“
1855 621
Goodwin-Sand von Theodor Fontane, 1857
„Das sind die Bänke von Goodwin-Sand, / Sie sind nicht Meer, sie sind nicht Land, / Sie schieben sich, langsam, satt und schwer, / Wie eine Schlange hin und her.“
1857 564
Gorm Grymme von Theodor Fontane, 1864 (?)
„König Gorm herrscht über Dänemark, / Er herrscht‘ die dreißig Jahr, / Sein Sinn ist fest, seine Hand ist stark, / Weiß worden ist nur sein Haar, / Weiß worden sind nur seine buschigen Brau’n, / Die machten manchen stumm;“
1864 2245
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland von Theodor Fontane, 1889
„Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, / Ein Birnbaum in seinem Garten stand, / Und kam die goldene Herbsteszeit / Und die Birnen leuchteten weit und breit, / Da stopfte, wenn’s Mittag vom Turme scholl, / Der von Ribbeck sich beide Taschen voll.“
1889 1372
Jan Bart von Theodor Fontane, 1858
„Jan Bart geht über den Vlissinger Damm. / „Hür’, Katrin, wi trecken tosamm; / En Huus, en Boot, ’ne Zieg’ un ’ne Kuh’, / Wat mienst, Katrin? sy miene Fru.““
1858 1032
John Maynard von Theodor Fontane, 1886
„John Maynard! / „Wer ist John Maynard?“ / „John Maynard war unser Steuermann, / Aushielt er bis er das Ufer gewann, / Er starb für uns, er trägt die Kron’, / Er hat uns gerettet, die Liebe sein Lohn. / John Maynard.““
1886 1927
Kaiser Friedrich III. letzte Fahrt von Theodor Fontane, 1888
„»Ich sähe wohl gern (er sprach es stumm) / noch einmal die Plätze hier herum, / am liebsten auf Alt-Geltow zu, – / und ihr kommt mit, die Kinder und du.«“
1888 834
Lied des James Monmouth von Theodor Fontane, 1853
„Es zieht sich eine blutige Spur / Durch unser Haus von Alters, / Meine Mutter war seine Buhle nur / Die schöne Lucy Walters.“
1853 546
Maria und Bothwell von Theodor Fontane, 1851
„König Darnley liegt erschlagen, / Graf Bothwell hat es getan; / Sechs Lords von Schottland tragen / Die Leiche nach Sankt Alban, / Sie stellen bei Fackelscheine / Den Sarg an den Altar hin – / Von Trauernden fehlt nur eine, / Maria, die Königin.“
1851 1827
Marie Duchatel von Theodor Fontane, 1854 (?)
„„Welchen Hofstaat bringt unsre Königin mit?“ / „„Sie bringt mit ihre vier Marien, / Ihre vier Marieen von Frankreich her, / Die müssen mit ihr ziehn.“
1854 2720
Rizzio’s Ermordung von Theodor Fontane, vor 1898 †
„Herr Darnley reitet in den Wald, Lord Ruthven ihm zur Seite; / Herr Darnley spricht: „was frommt es mir, daß in den Lenz ich reite? / Ich ritt hinaus ein Schreckgespenst mir aus dem Sinn zu schlagen, / Ihr aber Ruthven hastet Euch, in’s Feuer Oel zu tragen.““
1898 2676
Schloß Eger von Theodor Fontane, 1849
„Lärmend, im Schloß zu Eger,
Ueber dem Ungarwein, / Sitzen die Würdenträger / Herzogs Wallenstein: / Tertschka, des Feldherrn Schwager, / Illo und Kinsky dazu, / Ihre Heimath das Lager, / Und die Schlacht ihre Ruh.“
1849 1662
Und alles ohne Liebe von Theodor Fontane, 1846 (?)
„Die Mutter spricht: „lieb Else mein, / Wozu dies Grämen und Härmen? / Man lebt sich in einander ein, / Auch ohne viel zu schwärmen;“
1846 814
Wo Bismarck liegen soll von Theodor Fontane, vor 1898 †
„Nicht in Dom oder Fürstengruft, / Er ruh’ in Gottes freier Luft / Draußen auf Berg und Halde, / Noch besser tief, tief im Walde;“
1898 478
Das Herz von Douglas von Moritz von Strachwitz, vor 1847 †
„»Graf Douglas, presse den Helm ins Haar, / gürt’ um dein lichtblau’ Schwert, / schnall’ an dein schärfstes Sporenpaar / und sattle dein schnellstes Pferd!“
Moritz von Strachwitz
1848 3340
Hie Welf von Moritz von Strachwitz, vor 1847 †
„Fürwahr, Ihr Langobarden, das war ein schwerer Tritt, / Den Friedrich Barbarossa durch Mailands Bresche ritt, / Licht war das Roß des Kaisers, ein Schimmel von Geburt, / Das war mit welschem Blut gescheckt bis über den Sattelgurt.“
1848 1107
Pharao von Moritz von Strachwitz, vor 1847 †
„An dem Roten Meer mit bekümmerter Seel‘, / Mit der Stirn im Staube lag Israel, / Vor ihnen der See tiefflutender Born, / Und hinten des Pharao klirrender Zorn: / »Jehova, erbarme Dich meiner!«“
1847 795
Richard Löwenherz‘ Tod von Moritz von Strachwitz, 1842
„»Hinweg die Lanze, hinab vom Roß! / Bei Gott und unsrer Frau! / Ich nehme das stolze Rebellenschloß / Noch vor dem Abendgrau.“
1842 1056
Bettlerballade von Conrad Ferdinand Meyer, 1862 (?)
„Prinz Bertarit bewirtet Veronas Bettlerschaft / Mit Weizenbrot und Kuchen und edlem Traubensaft. / Gebeten ist ein jeder, der sich mit Lumpen deckt, / Der, heischend auf den Brücken der Etsch, die Rechte reckt.“
Conrad Ferdinand Meyer
1862 1586
Chor der Toten von Conrad Ferdinand Meyer, 1883
„Wir Toten, wir Toten sind größere Heere / Als ihr auf der Erde, als ihr auf dem Meere! / Wir pflügten das Feld mit geduldigen Taten, / Ihr schwinget die Sicheln und schneidet die Saaten,“
1883 521
Das Glöcklein von Conrad Ferdinand Meyer, 1864 (?)
„Er steht an ihrem Pfühl in herber Qual / Und muss den jungen Busen keuchen sehn, / Er ist ein Arzt, und weiß, sein traut Gemal / Erblasst, sobald die Morgenschauer wehn.“
1864 984
Der gleitende Purpur von Conrad Ferdinand Meyer, 1864
„„Eia Weihnacht! Eia Weihnacht!“ / Schallt im Münsterchor der Psalm der Knaben. / Kaiser Otto lauscht der Mette, / Diener hinter sich mit Spend’ und Gaben.“
1864 1431
Der Pilger und die Sarazenin von Conrad Ferdinand Meyer, 1862
„Jüngst am Libanon in einem Kloster, / Drin ich eine kurze Reiserast hielt, / Langsam durch die kühlen Hallen wandelnd, / Blieb ich stehn vor einem alten Bilde, / Wohlbewahrt in eigener Capelle.“
1862 4349
Der Tod und Frau Laura von Conrad Ferdinand Meyer, 1889
„Es war in Avignon am Karneval / Dass sich ein Mörder in den Reigen stahl / Und dass die Pest verlarvt sich schwang im Tanz / Mit einem schlotterichten Mummenschanz.“
1889 678
Die drei gemalten Ritter von Conrad Ferdinand Meyer, 1882
„„Frau Berte, hört: Ihr dürftet nun / Mir einmal einen Gefallen thun!“ // – „Was denkt Ihr, Graf? Wohin denket Ihr? / Vor den drei gemalten Rittern hier?“ // Drei Ritter prahlen auf der Wand / Mit rollenden Augen, am Dolch die Hand.“
1882 683
Die Fei von Conrad Ferdinand Meyer, 1879 (?)
„Mondnacht und Flut. Sie hangt am Kiel, / Umklammert mit den Armen ihn, / Sie treibt ein grausam lüstern Spiel, / Den Nachen in den Grund zu ziehn.“
1879 844
Die Füße im Feuer von Conrad Ferdinand Meyer, 1864
„Wild zuckt der Blitz. In fahlem Lichte steht ein Turm. / Der Donner rollt. Ein Reiter kämpft mit seinem Roß, / Springt ab und pocht ans Tor und lärmt. Sein Mantel saust / Im Wind. Er hält den scheuen Fuchs am Zügel fest. / Ein schmales Gitterfenster schimmert goldenhell / Und knarrend öffnet jetzt das Tor ein Edelmann…“
1864 3085
Die Rose von Newport von Conrad Ferdinand Meyer, 1864
„Sprengende Reiter und flatternde Blüthen, / Einer voraus mit gescheitelten Locken – / Ist es der Lenz auf geflügeltem Renner? / Karl ist’s, der Jüngling, der Erbe von England,“
1864 1424
Die Söhne Haruns von Conrad Ferdinand Meyer, 1866
„Harun sprach zu seinen Kindern Assur, Assad, Scheherban: / „Söhne, werdet ihr vollenden, was ich kühnen Muths begann? / Seit ich Bagdads Thron bestiegen, bin von Feinden ich umgeben! / Wie befestigt ihr die Herrschaft? Wie vertheidigt ihr mein Leben?““
1866 1645
Don Fadrique von Conrad Ferdinand Meyer, 1882
„Don Fadrique bringt ein Ständchen / Der possierlichen Pepita: / »Liebchen, strecke durch die Türe / Deines Füßchens Spitze nur!«“
1882 717
Fingerhütchen von Conrad Ferdinand Meyer, 1862 (?)
„Liebe Kinder, wisst ihr wo / Fingerhut zu Hause? / Tief im Tal von Acherloo / Hat er Herd und Klause; / Aber schon in jungen Tagen / Muss er einen Höcker tragen;“
1862 3176
König Etzels Schwert von Conrad Ferdinand Meyer, 1875
„Der Kaiser spricht zu Ritter Hug: / „Du hast für mich dein Schwert verspellt, / Des Eisens ist bei mir genug, / Geh, wähl dir eins, das dir gefällt!““
1875 1169
La Blanche Nef von Conrad Ferdinand Meyer, 1882
„„Herr König, ich bin Steffens Kind, / Der den Erobrer einst geführt! / Es ist ein Lehn, Dass mein Gesind / Mein Schiff allein den König führt!“
1882 2501
Lethe von Conrad Ferdinand Meyer, 1860
„Jüngst im Traume sah ich auf den Fluten / Einen Nachen ohne Ruder ziehn, / Strom und Himmel stand in matten Gluten / Wie bei Tages Nahen oder Fliehn.“
1860 882
Mit zwei Worten von Conrad Ferdinand Meyer, 1877
„Am Gestade Palästina’s, auf und nieder, Tag um Tag, / „London?“ frug die Sarazenin, wo ein Schiff vor Anker lag. / „London!“ bat sie lang vergebens, nimmer ward sie müd und zag, / Bis zuletzt an Bord sie brachte eines Bootes Ruderschlag.“
1877 1036
Möwenflug von Conrad Ferdinand Meyer, 1881
„Möwen sah um einen Felsen kreisen / Ich in unermüdlich gleichen Gleisen, / Auf gespannter Schwinge schweben bleibend, / Eine schimmernd weiße Bahn beschreibend,“
1881 653
Napoleon im Kreml von Conrad Ferdinand Meyer, 1868
„Er nickt mit seinem grossen Haupt / Am Feuer eines fremden Herds: / Im Traum erblickt er einen Geist, / Der seines Purpurs Spange löst.“
1868 461
Stapfen von Conrad Ferdinand Meyer, 1865
„In jungen Jahren war’s. Ich brachte dich / Zurück ins Nachbarhaus, wo du zu Gast, / Durch das Gehölz. Der Nebel rieselte, / Du zogst des Reisekleids Capuze vor / Und blicktest traulich mit verhüllter Stirn.“
1865 1166
Der Ichthyosaurus von Viktor von Scheffel, 1904
„Es rauscht in den Schachtelhalmen, / Verdächtig leuchtet das Meer, / Da schwimmt mit Thränen im Auge / Ein Ichthyosaurus daher.“
Viktor von Scheffel
1904 792
Die Schlange von Paul Heyse, vor 1914 †
„Wenn ich das Tollkraut dir vom Munde pflücke, / Das mir den Sinn verwirrt, und so umgraut / Von Nacht und Glück, mich treffen deine Blicke, // Frag‘ ich mich oft: Wo hab ich doch geschaut / Ein Auge, so wie dies, nicht zu ergründen? / Ein Auge war’s, das nie ein Gram betaut,“
Paul Heyse
1914 2576
Novelle von Paul Heyse, vor 1914 †
„Sie kannten sich beide von Angesicht, / Sie sprachen sich nie und liebten sich nicht. / Er nahm ein Weib, das die Mutter ihm wählte, / Als sie sich mit einem Vetter vermählte.“
1914 1197
Aus der guten alten Zeit von Rudolf Baumbach, vor 1905 †
„Es melden Bücher und Sagen / so manches Wunderding / von einem gelben Wagen, / der durch die Länder ging. / Die Kutsche fuhr – man denke – / des Tags drei Meilen weit / Und hielt vor jeder Schenke. – / O gute, alte Zeit!“
Rudolf Baumbach
1905 1076
Das Häslein von Rudolf Baumbach, vor 1905 †
„Zur Zeit, da man die Aehren schnitt, / Ein Ritter auf das Waidwerk ritt / Mit einem Sperber und zwei Hunden. / Die hatten bald ein Wild gefunden;“
1905 5330
Aufschwung von Detlev von Liliencron, vor 1909 †
„Mitten aus dem Schnee des Nordens, / Weit im Süden, aus der Nacht, / In des Annunciatenordens / Reicher Herrenmeistertracht:“
Detlev von Liliencron
1909 1920
Ballade in U-Dur von Detlev von Liliencron, 1903 (?)
„Es lebte Herr Kunz von Karfunkel / mit seiner verrunzelten Kunkel / auf seinem Schlosse Punkpunkel / in Stille und Sturm. / Seine Lebensgeschichte war dunkel, / es murmelte manch Gemunkel / um seinen Turm.“
1903 1609
Das alte Steinkreuz am Neuen Markt von Detlev von Liliencron, vor 1909 †
„Berlin-Cölln war die Stadt genannt / Und tat viel Lärm verbreiten, / Da lebte mal ein Musikant, / In sagenhaften Zeiten. / Der rührte so sein Saitenspiel, / Daß alles auf die Kniee fiel / Vor lauter Seligkeiten.“
1909 1788
Das Kind mit dem Gravensteiner von Detlev von Liliencron, vor 1909 †
„Ein kleines Mädchen von sechs, sieben Jahren, / Mit Kornblumenaugen und strohgelben Haaren, / Kommt mit einem Apfel gesprungen, / Hat ihn wie einen Ball geschwungen, / Von einer Hand ihn in die andre geflitzt, / Dass er blendend im grellen Sonnenlicht blitzt.“
1909 1009
Der Blitzzug von Detlev von Liliencron, 1903
„Quer durch Europa von Westen nach Osten / rüttert und rattert die Bahnmelodie. / Gilt es die Seligkeit schneller zu kosten? / Kommt er zu spät an im Himmelslogis?“
1903 1353
Der Golem von Detlev von Liliencron, um 1900
„Prag, das alte sagenreiche, / Barg schon viele Menschenweisheit, / Barg schon viele Menschentorheit, / Auch den hohen Rabbi Löw.“
1900 1245
Der Hunger und die Liebe von Detlev von Liliencron, vor 1909 †
„Tunkomar und Teutelinde, / Welch ein zärtlich junges Paar. / Er gemächlich, sie geschwinde; / Furie sie, er Dromedar. / Er phlegmatisch und platonisch: / »Süßes Lindchen, Mündchen her.« / Sie dämonisch, denkt lakonisch: / »Er ermannt sich nimmermehr.«“
1909 1847
Der Teufel in der Not von Detlev von Liliencron, vor 1909 †
„Ein Ritter aus dem Stegreifbund, / Der emsig seine Bauern schund, / Der mußte was erleben. / Wie das so kam und wies geschah, / Erzählte mir die Großmama, / Und die kann Märchen weben.“
1909 1762
Die Falschmünzer von Detlev von Liliencron, vor 1909 †
„„Alles fertig? Nichts vergessen?“ / Spricht der Alte zu dem Jungen. / Der kommt wie ein Luchs gesprungen: / „Nimm die Lupe: Sieh die Scheine, / Zwillingsbrüder, echt, ich meine, / Täuschend ähnlich und solid, / Findest keinen Unterschied.““
1909 2263
Die Kapelle zum finstern Stern von Detlev von Liliencron, 1883
„»König Erich, die Faust auf den Widerrist, / Laß tanzen den Hengst im Grase. / Vergiß den alten Bruderzwist, / Wir trinken aus einem Glase.«“
1883 2039
Die Musik kommt von Detlev von Liliencron, 1883
„Klingkling, bumbum und tschingdada, / zieht im Triumph der Perserschah? / Und um die Ecke brausend bricht’s / wie Tubaton des Weltgerichts, / voran der Schellenträger.“
1883 987
Die Zwillingsgeschwister von Detlev von Liliencron, vor 1909 †
„Trümmer und Asche. Vereinzeltes Feuer / Zuckt noch am Himmel in Garben empor. / Tempel und Straßen und Villen und Scheuer, / Alles zertreten in Schmutz und Geschmor.“
1909 3349
Es lebe der Kaiser! von Detlev von Liliencron, 1883
„Es war die Zeit um Sonnenuntergang, / Ich kam vom linken Flügel hergejagt. / Granaten heulten, heiß im Mörderdrang, / Hol‘ euch die Pest, wohin ihr immer schlagt.“
1883 1654
Hochsommer im Walde von Detlev von Liliencron, 1883
„»Kein Mittagessen fünf Tage schon. / Die Heimat so weit, kein Geld und kein Lohn, / Statt Arbeit zu finden, nur Hunger und Not, / Nur wandern und betteln und kaum ein Stück Brot.«“
1883 1092
Pidder Lüng von Detlev von Liliencron, vor 1909 †
„„Frii es de Feskfang, / Frii es de Jaght, / Frii es de Strönthgang, / Frii es de Naght, / Frii es de See, de wilde See / En de Hörnemmer Rhee.““
1909 2635
Trutz, blanke Hans von Detlev von Liliencron, 1883
„Heut bin ich über Rungholt gefahren, / Die stadt ging unter vor fünfhundert Jahren. / Noch schlagen die Wellen da wild und empört, / Wie damals, als sie die Marschen zerstört.“
1883 2316
Wer weiß wo von Detlev von Liliencron, vor 1909 †
„Auf Blut und Leichen, Schutt und Qualm, / auf roßzerstampften Sommerhalm / die Sonne schien. / Es sank die Nacht. Die Schlacht ist aus, / und mancher kehrte nicht nach Haus / einst von Kolin.“
1909 733
Apoll, der Entdecker von Carl Spitteler, vor 1924 †
„Im Osten stand des Tags prophetisches Gestirn. / Des Dämons Schwingen rauschten um Apollons Stirn. / «Wach auf! Schmeckt nicht dein Mund, spürt nicht dein Herz, Apoll, / Den nahen Tag, klarheit- und mut- und tatenvoll?“
Carl Spitteler
1924 20058
Das Postmaidlein von Carl Spitteler, vor 1924 †
„Stapft ein Maidlein auf die Lützelalp, / Flink und frei und sauber allenthalb. / Bar der Scheitel, Füß und Waden nackt / Und die Ärmchen mit der Post bepackt. / Senngehöfte lehnten ihrer drei / An der Halde in derselben Reih.“
1924 794
Die Ballade vom lyrischen Wolf von Carl Spitteler, vor 1924 †
„Frühlingslüfte lispelten im Haine, / Und ein Wolf im Silbermondenscheine, / Aufgeregt von lyrischen Gefühlen, / Strich, in seinem Innersten zu wühlen, / Melancholisch durch Gebirg und Strauch, / Liebe spürt er, etwas Weltschmerz auch.“
1924 765
Die Blütenfee von Carl Spitteler, 1907
„Maien auf den Bäumen, Sträußchen in dem Hag. / Nach der Schmiede reitet Janko früh am Tag. / Blütenschneegestöber segnet seine Fahrt, / Lilien trägt des Rößleins Mähne, Schweif und Bart, / Lacht der muntre Knabe: »Sag’ mir, Rößlein traut: / Bist bekränzt zur Hochzeit, doch wo bleibt die Braut?«“
1907 1014
Die drei Rekruten von Carl Spitteler, vor 1924 †
„Bei strömendem Regen im Biwuak / Kampierten drei müde Rekruten. / Sie legten den Kopf auf den Mantelsack / Und zogen den Hals in die Kutten“
1924 2724
Die drei Spinnerinnen von Carl Spitteler, 1894
„Es sitzen drei alte Jungfern im Turm, / Sie singen und spinnen bei Nacht und Sturm. / Die Erste verwegen die Spindel dreht, / Daß die Bänder flattern, die Kunkel weht.“
1894 750
Die tote Erde von Carl Spitteler, um 1907
„Zwölf Engel hielten am Himmelstor: / „Ihr Türmer herunter, ihr Wächter hervor! / Was bringt ihr, ihr lieben Leute?“ / „Wir kommen geritten vom Erdenrund, / Gar frohe Botschaft bringt unser Mund, / Stimm an die Glocken und läute!““
1907 1666
Die Weltpost von Carl Spitteler, vor 1924 †
„Auf einem Berg ein Posthaus steht, das keinem andern gleicht, / Das nie ein Wandrer hat geschaut und nie ein Brief erreicht. / Die Riesensäle gähnen leer, kein Wort, kein Ruf erschallt. / Statt Menschengeist und Menschenhand wirkt eiserne Gewalt.“
1924 1475
Die Schnitterin von Gustav Falke, vor 1924 †
„War einst ein Knecht, einer Witwe Sohn, / Der hatte sich schwer vergangen. / Da sprach sein Herr: „Du bekommst deinen Lohn, / Morgen musst du hangen.““
Gustav Falke
1924 1031
Thies und Ose von Gustav Falke, 1902
„In Wenningstedt bei Karten und Korn / erschlug einst ein Bauer in jähem Zorn / seinen Gast. Thies Thießen war stark, / und der Hansen ein Stänker um jeden Quark.“
1902 1652
Hartnäckige Liebe von Otto Ernst, 1907
„Jan Reimers hatte vor garnichts Furcht. / Er rettete damals die beiden Dänen, / Ihr wißt wohl – es wollte keiner dran – / Er riß sie dem blanken Hans aus den Zähnen.“
Otto Ernst
1907 1409
Nis Randers von Otto Ernst, 1907
„Krachen und Heulen und berstende Nacht, / Dunkel und Flammen in rasender Jagd – / Ein Schrei durch die Brandung! / Und brennt der Himmel, so sieht man’s gut: / Ein Wrack auf der Sandbank! Noch wiegt es die Flut; / Gleich holt sich’s der Abgrund.“
1907 1103
Een Boot is noch buten! von Arno Holz, 1886 (?)
„»Ahoi! Klas Nielsen und Peter Jehann! / Kiekt nach, ob wi noch nich to Mus sind! / Ji hewt doch gesehn den Klabautermann? / Gottlob, dat wi wedder to Hus sind!«“
Arno Holz
1886 1215
Anno Domini 1812 von Richard Dehmel, 1907
„Über Rußlands Leichenwüstenei / faltet hoch die Nacht die blassen Hände; / funkeläugig durch die weiße, weite, / kalte Stille stam die Nacht und lauscht. / Schrill kommt ein Geläute.“
Richard Dehmel
1907 1715
Der Arbeitsmann von Richard Dehmel, 1896 (?)
„Wir haben ein Bett, wir haben ein Kind, / mein Weib! / Wir haben auch Arbeit, und gar zuzweit, / und haben die Sonne und Regen und Wind, / und uns fehlt nur eine Kleinigkeit, / um so frei zu sein, wie die Vögel sind: / nur Zeit.“
1896 515
Die Glocke im Meer von Richard Dehmel, vor 1920 †
„Ein Fischer hatte zwei kluge Jungen, / hat ihnen oft ein Lied vorgesungen: / Es treibt eine Wunderglocke im Meer, / es freut ein gläubig Herze sehr, / das Glockenspiel zu hören.“
1920 874
Erntelied von Richard Dehmel, vor 1920 †
„Es steht ein goldnes Garbenfeld, / das geht bis an den Rand der Welt. / Mahle, Mühle, mahle! // Es Stockt der Wind im weiten Land, / viel Mühlen stehn am Himmelsrand. / Mahle, Mühle, mahle!“
1920 375
Der Kampf mit dem Schicksal von Ricarda Huch, 1908 (?)
„Herr Ulrich zog sein blankes Schwert: / »Zum Kampfe, Schicksal, stell‘ dich mir! / Bist du auch mit Verderben bewehrt, / Nicht länger fürcht‘ ich mich vor dir.“
Ricarda Huch
1908 934
Saul von Ricarda Huch, vor 1947 †
„Wie unterm Sternenheer der Morgenstern, / So unter Menschen strahlte Saul in Glück / Und Kraft und Tugend; er gefiel dem Herrn / Doch ungebändigt, blindlings schreitet das Geschick.“
1947 1940
Brigitte B. von Frank Wedekind, 1905 (?)
„Ein junges Mädchen kam nach Baden, / Brigitte B. war sie genannt, / Fand Stellung dort in einem Laden, / Wo sie gut angeschrieben stand.“
Frank Wedekind
1905 1288
Das Lied vom armen Kind von Frank Wedekind, 1905
„Es war einmal ein armes Kind, / Das war auf beiden Augen blind, / Auf beiden Augen blind; / Da kam ein alter Mann daher, / Der hört auf keinem Ohre mehr,“
1905 2104
Der Tantenmörder von Frank Wedekind, 1905
„Ich hab’ meine Tante geschlachtet, / Meine Tante war alt und schwach; / Ich hatte bei ihr übernachtet / Und grub in den Kisten-Kasten nach.“
1905 551
Der Zoologe von Berlin von Frank Wedekind, 1905
„Hört ihr Kinder, wie es jüngst ergangen / Einem Zoologen in Berlin! / Plötzlich führt ein Schutzmann ihn gefangen / Vor den Untersuchungsrichter hin.“
1905 1503
Gräßliches Unglück, welches eine deutsche Familie betroffen hat von Ludwig Thoma, vor 1921 †
„Im Wirtshaus sitzt der Vater / Die Mutter im Theater / Sie schwelgt im Kunstgenuß. / Die Tochter, unschuldsreine, / Liest still beim Lampenscheine / Den Simplicissimus.“
Ludwig Thoma
1921 813
Das lied von Stefan George, 1910
„Es fuhr ein knecht hinaus zum wald / Sein bart war noch nicht flück / Er lief sich irr im wunderwald / Er kam nicht mehr zurück.“
Stefan George
1910 839
Der Waffengefährte von Stefan George, 1895
„Am weiher wo die rehe huschen / Da war’s wo wir von kampfes schweiss / Zum erstenmal die stirnen wuschen / Nach unsren fahrten hart und heiss.“
1895 1178
Sporenwache von Stefan George, 1895
„Die lichte zucken auf in der kapelle. / Der edelknecht hat drinnen einsam wacht / Nach dem gesetze vor altares schwelle / ›Ich werde bei des nahen morgens helle / Empfangen von der feierlichen pracht“
1895 1601
Joseph wird verkauft von Else Lasker-Schüler, 1920
„Die Winde spielten müde mit den Palmen noch / So dunkel war es schon um Mittag in der Wüste, / Und Joseph sah den Engel nicht, der ihn vom Himmel grüßte / Und weinte, da er für des Vaters Liebe büßte / Und suchte nach dem Cocos seines schattigen Herzens doch.“
Else Lasker-Schüler
1920 1046
Der Gingganz von Christian Morgenstern, 1905
„Ein Stiefel wandern und sein Knecht / von Knickebühl gen Entenbrecht. // Urplötzlich auf dem Felde drauß / begehrt der Stiefel: Zieh mich aus!“
Christian Morgenstern
1905 395
Der Glaube von Christian Morgenstern, vor 1914 †
„Eines Tags bei Kohlhasficht / sah man etwas Wunderbares. / Doch daß zweifellos und wahr es, / dafür bürgt das Augenlicht.“
1914 519
Der Werwolf von Christian Morgenstern, 1907/08
„Ein Werwolf eines Nachts entwich / von Weib und Kind, und sich begab / an eines Dorfschullehrers Grab / und bat ihn: Bitte, beuge mich!“
1907 684
Ballade des äußeren Lebens von Hugo von Hofmannsthal, 1896
„Und Kinder wachsen auf mit tiefen Augen, / Die von nichts wissen, wachsen auf und sterben, / Und alle Menschen gehen ihre Wege. / Und süße Früchte werden aus den herben / Und fallen nachts wie tote Vögel nieder / Und liegen wenig Tage und verderben.“
Hugo von Hofmannsthal
1896 762
Ballade vom kranken Kind von Hugo von Hofmannsthal, 1892
„Das Kind mit fiebernden Wangen lag, / Rotgolden versank im Laub der Tag. / Das Fenster hing voller wildem Wein, / Da sah ein fremder Jüngling herein.“
1892 647
Alte Landsknechte von Börries Freiherr von Münchhausen, 1900
„Im Himmel droben, in einer Ecken, / Wo die alten Soldaten die Beine strecken, / Weit weg von Heiligen und Propheten, / Von Märtyrern und von Anachoreten / Sitzen an eines Kamines Flammen, / Die seligen alten Landsknecht beisammen.“
Börries Freiherr von Münchhausen
1900 1743
Ballade vom Brennesselbusch von Börries Freiherr von Münchhausen, 1910
„Liebe fragte Liebe: „Was ist noch nicht mein?“ / Sprach zur Liebe Liebe: „Alles, alles dein!“ / Liebe küßte Liebe: „Liebste, liebst du mich?“ / Küßte Liebe Liebe: „Ewig, ewiglich!“—“
1910 2048
Bauernaufstand von Börries Freiherr von Münchhausen, um 1900
„Die Glocken stürmten vom Bernwardsturm, / der Regen durchrauschte die Straßen, / und durch die Glocken und durch den Sturm / gellte des Urhorns Blasen.“
1900 710
Das alizarinblaue Zwergenkind von Börries Freiherr von Münchhausen, vor 1945 †
„Nein, was hab ich gelacht! // Da kommt doch diese Nacht / Ein kleinwinziges Zwergenkind / Aus dem Bücherspind / Hinter Kopischs Gedichten vor / Und krebselt an meinem Schreibtisch empor.“
1945 1485
Die Glocke von Kadamar von Börries Freiherr von Münchhausen, 1900
„»Wir wollen dies Jahr die Felder am Rhein / Mit heißen Sicheln mähn, / Wie Sensen soll der Flammenschein / Über die Ernten gehn.“
1900 2364
Hunnenzug von Börries Freiherr von Münchhausen, 1893
„Finsterer Himmel, pfeifender Wind, / Wildöde Heide, der Regen rinnt, / Von fern ein Schein, wie ein brennendes Dorf, / Mattdüsierer Glanz auf den Lachen im Torf.“
1893 972
Alkestis von Rainer Maria Rilke, 1907
„Da plötzlich war der Bote unter ihnen, / hineingeworfen in das Überkochen / des Hochzeitsmahles wie ein neuer Zusatz. / Sie fühlten nicht, die Trinkenden, des Gottes / heimlichen Eintritt, welcher seine Gottheit / so an sich hielt wie einen nassen Mantel“
Rainer Maria Rilke
1907 3282
Der letzte Graf von Brederode entzieht sich türkischer Gefangenschaft von Rainer Maria Rilke, 1907
„Sie folgten furchtbar; ihren bunten Tod / von ferne nach ihm werfend, während er / verloren floh, nichts weiter als: bedroht. / Die Ferne seiner Väter schien nicht mehr“
1907 478
Karl der Zwölfte von Schweden reitet in der Ukraine von Rainer Maria Rilke, 1906
„Könige in Legenden / sind wie Berge im Abend. Blenden / jeden zu dem sie sich wenden. / Die Gürtel um ihre Lenden / und die lastenden Mantelenden / sind Länder und Leben wert.“
1906 2458
Kleiner Roman von Erich Mühsam, vor 1934 †
„Sie lernte Stenographin. / Er war Engros-Kommis. / Im Speisewagen traf ihn / ein Blick. Er liebte sie.“
Erich Mühsam
1934 505
Cäsars Tod von Georg Kaiser, vor 1945 †
„Rom hieß eine Stadt und alle Römer / hatten in den Adern heißes Blut, / als sie Cäsar einst tyrannisch reizte, / kochte es sofort in Siedeglut.“
Georg Kaiser
1945 927
Der Enkel von Georg Kaiser, vor 1945 †
„Er läßt auf seinen Knien den Enkel hocken / und läßt ihn fragen nach dem großen Krieg – / und schildert mit eindringlichem Frohlocken / sei’s Niederlage, sei’s erfochtner Sieg.“
1945 852
Das verstörte Fest von Heinrich Lautensack, vor 1919 †
„Alle Uhren wurden angehalten. / Nie mehr werde Tag! hieß die Parole / in dem Saal, der voller Spukgestalten / schwamm im starken Duft der Nachtviole.“
Heinrich Lautensack
1919 658
Ballade („Ein Narre schrieb drei Zeichen in Sand“) von Georg Trakl, 1909 (?)
„Ein Narre schrieb drei Zeichen in Sand, / Eine bleiche Magd da vor ihm stand. / Laut sang, o sang das Meer. // Sie hielt einen Becher in der Hand, / Der schimmerte bis auf zum Rand, / Wie Blut so rot und schwer.“
Georg Trakl
1909 337
Ballade („Ein schwüler Garten stand die Nacht“) von Georg Trakl, 1909 (?)
„Ein schwüler Garten stand die Nacht. / Wir verschwiegen uns, was uns grauend erfaßt. / Davon sind unsre Herzen erwacht / Und erlagen unter des Schweigens Last.“
1909 247
Ballade („Es klagt ein Herz: Du findest sie nicht“) von Georg Trakl, 1909 (?)
„Es klagt ein Herz: Du findest sie nicht, / Ihre Heimat ist wohl weit von hier, / Und seltsam ist ihr Angesicht! / Es weint die Nacht an einer Tür!“
1909 351
Die junge Magd von Georg Trakl, 1909/13
„Oft am Brunnen, wenn es dämmert, / Sieht man sie verzaubert stehen / Wasser schöpfen, wenn es dämmert. / Eimer auf und nieder gehen.“
1909 1973
Die tote Kirche von Georg Trakl, 1909
„Auf dunklen Bänken sitzen sie gedrängt / Und heben die erloschnen Blicke auf / Zum Kreuz. Die Lichter schimmern wie verhängt, / Und trüb und wie verhängt das Wundenhaupt.“
1909 773
Der Gott der Stadt von Georg Heym, 1910
„Auf einem Häuserblocke sitzt er breit. / Die Winde lagern schwarz um seine Stirn. / Er schaut voll Wut, wo fern in Einsamkeit / Die letzten Häuser in das Land verirrn.“
Georg Heym
1910 686
Dionysos von Georg Heym, 1910/12
„Am Wege sitzt er. An der Felder Schwelle. / Die Winde, die im weißen Korne spielen, / Sie tragen ihm des Landes Würze zu. // Des Ölbaums grüner Schatten folgt der Sonne. / Im Kreise ziehn am Himmel hin die Stunden. / Nun ward es Mittag. Und der Wind schläft ein.“
1910 2778
Ophelia von Georg Heym, 1911
„Im Haar ein Nest von jungen Wasserratten, / Und die beringten Hände auf der Flut / Wie Flossen, also treibt sie durch den Schatten / Des großen Urwalds, der im Wasser ruht.“
1911 1647
Das Malheur von Franz Werfel, vor 1945 †
„Als das Mädchen die Schüssel fallen ließ, blieben alle / Gäste anfangs stumm, / Nur die Hausfrau sagte etwas und drehte sich nicht um. // Das Mädchen aber stand regungslos, wie in unnatürlichen / Schlaf gesenkt, / Krampfhaft die Arme zu einer rettenden Geste verrenkt.“
Franz Werfel
1945 701
Jesus und der Äser-Weg von Franz Werfel, vor 1945 †
„Und als wir gingen von dem toten Hund, / Von dessen Zähnen mild der Herr gesprochen, / Entführte er uns diesem Meeres-Sund / Den Berg empor, auf dem wir keuchend krochen.“
1945 2175
Panther-Ballade von Franz Werfel, vor 1945 †
„Als die greise Uhr die letzten Schläge keuchte, / Fühlt‘ ich nah von mir ein heimliches Geleuchte. // Auf zwei Stühlen, hingestreckt vor meinem Lager, / Lag ein Panther, atmend, flankenstark und hager.“
1945 1643
Auferstehung von Josef Weinheber, vor 1945 †
„Als Magdalena kam zur Gruft, / fand sie die Stelle leer. / Ein fremder Jüngling war und sprach: / „Du findest ihn nicht mehr.““
Josef Weinheber
1945 748
Ballade vom kleinen Mann von Josef Weinheber, 1926 (?)
„Wie jeden Tag durch die zwanzig Jahr, / die er dient in seinem Büro, / steht er auf, streicht mit den Fingern durchs Haar, / wärmt Kaffee sich auf dem Rechaud,“
1926 2924
Charlotte Corday von Gertrud Kolmar, vor 1943 †
„Die in Schleiern schwebend und geweiht, / Eine aschenblonde Kerze, glomm: / Ihre Augen blühten klar und fromm, / Ihre Hände griffen Dunkelheit;“
Gertrud Kolmar
1943 1417
Dantons Ende von Gertrud Kolmar, vor 1943 †
„Was klirrt, was wirbelt, dampft und braust, / Dies Schrein, dies Keuchen, dieses Lallen, / Das riß er würgend in die Faust, / Das zwang er klumpig um zum Ballen, / Den seine Rechte wütend hob;“
1943 716
Ludwig XVI., 1775 von Gertrud Kolmar, vor 1943 †
„Der neue Herrscher wird in Reims gekrönt. / Die Glocken läuten. Ein Gefangner stöhnt. // Und Kutschen rollen nach Paris zurück. / Die Hohe Schule wünscht in Ehrfurcht Glück.“
1943 852
Robespierre von Gertrud Kolmar, vor 1943 †
„Ich will dich rühren mit den Händen, / Ich will dich scharren aus der Gruft. / Steig‘ auf! Du darfst, du darfst nicht enden, / Und wärst du schwebend nur wie Luft, / Unsichtbar hauchend wie ein Wind, / Nur sprachlos glänzend wie die Sterne, / Die starken, die uns ewig ferne / Uns ewig nahe sind.“
1943 1343
Rue Saint-Honoré von Gertrud Kolmar, vor 1943 †
„Als die Karren durch die Straßen fuhren / In die Rue Saint-Honoré, / Sprangen von den Pflastern tausend Huren, / Schön geputzt und gräßlich wie Lemuren; / Ihre Lächeln taten weh,“
1943 1314
Saint-Just von Gertrud Kolmar, vor 1943 †
„Einer stand mit blondem, wehndem Haar, / Freiem Nacken auf dem Blutgerüste; / Wüt’ge Gier sprang geifernd aus der Schar / Und zerschlug an seiner Felsenküste.“
1943 1321
Thamar und Juda von Gertrud Kolmar, vor 1943 †
„Ich habe mich in Tränen schön gebadet: / O der Hure, die ich nun bin! / Granatfrucht, die geschmückt den Pflücker ladet; / Laubig lockend hängt Schleier über mich hin.“
1943 828