- Ein Fischer saß im Kahne,
- Ihm war das Herz so schwer,
- Sein Liebchen war gestorben,
- Das glaubt‘ er nimmermehr.
- Und bis die Sternlein blinken,
- Und bis zum Mondenschein,
- Harrt er sein Lieb zu fahren
- Wohl auf dem tiefen Rhein.
- Da kömmt sie hergegangen
- Und steiget in den Kahn,
- Sie schwanket in den Knien,
- Hat nur ein Hemdlein an.
- Sie schwimmen auf den Wellen
- Hinab in tiefer Ruh,
- Da zittert sie und wanket,
- O Liebchen frierest du?
- Dein Hemdlein spielt im Winde,
- Das Schifflein treibt so schnell;
- Hüll dich in meinen Mantel,
- Die Nacht ist kühl und hell.
- Sie strecket nach den Bergen
- Die weißen Arme aus,
- Und freut sich, wie der Vollmond
- Aus Wolken sieht heraus,
- Und grüßt die alten Türme,
- Und will den hellen Schein,
- Mit ihren zarten Armen,
- Erfassen in dem Rhein.
- O setze dich doch nieder
- Herzallerliebste mein!
- Das Wasser treibt so schnelle,
- O fall nicht in den Rhein.
- Und große Städte fliegen
- An ihrem Kahn vorbei,
- Und in den Städten klingen
- Der Glocken mancherlei.
- Da kniet das Mädchen nieder
- Und faltet seine Händ
- Und seine hellen Augen
- Es zu dem Himmel wendt.
- Lieb Mädchen bete stille,
- Schwank nicht so hin und her,
- Der Kahn, er möchte sinken,
- Das Wasser treibt so sehr.
- In einem Nonnenkloster
- Da singen Stimmen fein
- Und in dem Kirchenfenster
- Sieht man den Kerzenschein.
- Da singt das Mädchen helle
- Die Metten in dem Kahn,
- Und sieht dabei mit Tränen
- Den Fischerknaben an.
- Der Knabe singt mit Tränen
- Die Metten in dem Kahn,
- Und sieht dabei sein Mädchen
- Mit stummen Blicken an.
- So rot und immer röter
- Wird nun die tiefe Flut,
- Und weiß und immer weißer
- Das Mädchen werden tut.
- Der Mond ist schon zerronnen,
- Kein Sternlein mehr zu sehn,
- Und auch dem lieben Mädchen
- Die Augen schon vergehn.
- Lieb Mädchen guten Morgen!
- Lieb Mädchen gute Nacht!
- Warum willst du nun schlafen?
- Da schon die Sonn erwacht.
- Die Türme blinken helle,
- Und froh der grüne Wald
- Von tausend bunten Stimmen
- In lautem Sang erschallt.
- Da will er sie erwecken,
- Daß sie die Freude hör,
- Er sieht zu ihr hinüber
- Und findet sie nicht mehr.
- Und legt sich in den Nachen
- Und schlummert weinend ein,
- Und treibet weiter weiter
- Bis in die See hinein.
- Die Meereswellen brausen
- Und schleudern ab und auf
- Den kleinen Fischernachen
- Der Knabe wacht nicht auf.
- Doch fahren große Schiffe
- In stiller Nacht einher,
- So sehen sie die beiden
- Im Kahne auf dem Meer.
Ein Fischer saß im Kahne
… eine Ballade von Clemens BrentanoEin Fischer saß im Kahne von Clemens Brentano wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/brentano/ein-fischer-sass-im-kahne/
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