- Zu Bacharach am Rheine
- Wohnt eine Zauberin,
- Sie war so schön und feine
- Und riß viel Herzen hin.
- Und brachte viel zu schanden
- Der Männer rings umher,
- Aus ihren Liebesbanden
- War keine Rettung mehr.
- Der Bischof ließ sie laden
- Vor geistliche Gewalt –
- Und mußte sie begnaden,
- So schön war ihr‘ Gestalt.
- Er sprach zu ihr gerühret:
- „Du arme Lore Lay!
- Wer hat dich denn verführet
- Zu böser Zauberei?“
- „Herr Bischof laßt mich sterben,
- Ich bin des Lebens müd,
- Weil jeder muß verderben,
- Der meine Augen sieht.
- Die Augen sind zwei Flammen,
- Mein Arm ein Zauberstab –
- O legt mich in die Flammen!
- O brechet mir den Stab!“
- „Ich kann dich nicht verdammen,
- Bis du mir erst bekennt,
- Warum in diesen Flammen
- Mein eigen Herz schon brennt.
- Den Stab kann ich nicht brechen,
- Du schöne Lore Lay!
- Ich müßte dann zerbrechen
- Mein eigen Herz entzwei.“
- „Herr Bischof mit mir Armen
- Treibt nicht so bösen Spott,
- Und bittet um Erbarmen,
- Für mich den lieben Gott.
- Ich darf nicht länger leben,
- Ich liebe keinen mehr –
- Den Tod sollt Ihr mir geben,
- Drum kam ich zu Euch her. –
- Mein Schatz hat mich betrogen,
- Hat sich von mir gewandt,
- Ist fort von hier gezogen,
- Fort in ein fremdes Land.
- Die Augen sanft und wilde,
- Die Wangen rot und weiß,
- Die Worte still und milde
- Das ist mein Zauberkreis.
- Ich selbst muß drin verderben,
- Das Herz tut mir so weh,
- Vor Schmerzen möcht‘ ich sterben,
- Wenn ich mein Bildnis seh‘.
- Drum laßt mein Recht mich finden,
- Mich sterben, wie ein Christ,
- Denn alles muß verschwinden,
- Weil er nicht bei mir ist.“
- Drei Ritter läßt er holen:
- „Bringt sie ins Kloster hin,
- Geh Lore! – Gott befohlen
- Sei dein berückter Sinn.
- Du sollst ein Nönnchen werden,
- Ein Nönnchen schwarz und weiß,
- Bereite dich auf Erden
- Zu deines Todes Reis‘.“
- Zum Kloster sie nun ritten,
- Die Ritter alle drei,
- Und traurig in der Mitten
- Die schöne Lore Lay.
- „O Ritter laßt mich gehen,
- Auf diesen Felsen groß,
- Ich will noch einmal sehen
- Nach meines Lieben Schloß.
- Ich will noch einmal sehen
- Wohl in den tiefen Rhein,
- Und dann ins Kloster gehen
- Und Gottes Jungfrau sein.“
- Der Felsen ist so jähe,
- So steil ist seine Wand,
- Doch klimmt sie in die Höhe,
- Bis daß sie oben stand.
- Es binden die drei Ritter,
- Die Rosse unten an,
- Und klettern immer weiter,
- Zum Felsen auch hinan.
- Die Jungfrau sprach: „da gehet
- Ein Schifflein auf dem Rhein,
- Der in dem Schifflein stehet,
- Der soll mein Liebster sein.
- Mein Herz wird mir so munter,
- Er muß mein Liebster sein! -„
- Da lehnt sie sich hinunter
- Und stürzet in den Rhein.
- Die Ritter mußten sterben,
- Sie konnten nicht hinab,
- Sie mußten all verderben,
- Ohn‘ Priester und ohn‘ Grab.
- Wer hat dies Lied gesungen?
- Ein Schiffer auf dem Rhein,
- Und immer hat’s geklungen
- Von dem drei Ritterstein:
- Lore Lay
- Lore Lay
- Lore Lay
- Als wären es meiner drei.
Zu Bacharach am Rheine
… eine Ballade von Clemens BrentanoZu Bacharach am Rheine von Clemens Brentano wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/brentano/zu-bacharach-am-rheine/
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