- Hoch klingt das Lied vom braven Mann,
- Wie Orgelton und Glockenklang.
- Wer hohes Muts sich rühmen kann,
- Den lohnt nicht Gold, den lohnt Gesang.
- Gottlob! daß ich singen und preisen kann:
- Zu singen und preisen den braven Mann.
- Der Tauwind kam vom Mittagsmeer,
- Und schnob durch Welschland trüb’ und feucht.
- Die Wolken flogen vor ihm her,
- Wie wann der Wolf die Herde scheucht.
- Er fegte die Felder; zerbrach den Forst;
- Auf Seen und Strömen das Grundeis borst.
- Am Hochgebirge schmolz der Schnee,
- Der Sturz von tausend Wassern scholl;
- Das Wiesenthal begrub ein See;
- Des Landes Heerstrom wuchs und schwoll;
- Hoch rollten die Wogen, entlang ihr Gleis,
- Und rollten gewaltige Felsen Eis.
- Auf Pfeilern und auf Bogen schwer,
- Aus Quaderstein von unten auf,
- Lag eine Brücke d’rüber her;
- Und mitten stand ein Häuschen d’rauf.
- Hier wohnte der Zöllner, mit Weib und Kind. –
- »O Zöllner! o Zöllner! Entfleuch geschwind!«
- Es dröhnt’ und dröhnte dumpf heran,
- Laut heulten Sturm und Wog’ um’s Haus.
- Der Zöllner sprang zum Dach hinan,
- Und blickt’ in den Tumult hinaus. –
- »Barmherziger Himmel! Erbarme dich!
- Verloren! Verloren! Wer rettet mich?« –
- Die Schollen rollten, Schuß auf Schuß,
- Von beiden Ufern, hier und dort,
- Von beiden Ufern riß der Fluß
- Die Pfeiler sammt den Bogen fort.
- Der bebende Zöllner, mit Weib und Kind,
- Er heulte noch lauter, als Strom und Wind.
- Die Schollen rollen, Stoß auf Stoß,
- An beiden Enden, hier und dort,
- Zerborsten und zertrümmert, schoß,
- Ein Pfeiler nach dem andern fort.
- Bald nahte der Mitte der Umsturz sich. –
- »Barmherziger Himmel! Erbarme dich!« –
- Hoch auf dem fernen Ufer stand
- Ein Schwarm von Gaffern, groß und klein;
- Und Jeder schrie und rang die Hand,
- Doch mochte Niemand Retter sein.
- Der bebende Zöllner, mit Weib und Kind,
- Durchheulte nach Rettung den Strom und Wind. –
- Wann klingst du, Lied vom braven Mann,
- Wie Orgelton und Glockenklang?
- Wohlan! So nenn’ ihn, nenn’ ihn dann!
- Wann nennst du ihn, mein schönster Sang?
- Bald nahet der Mitte der Umsturz sich.
- O braver Mann! braver Mann! zeige dich!
- Rasch galoppiert’ ein Graf hervor,
- Auf hohem Roß ein edler Graf.
- Was hielt des Grafen Hand empor?
- Ein Beutel war es, voll und straff. –
- »Zweihundert Pistolen sind zugesagt
- Dem, welcher die Rettung der Armen wagt.«
- Wer ist der Brave? Ist’s der Graf?
- Sag an, mein braver Sang, sag an! –
- Der Graf, beim höchsten Gott! war brav!
- Doch weiß ich einen bravern Mann. –
- O braver Mann! braver Mann! Zeige dich!
- Schon naht das Verderben sich fürchterlich. –
- Und immer höher schwoll die Flut;
- Und immer lauter schnob der Wind;
- Und immer tiefer sank der Mut. –
- O Retter! Retter! Komm geschwind! –
- Stets Pfeiler bei Pfeiler zerborst und brach.
- Laut krachten und stürzten die Bogen nach.
- »Hallo! Hallo! Frisch aufgewagt!«
- Hoch hielt der Graf den Preis empor.
- Ein Jeder hört’s doch Jeder zagt,
- Aus Tausenden tritt Keiner vor.
- Vergebens durchheulte, mit Weib und Kind,
- Der Zöllner nach Rettung den Strom und Wind. –
- Sieh, schlecht und recht, ein Bauersmann
- Am Wanderstabe schritt daher,
- Mit grobem Kittel angethan,
- An Wuchs und Antlitz hoch und hehr.
- Er hörte den Grafen; vernahm sein Wort;
- Und schaute das nahe Verderben dort.
- Und kühn in Gottes Namen, sprang
- Er in den nächsten Fischerkahn;
- Trotz Wirbel, Sturm, und Wogendrang,
- Kam der Erretter glücklich an:
- Doch wehe! der Nachen war allzuklein,
- Der Retter von Allen zugleich zu sein.
- Und dreimal zwang er seinen Kahn,
- Trotz Wirbel, Sturm, und Wogendrang;
- Und dreimal kam er glücklich an,
- Bis ihm die Rettung ganz gelang.
- Kaum kamen die Letzten in sichern Port;
- So rollte das letzte Getrümmer fort. –
- Wer ist, wer ist der brave Mann?
- Sag an, sag an, mein braver Sang!
- Der Bauer wagt’ ein Leben dran:
- Doch that er’s wohl um Goldesklang?
- Denn spendete nimmer der Graf sein Gut;
- So wagte der Bauer vielleicht kein Blut. –
- »Hier, rief der Graf, mein wackrer Freund!
- Hier ist dein Preis! Komm her! Nimm hin!« –
- Sag an, war das nicht brav gemeint? –
- Bei Gott! der Graf trug hohen Sinn. –
- Doch höher und himmlischer, wahrlich! schlug
- Das Herz, das der Bauer im Kittel trug.
- »Mein Leben ist für Gold nicht feil.
- Arm bin ich zwar, doch ess’ ich satt.
- Dem Zöllner werd’ eur Gold zu teil,
- Der Hab’ und Gut verloren hat!«
- So rief er, mit herzlichem Biederton,
- Und wandte den Rücken und ging davon. –
- Hoch klingst du, Lied vom braven Mann,
- Wie Orgelton und Glockenklang!
- Wer solches Muts sich rühmen kann,
- Den lohnt kein Gold, den lohnt Gesang.
- Gottlob! daß ich singen und preisen kann,
- Unsterblich zu preisen den braven Mann.
Das Lied vom braven Manne
… eine Ballade von Gottfried August BürgerDas Lied vom braven Manne von Gottfried August Bürger wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/buerger/das-lied-vom-braven-manne/
Quelle: https://balladen.net/buerger/das-lied-vom-braven-manne/