oder: Ritter Karl von Eichenhorst
und Fräulein Gertrude von Hochburg.
- »Knapp‘, sattle mir mein Dänenroß,
- Daß ich mir Ruh‘ erreite!
- Es wird mir hier zu eng‘ im Schloß;
- Ich will und muß ins Weite!« –
- So rief der Ritter Karl in Hast,
- Voll Angst und Ahnung, sonder Rast.
- Es schien ihn fast zu plagen,
- Als hätt‘ er Wen erschlagen.
- Er sprengte, daß es Funken stob,
- Hinunter von dem Hofe;
- Und als er kaum den Blick erhob,
- Sieh da! Gertrudens Zofe!
- Zusammenschrak der Rittersmann;
- Es packt ihn wie mit Krallen an
- Und schüttelt ihn wie Fieber
- Hinüber und herüber.
- »Gott grüß‘ Euch, edler junger Herr!
- Gott geb‘ Euch Heil und Frieden!
- Mein armes Fräulein hat mich her
- Zum letzten Mal beschieden.
- Verloren ist Euch Trudchen’s Hand!
- Dem Junker Plump von Pommerland
- Hat sie vor aller Ohren
- Ihr Vater zugeschworen.«
- »»Mord!«« flucht er laut, bei Schwert und Spieß,
- »»Wo Karl dir noch gelüstet,
- So sollst du tief in’s Burgverlies,
- Wo Molch und Unke nistet.
- Nicht rasten will ich Tag und Nacht,
- Bis daß ich nieder ihn gemacht,
- Das Herz ihm ausgerissen
- Und das dir nachgeschmissen.««
- Jetzt in der Kammer zagt die Braut
- Und zuckt vor Herzenswehen
- Und ächzet tief und weinet laut
- Und wünschet zu vergehen.
- Ach! Gott, der Herr, muß ihrer Pein,
- Bald muß und wird er gnädig sein.
- Hört Ihr zur Trauer läuten,
- So wißt Ihr’s auszudeuten. –
- »»Geh, meld‘ ihm, daß ich sterben muß!««
- Rief sie mit tausend Zähren.
- »»Geh, bring‘ ihm, ach! den letzten Gruß,
- Den er von mir wird hören!
- Geh unter Gottes Schutz und bring
- Von mir ihm diesen goldnen Ring
- Und dieses Wehrgehenke,
- Wobei er mein gedenke!«« –
- Zu Ohren braust‘ ihm, wie ein Meer,
- Die Schreckenspost der Dirne.
- Die Berge wankten um ihn her,
- Es flirrt‘ ihm vor der Stirne.
- Doch jach, wie Windeswirbel fährt
- Und rührig Laub und Staub empört,
- Ward seiner Lebensgeister
- Verzweiflungsmuth nun Meister.
- »Gottslohn! Gottslohn! du treue Magd,
- Kann ich’s dir nicht bezahlen.
- Gottslohn! daß du mir’s angesagt,
- Zu hunderttausend Malen.
- Bis wohlgemuth und tummle dich!
- Flugs tummle dich zurück und sprich:
- Wär’s auch aus tausend Ketten,
- So wollt‘ ich sie erretten!
- Bis wohlgemuth und tummle dich!
- Flugs tummle dich von hinnen!
- Ha! Riesen, gegen Hieb und Stich,
- Wollt‘ ich sie abgewinnen.
- Sprich: Mitternachts, bei Sternenschein,
- Wollt‘ ich vor ihrem Fenster sein,
- Mir geh‘ es, wie es gehe!
- Wohl, oder ewig wehe.
- Risch auf und fort!« – Wie Sporen trieb
- Des Ritters Wort die Dirne.
- Tief holt‘ er wieder Luft und rieb
- Sich’s klar vor Aug‘ und Stirne.
- Dann schwenkt‘ er hin und her sein Roß,
- Daß ihm der Schweiß vom Buge floß,
- Bis er sich Rath ersonnen
- Und den Entschluß gewonnen.
- Drauf ließ er heim sein Silberhorn
- Von Dach und Zinnen schallen.
- Herangesprengt durch Korn und Dorn
- Kam stracks ein Heer Vasallen.
- Draus zog er Mann bei Mann hervor
- Und raunt‘ ihm heimlich Ding in’s Ohr: –
- »Wolauf! Wolan! Seid fertig
- Und meines Horns gewärtig!« –
- Als nun die Nacht Gebirg‘ und Thal
- Vermummt in Rabenschatten
- Und Hochburg’s Lampen überall
- Schon ausgeflimmert hatten
- Und alles tief entschlafen war,
- Doch nur das Fräulein immerdar
- Voll Fieberangst noch wachte
- Und seinen Ritter dachte:
- Da horch! ein süßer Liebeston
- Kam leis‘ emporgeflogen.
- »Ho, Trudchen, ho! Da bin ich schon!
- Risch auf! Dich angezogen!
- Ich, ich, dein Ritter, rufe dir;
- Geschwind, geschwind herab zu mir!
- Schon wartet dein die Leiter;
- Mein Klepper bringt dich weiter.« –
- »Ach nein, du Herzens-Karl, ach nein!
- Still, daß ich Nichts mehr höre!
- Entränn‘ ich, ach! mit dir allein,
- Dann wehe meiner Ehre!
- Nur noch ein letzter Liebeskuß
- Sei, Liebster, dein und mein Genuß,
- Eh‘ ich im Todtenkleide
- Auf ewig von dir scheide.« –
- »Ha, Kind! Auf meine Rittertreu
- Kannst du die Erde bauen.
- Du kannst, beim Himmel! froh und frei
- Mir Ehr‘ und Leib vertrauen.
- Risch geht’s nach meiner Mutter fort.
- Das Sacrament vereint uns dort.
- Komm, komm! Du bist geborgen.
- Laß Gott und mich nur sorgen!« –
- »Mein Vater!… Ach! ein Reichsbaron!…
- So stolz von Ehrenstamme!…
- Laß ab! Laß ab! Wie beb‘ ich schon
- Vor seines Zornes Flamme!
- Nicht rasten wird er Tag und Nacht,
- Bis daß er nieder dich gemacht,
- Das Herz dir ausgerissen
- Und das mir vorgeschmissen.« –
- »Ha, Kind! Sei nur erst sattelfest,
- So ist mir nicht mehr bange. –
- Dann steht uns offen Ost und West. –
- O zaudre nicht zu lange!
- Horch, Liebchen, horch! – Was rührte sich? –
- Um Gottes willen! tummle dich!
- Komm, komm! Die Nacht hat Ohren;
- Sonst sind wir ganz verloren.« –
- Das Fräulein zagte, – stand, – ich stand, –
- Es graust‘ ihr durch die Glieder. –
- Da griff er nach der Schwanenhand
- Und zog sie flink hernieder.
- Ach! Was ein Herzen, Mund und Brust,
- Mit Rang und Drang, voll Angst und Lust,
- Belauschten jetzt die Sterne
- Aus hoher Himmelsferne! –
- Er nahm sein Lieb mit einem Schwung
- Und schwang’s auf den Polacken.
- Hui! saß er selber auf und schlung
- Sein Heerhorn um den Nacken,
- Der Ritter hinten, Trudchen vorn.
- Den Dänen trieb des Ritters Sporn,
- Die Peitsche den Polacken,
- Und Hochburg blieb im Nacken. –
- Ach! Leise hört die Mitternacht!
- Kein Wörtchen ging verloren.
- Im nächsten Bett war aufgewacht
- Ein paar Verrätherohren.
- Des Fräuleins Sittenmeisterin,
- Voll Gier nach schnödem Geldgewinn,
- Sprang hurtig auf, die Thaten
- Dem Alten zu verrathen.
- »Hallo! Hallo! Herr Reichsbaron! –
- Hervor aus Bett und Kammer! –
- Eu’r Fräulein Trudchen ist entflohn,
- Entflohn zu Schand und Jammer!
- Schon reitet Karl von Eichenhorst
- Und jagt mit ihr durch Feld und Forst.
- Geschwind! Ihr dürft nicht weilen,
- Wollt ihr sie noch ereilen.«
- Hui! auf der Freiherr, hui! heraus,
- Bewehrte sich zum Streite
- Und donnerte durch Hof und Haus
- Und weckte seine Leute. –
- »Heraus, mein Sohn von Pommerland!
- Sitz auf! Nimm Lanz‘ und Schwert zur Hand!
- Die Braut ist dir gestohlen;
- Fort, fort! sie einzuholen!« –
- Rasch ritt das Paar im Zwielicht schon,
- Da horch! – ein dumpfes Rufen –
- Und horch! – erscholl ein Donnerton
- Von Hochburg’s Pferdehufen;
- Und wild kam Plump, den Zaum verhängt,
- Weit, weit voran dahergesprengt
- Und ließ zu Trudchens Grausen
- Vorbei die Lanze sausen. –
- »Halt an! halt an! du Ehrendieb,
- Mit deiner losen Beute!
- Herbei vor meinen Klingenhieb!
- Dann raube wieder Bräute!
- Halt an, verlaufne Buhlerin,
- Daß neben deinen Schurken hin
- Dich meine Rache strecke
- Und Schimpf und Schand‘ euch decke!« –
- »Das leugst du, Plump von Pommerland,
- Bei Gott und Ritterehre!
- Herab! Herab! daß Schwert und Hand
- Dich andre Sitte lehre. –
- Halt Trudchen, halt‘ den Dänen an! –
- Herunter, Junker Grobian,
- Herunter von der Mähre,
- Daß ich dich Sitte lehre!« –
- Ach! Trudchen, wie voll Angst und Noth!
- Sah hoch die Säbel schwingen.
- Hell funkelten im Morgenroth
- Die Damascenerklingen.
- Von Kling und Klang, von Ach und Krach
- Ward rundumher das Echo wach;
- Von ihrer Fersen Stampfen
- Begann der Grund zu dampfen.
- Wie Wetter schlug des Liebsten Schwert
- Den Ungeschliffnen nieder.
- Gerdtrudens Held blieb unversehrt,
- Und Plump erstand nicht wieder. –
- Nun weh, o weh! erbarm‘ es Gott!
- Kam fürchterlich, Galop und Trott,
- Als Karl kaum ausgestritten,
- Der Nachtrab angeritten. –
- Trarah! Trarah! durch Feld und Wald
- Ließ Karl sein Horn nun schallen.
- Sieh da! Hervor vom Hinterhalt,
- Hop hop! sein Heer Vasallen. –
- »Nun halt, Baron, und hör‘ ein Wort!
- Schau auf! Erblickst du Jene dort?
- Die sind zum Schlagen fertig
- Und meines Winks gewärtig.
- Halt an! Halt an! und hör‘ ein Wort,
- Damit dich Nichts gereue!
- Dein Kind gab längst mir Treu‘ und Wort,
- Und ich ihm Wort und Treue.
- Willst du zerreißen Herz und Herz?
- Soll dich ihr Blut, soll dich ihr Schmerz
- Vor Gott und Welt verklagen?
- Wolan! so laß uns schlagen!
- Noch halt! Bei Gott beschwör‘ ich dich!
- Bevor’s dein Herz gereuet.
- In Ehr‘ und Züchten hab‘ ich mich
- Dem Fräulein stets geweihet.
- Gib… Vater!… gib mir Trudchen’s Hand! –
- Der Himmel gab mir Gold und Land.
- Mein Ritterruhm und Adel,
- Gottlob! trotzt jedem Tadel.«
- Ach! Trudchen, wie voll Angst und Noth!
- Verblüht‘ in Todesblässe.
- Vor Zorn der Freiherr heiß und roth
- Glich einer Feueresse. –
- Und Trudchen warf sich auf den Grund;
- Sie rang die schönen Hände wund
- Und suchte baß mit Thränen
- Den Eifrer zu versöhnen.
- »O Vater, habt Barmherzigkeit
- Mit Euerm armen Kinde!
- Verzeih‘ Euch, wie Ihr uns verzeiht,
- Der Himmel auch die Sünde!
- Glaubt, bester Vater, diese Flucht,
- Ich hätte nimmer sie versucht,
- Wenn vor des Junkers Bette
- Mich nicht geekelt hätte. –
- Wie oft habt Ihr auf Knie und Hand
- Gewiegt mich und getragen!
- Wie oft: du Herzenskind! genannt,
- Du Trost in alten Tagen!
- O Vater, Vater! Denkt zurück!
- Ermordet nicht mein ganzes Glück!
- Ihr tödtet sonst daneben
- Auch Eures Kindes Leben.« –
- Der Freiherr warf sein Haupt herum
- Und wies den krausen Nacken.
- Der Freiherr rieb, wie taub und stumm,
- Die dunkelrauhen Backen. –
- Vor Wehmuth brach ihm Herz und Blick;
- Doch schlang er stolz den Strom zurück,
- Um nicht durch Vaterthränen
- Den Rittersinn zu höhnen. –
- Bald sanken Zorn und Ungestüm,
- Das Vaterherz wuchs über;
- Von hellen Zähren strömten ihm
- Die stolzen Augen über. –
- Er hob sein Kind vom Boden auf,
- Er ließ der Herzensflut den Lauf
- Und wollte schier vergehen
- Vor wundersüßen Wehen. –
- »Nun wol! Verzeih‘ mir Gott die Schuld,
- So wie ich dir verzeihe!
- Empfange meine Vaterhuld,
- Empfange sie auf’s Neue!
- In Gottes Namen, sei es drum!« –
- Hier wandt‘ er sich zum Ritter um –
- »Da! Nimm sie meinetwegen
- Und meinen ganzen Segen!
- Komm, nimm sie hin, und sei mein Sohn,
- Wie ich dein Vater werde!
- Vergeben und vergessen schon
- Ist jegliche Beschwerde.
- Dein Vater, einst mein Ehrenfeind,
- Der’s nimmer hold mit mir gemeint,
- That Vieles mir zum Hohne.
- Ihn haßt‘ ich noch im Sohne.
- Mach’s wieder gut! Mach’s gut, mein Sohn,
- An mir und meinem Kinde!
- Auf daß ich meiner Güte Lohn
- In deiner Güte finde.
- So segne dann, der auf uns sieht,
- Euch segne Gott von Glied zu Glied!
- Auf! Wechselt Ring‘ und Hände!
- Und hiermit Lied am Ende!«