1. Vorgesang.
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Schon gekant!
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Nie empfand!
- Unter hellen Melodieen
- Ist der junge Mai erwacht.
- Seht, wie seine Schläfe glühen!
- Wie ihm Wang’ und Auge lacht!
- Ueber kräutervollen Rasen,
- Ueber Hainen schwebet er.
- Kleine laue Weste blasen
- Wolgerüche vor ihm her.
- Segenvolle Wolken streuen
- Warme Tropfen auf die Flur,
- Geben Nahrung und Gedeihen
- Jedem Kinde der Natur.
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Schon gekant!
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Nie empfand!
- Lieb’ und Gegenliebe paaret
- Dieses Gottes Freundlichkeit,
- Und sein süssestes versparet
- Jedes Thier auf diese Zeit.
- Wann das Laub ihr Nest umschattet,
- Paaren alle Vögel sich.
- Was da lebet, das begattet
- Um die Zeit der Blüthe sich.
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Schon gekant!
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Nie empfand!
- Schauet! Freudiger und röter
- Bricht des Tages Morgen an,
- Als im Anbegin, da Aether
- Mutter Tellus liebgewan;
- Und ihr Schoos von ihrem Gatten
- Floren und den Lenz empfing;
- Und des ersten Haines Schatten
- Um die Neugebornen hing.
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Schon gekant!
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Nie empfand!
- Als der erste Frühling blühte,
- Wand, erzeugt aus Kronus Blut,
- Göttin Venus Afrodite,
- Bei gelinder Wogenflut,
- Sich almählig aus des grauen
- Ozeans verborgnem Schoos,
- Angestaunet von den blauen
- Wasserungeheuern, los.
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Schon gekant!
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Nie empfand!
- Morgen ist Dionens Feier.
- Stimmet an den Weihgesang!
- Töne drein, gewölbte Leier!
- Hall’ am Felsen, Wiederklang!
- Morgen bringen ihre Tauben
- Sie herab in unsern Hain;
- Morgen, unter Myrtenlauben,
- Ladet sie zu Tänzen ein;
- Morgen, vom erhabnen Throne
- Winket uns ihr Richterstab,
- Und sie spricht, zu Straf’ und Lohne,
- Gütevolles Recht herab.
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Schon gekant!
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Nie empfand!
- Eilt, den Thron ihr zu erheben!
- Thut der Königin Gebot!
- Flora sol ihn überweben,
- Golden, blau und purpurrot.
- Spend’, o Flora, jede Blume,
- Die im bunten Enna lacht!
- Flora, zu Dionens Ruhme,
- Spende deine ganze Pracht!
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Schon gekant!
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Nie empfand!
- Unser prangendes Geleite
- Wird am Thron ihr huldigen.
- Sizen werden ihr zur Seite
- Amor und die Grazien.
- Alle Nymfen sind geladen.
- Nymfen aus Gefild’ und Hain,
- Wassermädchen, Oreaden
- Werden hier versamlet seyn.
- Alle sind herbei gerufen,
- Vor Dionens Angesicht,
- Mitzusizen, um die Stufen
- Ihres Thrones, zu Gericht.
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Schon gekant!
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Nie empfand!
- Schon durchwallt die frohen Haine
- Cythereens Nymfenschaar.
- Amor flattert mit; doch keine
- Naht sich ihm und der Gefar. –
- Nymfen, die sein Köcher schrekte,
- Wist ihr nicht, was ihm geschehn,
- Daß er heut die Waffen strekte,
- Daß er heut mus wehrlos gehn? –
- Unverbrüchliche Geseze
- Wollen, daß sein Bogen heut
- Keiner Nymfe Brust verleze. –
- Aber, Nymfen, scheut, o scheut
- Ihn auch nakt! Er überlistet,
- Er verlezt euch Mädchen doch:
- Denn den Waffenlosen rüstet
- Seine ganze Schönheit noch.
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Schon gekant!
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Nie empfand!
- Nymfen, rein wie du an Sitte,
- Sendet, keusche Delia,
- Sendet dir mit sanfter Bitte
- Venus Amathusia:
- Morgen triefe dies Gesträuche,
- Von des Wildes Blute nicht!
- Deines Hornes Klang verscheuche
- Dieses Hains Gefieder nicht!
- Selber wäre sie erschienen,
- Selber hätte sie gefleht,
- Doch sie scheute deiner Mienen,
- Deines Ernstes Majestät.
- Weich aus unserm Feierhaine!
- Venus Amathusia
- Walte morgen hier alleine!
- Weich, o keusche Delia!
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Schon gekant!
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Nie empfand!
- Zu des schönsten Festes Freude
- Lüde sie auch dich mit ein,
- Ziemt’ es deinem keuschen Eide,
- Zeugin unsrer Lust zu seyn.
- Ha! Du soltest Jubel hören!
- Hören Sang und Zymbelklang!
- Soltest uns in Taumelchören
- Schwärmen sehn drei Nächte lang;
- Soltest bald in Wirbelreigen
- Uns um flinke Nymfen drehn,
- Bald, zu Paaren unter Zweigen,
- Süsser Ruhe pflegen sehn.
- Auch der Held, der fern am Indus,
- Vom bezähmten Pardel strit,
- Ceres und der Gott vom Pindus
- Und Pomona feiern mit.
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Schon gekant!
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Nie empfand!
- Heller glänzt Aurorens Schleier.
- Auf! Begint den Lobgesang!
- Töne drein, geweihte Leier!
- Hall’ am Felsen, Wiederklang!
- Eryzinens Hauch durchdringet,
- Bis zur Gränze der Natur,
- Wo die lezte Sfäre klinget,
- Alle Pulse der Natur.
- Sie befruchtet Land und Meere,
- Sie das weite Luftrevier.
- Wie sie zeuge, wie gebäre,
- Weis die Kreatur von ihr.
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Schon gekant!
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Nie empfand!
- Wie mit blinkendem Gesteine,
- Schmükt sie bräutlich unsre Welt;
- Streuet Blüthen auf die Haine,
- Blumen über Wies’ und Feld.
- Sie enthült die Anemonen,
- Schliest den goldnen Krokus auf;
- Sezet die azurnen Kronen
- Prangenden Cyanen auf.
- Den Päonien entfaltet
- Sie das purpurne Gewand.
- Wie der Mädchen Busen, spaltet
- Junge Rosen ihre Hand.
- In den Ichor ihrer Wunde
- Ward ihr Silberblat getaucht,
- Und aus ihrem süssen Munde
- Wolgeruch hinein gehaucht.
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Schon gekant!
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Nie empfand!
- Liebe segnet die Gefilde,
- Und beseliget den Hain;
- Liebe flöst dem rauhen Wilde
- Wonnigliche Regung ein.
- Gatten um die Gatten hüpfen
- Rüstig durch den Wiesengrund.
- Afroditens Hände knüpfen
- Ihren süssen Liebesbund.
- Alte Sage bringt zu Ohren:
- Daß sie auf der Hirtenflur
- Selber einst den Sohn geboren,
- Den Beherscher der Natur.
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Schon gekant!
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Nie empfand!
- Sie entris Anchisens Laren
- Dem entflamten Ilion,
- Und aus tausend Meergefaren
- Den verfolgten frommen Sohn.
- Sie war’s, die die Hand Aeneens
- Und Laviniens verband;
- Und die keusche Zone Rheens
- Löste sie durch Mavors Hand.
- Sie vermälte Romuls Diener,
- Halb durch List und halb durch Macht,
- Mit den Töchtern der Sabiner.
- Aus den Küssen erster Nacht
- Keimten glänzende Geschlechter,
- Mit der Zeiten Wechsellauf,
- Patrioten und Verächter
- Ihres Todes keimten auf.
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Schon gekant!
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Nie empfand!
- Schall’, o Maigesang, erschalle!
- Töne, Cypris Hochgesang!
- Hört ihr? Singen ihr nicht alle
- Fluren, alle Wälder Dank?
- Von dem Anger tönt das laute
- Lustgebrüll der Heerden ihr.
- Aus dem hohen Haidekraute
- Zirpen tausend Grillen ihr.
- Ihr nun schnattert das Gefieder
- Von den Teichen Dank empor;
- Und der edlern Vögel Lieder
- Sind ein Opfer ihrem Ohr.
- Horcht! Es wirbelt Philomele
- Tief aus Pappelweiden drein.
- Liebe seufzet ihre Kehle;
- Keine Klage kan es seyn.
- Nicht um Tereus Grausamkeiten
- Wimmert Prognens Schwester mehr,
- Sol ich nicht ihr Lied begleiten?
- Stimmet mich kein Frühling mehr?
- Phöbus, säng’ ich nicht dem Maien,
- Säng’ ich nicht, o Liebe, dir,
- Würde nimmer mir verzeihen.
- Stimm’ und Laute nähm’ er mir.
- Drum so werde, wann die Schwalbe
- Singend ihre Wonung baut,
- Werd’, o Sang, gleichwie die Schwalbe
- Nach der Winterstille laut!
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Schon gekant!
- Morgen liebe, wer die Liebe
- Nie empfand!
2. Weihgesang.
3. Lobgesang.