- Halt an den schnaubenden Rappen,
- Verblendeter Rittersmann!
- Gen Windeck fleucht, dich verlockend,
- Der luftige Hirsch hinan.
- Und vor den mächtigen Thürmen,
- Vom äußern verfallenen Thor,
- Durchschweifte sein Auge die Trümmer,
- Worunter das Wild sich verlor,
- Da war es so einsam und stille,
- Es brannte die Sonne so heiß,
- Er trocknete tiefaufathmend
- Von seiner Stirne den Schweiß.
- „Ach, würde des köstlichen Weines
- Mir nur ein Trinkhorn voll,
- Den hier der verschüttete Keller
- Verborgen noch hegen soll!“
- Kaum waren die Worte beflügelt
- Von seinen Lippen geflohn,
- So bog um die Epheumauer
- Die sorgende Schaffnerin schon.
- Die zarte, die herrliche Jungfrau,
- In blendend weißem Gewand,
- Den Schlüsselbund im Gürtel,
- Das Trinkhorn hoch in der Hand.
- Er schlürfte mit gierigem Munde
- Den würzig köstlichen Wein,
- Er schlürfte verzehrende Flammen
- In seinen Busen hinein.
- Des Auges klare Tiefe!
- Der Locken flüssiges Gold! –
- Es falteten seine Hände
- Sich flehend um Minnesold.
- Sie sah ihn an mitleidig
- Und ernst und wunderbar,
- Und war so schnell verschwunden,
- Wie schnell sie erschienen war.
- Er hat seit dieser Stunde,
- An Windecks Trümmern gebannt,
- Nicht Ruh noch Rast gefunden,
- Und keine Hoffnung gekannt.
- Er schlich im wachen Traume,
- Gespenstig, siech und bleich.
- Zu sterben nicht vermögend
- Und keinem Lebendigen gleich.
- Sie sagen: sie sey ihm noch einmal
- Erschienen nach langer Zeit,
- Und hab’ ihn geküßt auf die Lippen,
- Und so ihn vom Leben befreit.
Das Burgfräulein von Windeck
… eine Ballade von Adelbert von ChamissoDas Burgfräulein von Windeck von Adelbert von Chamisso wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/chamisso/das-burgfraeulein-von-windeck/
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