- Mit der Myrte geschmückt und dem Brautgeschmeid,
- Des Wärters Tochter, die rosige Maid,
- Tritt ein in den Zwinger des Löwen; er liegt
- Der Herrin zu Füßen, vor der er sich schmiegt.
- Der Gewaltige, wild und unbändig zuvor,
- schaut fromm und verständig zur Herrin empor;
- Die Jungfrau zart und wonnereich,
- Liebstreichelt ihn sanft und weinet zugleich:
- „Wir waren in Tagen, die nicht mehr sind,
- Gar treue Gespielen wie Kind und Kind,
- Und hatten uns lieb, und hatten uns gern;
- Die Tage der Kindheit, sie liegen uns fern.
- Du schütteltest machtvoll, eh’ wir’s geglaubt,
- Dein mähnen-umwogtes, königlich Haupt;
- Ich wuchs heran, du siehst es, ich bin
- Das Kind nicht mehr mit kindischem Sinn.
- O wär’ ich das Kind noch und bliebe bei dir,
- Mein starkes, getreues, mein redliches Thier;
- Ich aber muß folgen, sie thaten’s mir an,
- Hinaus in die Fremde dem fremden Mann.
- Es fiel ihm ein, daß schön ich sei,
- Ich wurde gefreiet, es ist nun vorbei; —
- Der Kranz im Haare, mein guter Gesell,
- Und nicht vor Thränen die Blicke mehr hell.
- Verstehst du mich ganz? schau’st grimmig dazu;
- Ich bin ja gefaßt, sei ruhig auch du;
- Dort seh’ ich ihn kommen, dem folgen ich muß,
- So geb’ ich denn, Freund, dir den letzten Kuß!“
- Und wie ihn die Lippe des Mädchens berührt,
- Da hat man den Zwinger erzittern gespürt;
- Und wie er am Gitter den Jüngling erschaut,
- Erfaßt Entsetzen die bangende Braut.
- Er stellt an die Thür sich des Zwingers zu Wacht,
- Er schwinget den Schweif, er brüllet mit Macht;
- Sie flehend, gebietend und drohend begehrt
- Hinaus; er im Zorn den Ausgang wehrt.
- Und draußen erhebt sich verworren Geschrei,
- Der Jüngling ruft: „bringt Waffen herbei;
- Ich schieß’ ihn nieder, ich treff’ ihn gut!“
- Auf brüllt der Gereizte, schäumend vor Wuth.
- Die Unselige wagt’s, sich der Thüre zu nah’n,
- Da fällt er verwandelt die Herrin an;
- Die schöne Gestalt, ein gräßlicher Raub,
- Liegt blutig, zerissen, entstellt in dem Staub.
- Und wie er vergossen das theure Blut,
- Er legt sich zur Leiche mit finsterem Muth,
- Er liegt so versunken in Trauer und Schmerz,
- Bis tödtlich die Kugel ihn trifft in das Herz.
Die Löwenbraut
… eine Ballade von Adelbert von ChamissoDie Löwenbraut von Adelbert von Chamisso wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/chamisso/die-loewenbraut/
Quelle: https://balladen.net/chamisso/die-loewenbraut/