- Reiche mir die Blutorange
- Mit dem süßen Zauberdufte,
- Sie, die von den schönsten Lippen
- Ihre Nahrung hat geraubt.
- Sagt‘ ich es nicht, o Maimuna,
- Flehend, händeringend, knieend
- Sagt‘ ich es zu sieben Malen,
- Nicht zu tausend Malen dir?
- »Laß, o Fürstin, diese Liebe,
- Laß von dieser dunklen Liebe,
- Dir die ganze Brust versengend,
- Unheil bringend und Gefahr!
- »Daß nicht merk‘ es der Kalife,
- Er, der zornbereite Bruder,
- Nicht den Dschafer dir verderbe
- Deinen hohen Barmekiden,
- Nicht den Dschafer dir verderbe,
- Und dich selber, Fürstin, auch!«
- Doch was ist die weise Rede
- In dem liebentglühten Herzen?
- Wie das Winseln eines Kindleins
- In der wutentbrannten Schlacht,
- Wie ein linder Nebeltropfen
- In dem flammenden Gebäude,
- Wie ein Licht, vom Borde taumelnd
- In den dunklen Ozean.
- In der Tänzerin Gewande
- Schmiegen sich der Fürstin Glieder,
- Um die Schultern Seide flattert,
- In dem Arm die Zither liegt.
- O, wie windet sie die Arme,
- Hoch das Tamburin erschwingend!
- O, wie wogen ihre Schritte,
- Ihre reizerblühten Glieder,
- Daß der Barmekide glühend
- Seine dunklen Augen birgt!
- Sieben Jahre sind verschwunden,
- Sieben wonnevolle Jahre,
- Zu den sieben drei und fünfe,
- Und in den Gebirgen irrend
- Zieht der Barmekiden Schar.
- Mütter auf den Dromedaren,
- Blind geweint die schönen Augen,
- In den Armen Kindlein, wimmernd
- In die lagerlose Nacht.
- Über Bagdads Tor ein Geier,
- Kreisend über Dschafers Schädel,
- Rauscht hinan und rauscht vorüber,
- Hat zur Nahrung nichts gefunden,
- Als in seiner Augen Höhlen
- Nur zwei kleine Spinnlein noch.
Der Barmekiden Untergang
… eine Ballade von Annette von Droste-HülshoffDer Barmekiden Untergang von Annette von Droste-Hülshoff wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/droste-huelshoff/der-barmekiden-untergang/
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