- »Nun still! – Du an den Dohnenschlag!
- Du links an den gespaltnen Baum!
- Und hier der faule Fetzer mag
- Sich lagern an der Klippe Saum:
- Da seht fein offen übers Land
- Die Kutsche ihr heranspazieren:
- Und Rieder dort, der Höllenbrand,
- Mag in den Steinbruch sich postieren!
- Dann aufgepaßt mit Aug‘ und Ohr,
- Und bei dem ersten Räderhall
- Den Eulenschrei! und tritt hervor
- Die Fracht, dann wiederholt den Schall:
- Doch naht Gefahr – Patrouillen gehn, –
- Seht ihr die Landdragoner streifen,
- Dann dreimal, wie von Riffeshöhn,
- Laßt ihr den Lämmergeier pfeifen.
- Nun, Rieder, noch ein Wort zu dir:
- Mit Recht heißt du der Höllenbrand;
- Kein Stückchen – ich verbitt‘ es mir –
- Wie neulich mit der kalten Hand!«
- Der Hauptmann spricht es; durch den Kreis
- Ein Rauschen geht und feines Schwirren,
- Als sie die Büchsen schultern leis,
- Und in den Gurt die Messer klirren.
- Seltsamer Troß! hier Riesenbau
- Und hiebgespaltnes Angesicht,
- Und dort ein Bübchen wie ’ne Frau,
- Ein zierliches Spelunkenlicht;
- Der drüben an dem Scheitelhaar
- So sachte streift den blanken Fänger,
- Schaut aus den blauen Augen gar
- Wie ein verarmter Minnesänger.
- ’s ist lichter Tag! die Bande scheut
- Vor keiner Stunde – alles gleich;
- Es ist die rote Bande, weit
- Verschrien, gefürchtet in dem Reich;
- Das Knäbchen kauert unterm Stier
- Und betet, raschelt es im Walde,
- Und manches Weib verschließt die Tür,
- Schreit nur ein Kuckuck an der Halde.
- Die Posten haben sich zerstreut,
- Und in die Hütte schlüpft der Troß –
- Wildhüters Obdach, zu der Zeit,
- Als jene Trümmer war ein Schloß:
- Wie Ritter vor der Ahnengruft,
- Fühlt sich der Räuber stolz gehoben
- Am Schutte, dran ein gleicher Schuft
- Vor Jahren einst den Brand geschoben.
- Und als der letzte Schritt verhallt,
- Der letzte Zweig zurückgerauscht,
- Da wird es einsam in dem Wald,
- Wo überm Ast die Sonne lauscht;
- Und als es drinnen noch geklirrt,
- Und noch ein Weilchen sich geschoben,
- Da still es in der Hütte wird,
- Vom wilden Weingerank umwoben.
- Der scheue Vogel setzt sich kühn
- Aufs Dach und wiegt sein glänzend Haupt,
- Und summend durch der Reben Grün
- Die wilde Biene Honig raubt;
- Nur leise wie der Hauch im Tann,
- Wie Weste durch die Halme streifen,
- Hört drinnen leise, leise man,
- Vorsichtig an den Messern schleifen. –
- Ja, lieblich ist des Berges Maid
- In ihrer festen Glieder Pracht,
- In ihrer blanken Fröhlichkeit
- Und ihrer Zöpfe Rabennacht;
- Siehst du sie brechen durchs Genist
- Der Brombeerranken, frisch, gedrungen,
- Du denkst, die Centifolie ist
- Vor Übermut vom Stiel gesprungen.
- Nun steht sie still und schaut sich um –
- Allüberall nur Baum an Baum;
- Ja, irre zieht im Walde um
- Des Berges Maid und glaubt es kaum;
- Noch zwei Minuten, wo sie sann,
- Pulsieren ließ die heißen Glieder, –
- Behende wie ein Marder dann
- Schlüpft keck sie in den Steinbruch nieder.
- Am Eingang steht ein Felsenblock,
- Wo das Geschiebe überhängt;
- Der Efeu schüttelt sein Gelock,
- Zur grünen Laube vorgedrängt:
- Da unterm Dache lagert sie,
- Behaglich lehnend an dem Steine,
- Und denkt: Ich sitze wahrlich wie
- Ein Heil’genbildchen in dem Schreine!
- Ihr ist so warm, der Zöpfe Paar
- Sie löset mit der runden Hand,
- Und nieder rauscht ihr schwarzes Haar
- Wie Rabenfittiges Gewand.
- Ei! denkt sie, bin ich doch allein!
- Auf springt das Spangenpaar am Mieder;
- Doch unbeweglich gleich dem Stein
- Steht hinterm Block der wilde Rieder:
- Er sieht sie nicht, nur ihren Fuß,
- Der tändelnd schaukelt wie ein Schiff,
- Zuweilen treibt des Windes Gruß
- Auch eine Locke um das Riff,
- Doch ihres heißen Odems Zug,
- Samumes Hauch, glaubt er zu fühlen,
- Verlorne Laute, wie im Flug
- Lockvögel, um das Ohr ihm spielen.
- So weich die Luft und badewarm,
- Berauschend Thymianes Duft,
- Sie lehnt sich, dehnt sich, ihren Arm,
- Den vollen, streckt sie aus der Kluft,
- Schließt dann ihr glänzend Augenpaar –
- Nicht schlafen, ruhn nur eine Stunde –
- So dämmert sie und die Gefahr
- Wächst von Sekunde zu Sekunde.
- Nun alles still – sie hat gewacht –
- Doch hinterm Steine wird’s belebt
- Und seine Büchse sachte, sacht,
- Der Rieder von der Schulter hebt,
- Lehnt an die Klippe ihren Lauf,
- Dann lockert er der Messer Klingen,
- Hebt nun den Fuß – was hält ihn auf?
- Ein Schrei scheint aus der Luft zu dringen!
- Ha, das Signal! – er ballt die Faust –
- Und wiederum des Geiers Pfiff
- Ihm schrillend in die Ohren saust –
- Noch zögert knirschend er am Riff –
- Zum dritten Mal – und sein Gewehr
- Hat er gefaßt – hinan die Klippe!
- Daß bröckelnd Kies und Sand umher
- Nachkollern von dem Steingerippe.
- Und auch das Mädchen fährt empor:
- »Ei, ist so locker das Gestein?«
- Und langsam, gähnend tritt hervor
- Sie aus dem falschen Heil’genschrein,
- Hebt ihrer Augen feuchtes Glühn,
- Will nach dem Sonnenstande schauen,
- Da sieht sie einen Geier ziehn
- Mit einem Lamm in seinen Klauen.
- Und schnell gefaßt, der Wildnis Kind,
- Tritt sie entgegen seinem Flug:
- Der kam daher, wo Menschen sind,
- Das ist der Bergesmaid genug.
- Doch still! war das nicht Stimmenton
- Und Räderknarren? still! sie lauscht –
- Und wirklich, durch die Nadeln schon
- Die schwere Kutsche ächzt und rauscht.
- »He, Mädchen!« ruft es aus dem Schlag,
- Mit feinem Knix tritt sie heran:
- »Zeig uns zum Dorf die Wege nach,
- Wir fuhren irre in dem Tann!« –
- »Herr«, spricht sie lachend, »nehmt mich auf,
- Auch ich bin irr‘ und führ‘ Euch doch.«
- »Nun wohl, du schmuckes Kind, steig auf,
- Nur frisch hinauf, du zögerst noch?«
- »Herr, was ich weiß, ist nur gering,
- Doch führt es Euch zu Menschen hin,
- Und das ist schon ein köstlich Ding
- Im Wald, mit Räuberhorden drin:
- Seht, einen Weih am Bergeskamm
- Sah steigen ich aus jenen Gründen,
- Der in den Fängen trug ein Lamm;
- Dort muß sich eine Herde finden.« –
- Am Abend steht des Forstes Held
- Und flucht die Steine warm und kalt;
- Der Wechsler freut sich, daß sein Geld
- Er klug gesteuert durch den Wald:
- Und nur die gute, franke Maid
- Nicht ahnet in der Träume Walten,
- Daß über sie so gnädig heut
- Der Himmel seinen Schild gehalten. –
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