I
- Das war der Graf von Thal,
- So ritt an der Felsenwand;
- Das war sein ehlich Gemahl,
- Die hinter dem Steine stand.
- Sie schaut‘ im Sonnenstral
- Hinunter den linden Hang,
- „Wo bleibt der Graf von Thal?
- Ich hört‘ ihn doch reiten entlang!“
- „Ob das ein Hufschlag ist?
- Vielleicht ein Hufschlag fern?
- Ich weiß doch wohl ohne List,
- Ich hab‘ gehört meinen Herrn!“
- Sie bog zurück den Zweig.
- „Bin blind ich oder auch taub?“
- Sie blinzelt‘ in das Gesträuch,
- Und horcht‘ auf das rauschende Laub.
- Oed‘ war’s, im Hohlweg leer,
- Einsam im rispelnden Wald;
- Doch über’m Weiher, am Wehr,
- Da fand sie den Grafen bald.
- In seinen Schatten sie trat.
- Er und seine Gesellen,
- Die flüstern und halten Rath,
- Viel lauter rieseln die Wellen.
- Sie starrten über das Land,
- Genau sie spähten, genau,
- Sahn jedes Zweiglein am Strand,
- Doch nicht am Wehre die Frau.
- Zur Erde blickte der Graf,
- So sprach der Graf von Thal:
- „Seit dreizehn Jahren den Schlaf
- Rachlose Schmach mir stahl.“
- „War das ein Seufzer lind?
- Gesellen, wer hat’s gehört?“
- Sprach Kurt: „Es ist nur der Wind,
- Der über das Schilfblatt fährt.“ –
- „So schwör‘ ich beym höchsten Gut,
- Und wär’s mein ehlich Weib,
- Und wär’s meines Bruders Blut,
- Viel minder mein eigner Leib:“
- „Nichts soll mir wenden den Sinn,
- Daß ich die Rache ihm spar‘;
- Der Freche soll werden inn‘,
- Zins tragen auch dreizehn Jahr‘.“
- „Bei Gott! das war ein Gestöhn!“
- Sie schossen die Blicke in Hast,
- Sprach Kurt: „Es ist der Föhn,
- Der macht seufzen den Tannenast.“ –
- „Und ist sein Aug‘ auch blind,
- Und ist sein Haar auch grau,
- Und mein Weib seiner Schwester Kind -„
- Hier that einen Schrei die Frau.
- Wie Wetterfahnen schnell
- Die Dreie wendeten sich.
- „Zurück, zurück, mein Gesell!
- Dieses Weibes Richter bin ich.“
- Hast du gelauscht, Allgund?
- Du schweigst, du blickst zur Erd‘?
- Das bringt dir bittre Stund‘!
- Allgund, was hast du gehört?“ –
- „Ich lausch‘ deines Rosses Klang,
- Ich späh‘ deiner Augen Schein,
- So kam ich hinab den Hang.
- Nun tue was Noth mag seyn.“ –
- „O Frau!“ sprach Jakob Port,
- „Da habt ihr schlimmes Spiel!
- Grad‘ sprach der Herr ein Wort,
- Das sich vermaß gar viel.“
- Sprach Kurt: „Ich sag‘ es rund,
- Viel lieber den Wolf im Stall,
- Als eines Weibes Mund
- Zum Hüter in solchem Fall.“
- Da sah der Graf sie an,
- Zu Einem und zu Zwei’n;
- Drauf sprach zur Fraue der Mann:
- „Wohl weiß ich, du bist mein.“
- „Als du gefangen lagst
- Um mich ein ganzes Jahr,
- Und keine Sylbe sprachst:
- Da ward deine Treu‘ mir klar.“
- „So schwöre mir denn sogleich:
- Sey’s wenig oder auch viel,
- Was du vernahmst am Teich,
- Dir sey’s wie Rauch und Spiel.“
- Als seye nichts gescheh’n,
- So muß ich völlig meinen;
- Darf dich nicht weinen seh’n,
- Darfst mir nicht bleich erscheinen.“
- „Denk‘ nach, denk‘ nach, Allgund!
- Was zu verheißen Noth.
- Die Wahrheit spricht dein Mund,
- Ich weiß, und brächt‘ es Tod.“
- Und konnte sie sich besinnen,
- Verheißen hätte sie’s nie;
- So war sie halb von Sinnen,
- Sie schwur, und wußte nicht wie.
- Und als das Morgengrau
- In die Kemnate sich stahl:
- Da hatte die werthe Frau
- Geseufzt schon manches Mal;
- Manch Mal gerungen die Hand,
- Ganz heimlich wie ein Dieb;
- Roth war ihrer Augen Rand,
- Todtblaß ihr Antlitz lieb.
- Drei Tage kredenzt‘ sie den Wein,
- Und saß bei’m Mahle drei Tag‘,
- Drei Nächte in steter Pein
- In der Waldkapelle sie lag.
- Wenn er die Wacht besorgt,
- Der Thorwart sieht sie gehn,
- Im Walde steht und horcht
- Der Wilddieb dem Gestöhn‘.
- Am vierten Abend sie saß
- An ihres Herren Seit‘,
- Sie dreht‘ die Spindel, er las,
- Dann sahn sie auf, alle beid‘.
- „Allgund, bleich ist dein Mund!“
- „Herr, ’s macht der Lampe Schein.“
- „Deine Augen sind rot, Allgund!“
- „‚S drang Rauch vom Herde hinein.“
- „Auch macht mir’s schlimmen Muth,
- Daß heut vor fünfzehn Jahren
- Ich sah meines Vaters Blut;
- Gott mag die Seele wahren!“
- „Lang ruht die Mutter im Dom,
- Sind Wen’ge mir verwandt,
- Ein‘ Muhm‘ noch und ein Ohm:
- Sonst ist mir keins bekannt.“
- Starr sah der Graf sie an:
- „Es steht dem Weibe fest,
- Daß um den ehlichen Mann
- Sie Ohm und Vater läßt.“
- „Ja, Herr! so muß es seyn.
- Ich gäb‘ um Euch die zweie,
- Und mich noch obendrein,
- Wenn’s seyn müßt‘, ohne Reue.
- „Doch daß nun dieser Tag
- Nicht gleich den andern sey,
- Les’t, wenn ich bitten mag,
- Ein Sprüchlein oder zwei.“
- „Und als die Fraue klar
- Darauf das heil’ge Buch
- Bot ihrem Gatten dar,
- Es auf von selber schlug.
- Mit Einem Blicke er maß
- Der nächsten Sprüche einen;
- „Mein ist die Rach'“, er las;
- Das will ihm seltsam scheinen.
- Doch wie so fest der Mann
- Auf Frau und Bibel blickt,
- Die saß so still und spann,
- Dort war kein Blatt geknickt.
- Um ihren schönen Leib
- Den Arm er düster schlang:
- „So nimm die Laute, Weib,
- Sing‘ mir einen lust’gen Sang!“
- „O Herr! mag’s euch behagen,
- Ich sing‘ ein Liedlein werth,
- Das erst vor wenig Tagen
- Mich ein Minstrel gelehrt.“
- „Der kam so matt und bleich,
- Wollt‘ nur ein wenig ruh’n,
- Und sprach, im oberen Reich
- Sing‘ man nichts Anderes nun.“
- Drauf, wie ein Schrei verhallt,
- Es durch die Kammer klingt,
- Als ihre Finger kalt
- Sie an die Saiten bringt.
- „Johann! Johann! was dachtest du
- An jenem Tag,
- Als du erschlugst deine eigne Ruh‘
- Mit Einem Schlag?
- Verderbtest auch mit dir zugleich
- Deine drei Gesellen;
- O, sieh nun ihre Glieder bleich
- Am Monde schwellen!
- Weh dir, was dachtest du Johann
- Zu jener Stund‘?
- Nun läuft von dir verlornem Mann
- Durch’s Reich die Kund‘!
- Ob dich verbergen mag der Wald,
- Dich wird’s ereilen;
- Horch nur, die Vögel singen’s bald,
- Die Wölf‘ es heulen!
- O weh! das hast du nicht gedacht,
- Johann! Johann!
- Als du die Rache wahr gemacht
- Am alten Mann.
- Und wehe! nimmer wird der Fluch
- Mit dir begraben,
- Dir, der den Ohm und Herrn erschlug,
- Johann von Schwaben!“
- Aufrecht die Fraue bleich
- Vor ihrem Gatten stand,
- Der nimmt die Laute gleich,
- Er schlägt sie an die Wand.
- Und als der Schall verklang,
- Da hört man noch zuletzt,
- Wie er die Hall‘ entlang
- Den zorn’gen Fußtritt setzt.
- Von heut am siebenten Tag‘
- Das war eine schwere Stund‘,
- Als am Balkone lag
- Auf ihren Knien Allgund.
- Laut waren des Herzens Schläge:
- „O Herr! erbarme dich mein,
- Und bracht‘ ich Böses zuwege,
- Mein sey die Buß‘ allein.“
- Dann beugt sie tief hinab,
- Sie horcht und horcht und lauscht:
- Vom Wehre tos’t es herab,
- Vom Forste drunten es rauscht.
- War das ein Fußtritt? nein!
- Der Hirsch setzt über die Kluft.
- Sollt‘ ein Signal das seyn?
- Doch nein, der Auerhahn ruft.
- „O mein Erlöser, mein Hort!
- Ich bin mit Sünde beschwert,
- Sey gnädig und nimm mich fort,
- Eh‘ heim mein Gatte gekehrt.“
- Ach, wen der Böse umgarnt,
- Dem alle Kraft er bricht!
- Doch hab‘ ich ja nur gewarnt,
- Verrathen, verrathen ja nicht!
- „Weh! das sind Rossestritte.“
- Sie sah sie fliegen durchs Thal
- Mit wildem grimmigen Ritte,
- Sie sah auch ihren Gemahl.
- Sie sah ihn dräuen, genau,
- Sie sah ihn ballen die Hand:
- Da sanken die Knie der Frau,
- Da rollte sie über den Rand.
- Und als zum Schlimmen entschlossen
- Der Graf sprengt‘ in das Thor,
- Kam Blut entgegen geflossen,
- Drang unter’m Gitter hervor.
- Und als er die Hände sah falten
- Sein Weib in letzter Noth,
- Da konnt‘ er den Zorn nicht halten,
- Bleich ward sein Gesicht so roth.
- „Weib, das den Tod sich erkor!“ –
- „‚S war nicht mein Wille“ sie sprach,
- Noch eben bracht‘ sie’s hervor.
- „Weib, das seine Schwüre brach!“
- Wie Abendlüfte verwehen
- Noch einmal haucht sie ihn an:
- „Es mußt‘ eine Sünde geschehen –
- Ich hab‘ sie für dich gethan!“
II
III