I.
- Der Anger dampft, es kocht die Ruhr,
- Im scharfen Ost die Halme pfeifen,
- Da trabt es sachte durch die Flur,
- Da taucht es auf wie Nebelstreifen,
- Da nieder rauscht es in den Fluß,
- Und stemmend gen der Wellen Guß
- Es fliegt der Bug, die Hufe greifen.
- Ein Schnauben noch, ein Satz, und frei
- Das Roß schwingt seine nassen Flanken,
- Und wieder eins, und wieder zwei,
- Bis fünfundzwanzig stehn wie Schranken:
- Voran, voran durch Heid und Wald,
- Und wo sich wüst das Dickicht ballt,
- Da brechen knisternd sie die Ranken.
- Am Eichenstamm, im Überwind,
- Um einen Ast den Arm geschlungen,
- Der Isenburger steht und sinnt
- Und naget an Erinnerungen.
- Ob er vernimmt, was durchs Gezweig
- Ihm Rinkerad, der Ritter bleich,
- Raunt leise wie mit Vögelzungen?
- »Graf,« flüstert es, »Graf haltet dicht,
- Mich dünkt, als woll‘ es Euch betören;
- Bei Christi Blute, laßt uns nicht
- Heim wie gepeitschte Hunde kehren
- Wer hat gefesselt Eure Hand,
- Den freien Stegreif Euch verrannt?« –
- Der Isenburg scheint nicht zu hören.
- »Graf,« flüstert es, »wer war der Mann,
- Dem zu dem Kreuz die Rose paßte?
- Wer machte Euren Schwäher dann
- In seinem eignen Land zum Gaste?
- Und, Graf, wer höhnte Euer Recht,
- Wer stempelt‘ Euch zum Pfaffenknecht?« –
- Der Isenburg biegt an dem Aste.
- »Und wer, wer hat Euch zuerkannt,
- Im härnen Sünderhemd zu stehen,
- Die Schandekerz‘ in Eurer Hand,
- Und alte Vetteln anzuflehen
- Um Kyrie und Litanei!?« –
- Da krachend bricht der Ast entzwei
- Und wirbelt in des Sturmes Wehen.
- Spricht Isenburg: »Mein guter Fant,
- Und meinst du denn ich sei begraben?
- O laß mich nur in meiner Hand –
- Doch ruhig, still, ich höre traben!«
- Sie stehen lauschend, vorgebeugt:
- Durch das Gezweig der Helmbusch steigt
- Und flattert drüber gleich dem Raben.
- Wie dämmerschaurig ist der Wald
- An neblichten Novembertagen,
- Wie wunderlich die Wildnis hallt
- Von Astgestöhn und Windesklagen!
- »Horch, Knabe, war das Waffenklang?« –
- »Nein, gnäd’ger Herr! ein Vogelsang.
- Von Sturmesflügeln hergetragen.« –
- Fort trabt der mächtige Prälat,
- Der kühne Erzbischof von Köllen,
- Er, den der Kaiser sich zum Rat
- Und Reichsverweser mochte stellen,
- Die ehrne Hand der Klerisei, –
- Zwei Edelknaben, Reis’ger zwei,
- Und noch drei Äbte als Gesellen.
- Gelassen trabt er fort, im Traum
- Von eines Wunderdomes Schöne,
- Auf seines Rosses Hals den Zaum,
- Er streicht ihm sanft die dichte Mähne,
- Die Windesodem senkt und schwellt;
- Es schaudert, wenn ein Tropfen fällt
- Von Ast und Laub, des Nebels Träne.
- Schon schwindelnd steigt das Kirchenschiff,
- Schon bilden sich die krausen Zacken –
- Da, horch, ein Pfiff und hui, ein Griff,
- Ein Helmbusch hier, ein Arm im Nacken!
- Wie Schwarzwildrudel bricht’s heran,
- Die Äbte fliehn wie Spreu, und dann
- Mit Reisigen sich Reis’ge packen.
- Ha, schnöder Strauß! zwei gegen zehn!
- Doch hat der Fürst sich losgerungen,
- Er peitscht sein Tier und mit Gestöhn
- Hat’s übern Hohlweg sich geschwungen;
- Die Gerte pfeift – »Weh, Rinkerad!« –
- Vom Rosse gleitet der Prälat
- Und ist ins Dickicht dann gedrungen.
- »Hussa, hussa, erschlagt den Hund,
- Den stolzen Hund!« und eine Meute
- Fährt’s in den Wald, es schließt ein Rund,
- Dann vor- und rückwärts und zur Seite;
- Die Zweige krachen – ha, es naht –
- Am Buchenstamm steht der Prälat
- Wie ein gestellter Eber heute.
- Er blickt verzweifelnd auf sein Schwert,
- Er löst die kurze breite Klinge,
- Dann prüfend untern Mantel fährt
- Die Linke nach dem Panzerringe;
- Und nun wohlan, er ist bereit,
- Ja männlich focht der Priester heut,
- Sein Streich war eine Flammenschwinge.
- Das schwirrt und klingelt durch den Wald,
- Die Blätter stäuben von den Eichen,
- Und über Arm und Schädel bald
- Blutrote Rinnen tröpfeln, schleichen;
- Entwaffnet der Prälat noch ringt,
- Der starke Mann, da zischend dringt
- Ein falscher Dolch ihm in die Weichen.
- Ruft Isenburg: »Es ist genug,
- Es ist zuviel!« und greift die Zügel:
- Noch sah er, wie ein Knecht ihn schlug
- Und riß den Wicht am Haar vom Bügel.
- »Es ist zuviel, hinweg, geschwind!«
- Fort sind sie, und ein Wirbelwind
- Fegt ihnen nach wie Eulenflügel. – –
- Des Sturmes Odem ist verrauscht,
- Die Tropfen glänzen an dem Laube,
- Und über Blutes Lachen lauscht
- Aus hohem Loch des Spechtes Haube;
- Was knistert nieder von der Höh‘
- Und schleppt sich wie ein krankes Reh?
- Ach armer Knabe, wunde Taube!
- »Mein gnädiger, mein lieber Herr,
- So mußten dich die Mörder packen?
- Mein frommer, o mein Heiliger!«
- Das Tüchlein zerrt er sich vom Nacken,
- Er druckt es auf die Wunde dort,
- Und hier und drüben, immerfort,
- Ach, Wund‘ an Wund‘ und blut’ge Zacken!
- »Ho, holla ho!« – dann beugt er sich
- Und späht, ob noch der Odem rege;
- War’s nicht als wenn ein Seufzer schlich,
- Als wenn ein Finger sich bewege? –
- »Ho, holla ho!« – »Hallo, hoho!«
- Schallt’s wiederum, des war er froh:
- »Sind unsre Reuter allewege!«
- Zu Köln am Rheine kniet ein Weib
- Am Rabensteine unterm Rade,
- Und überm Rade liegt ein Leib,
- An dem sich weiden Kräh‘ und Made;
- Zerbrochen ist sein Wappenschild,
- Mit Trümmern seine Burg gefüllt,
- Die Seele steht bei Gottes Gnade.
- Den Leib des Fürsten hüllt der Rauch
- Von Ampeln und von Weihrauchschwelen –
- Um seinen qualmt der Moderhauch
- Und Hagel peitscht der Rippen Höhlen;
- Im Dome steigt ein Trauerchor,
- Und ein Tedeum stieg empor
- Bei seiner Qual aus tausend Kehlen.
- Und wenn das Rad der Bürger sieht,
- Dann läßt er rasch sein Rößlein traben,
- Doch eine bleiche Frau die kniet,
- Und scheucht mit ihrem Tuch die Raben:
- Um sie mied er die Schlinge nicht,
- Er war ihr Held, er war ihr Licht –
- Und ach! der Vater ihrer Knaben!
II.
III.