I.
- Ja, einen Feind hat der Kors‘, den Hund,
- Luigi, den hagern Podesta,
- Der den Ohm, so stark und gesund,
- Ließ henken, den kühnen di Vesta.
- Er und der rote Franzose Jocliffe,
- Die beiden machten ihn hangen,
- Aber der ging zu dem Schmugglerschiff,
- Und liegt seit Monden gefangen.
- Steht im Walde Geronimo,
- Und klirrend zieht aus der Scheide
- Er das Messer, so und so
- An der Sohle wetzt er die Schneide;
- Gleitet dann in die Dämmerung,
- Dem Feinde auf Tod und Leben
- Mit des Tieres Verstümmelung
- Ein korsisch‘ Kartell zu geben.
- Schau! wie Zweig an Zweige er streicht,
- – Kaum flüsternd die Blätter schwanken, –
- Gleich der gleißenden Boa leicht
- Hinquillt durch Gelaub und Ranken;
- Drüber träufelt das Mondenlicht,
- Wie heimlicher Träne Klage
- Durch eine dunkele Wimper bricht.
- Nun kniet der Korse am Hage.
- Dort der Anger, – und dort am Hang
- Die einsam weidende Stute,
- Langsam schnaubt sie den Rain entlang;
- Aus andalusischem Blute,
- Hoch, schneeschimmernd, zum Grund gebeugt
- Den mähnumfluteten Nacken,
- Nah sie, näher dem Hagen steigt –
- Nun wird der Korse sie packen!
- Schon erfaßt er der Schneide Griff,
- Er reckt sich über dem Kraute,
- Da – ein Geknister und – still! ein Pfiff,
- Und wieder – summende Laute!
- Und es schreitet dem Hage zu,
- Grad‘ wo Geronimo knieet,
- Nieder gleitet der Kors‘ im Nu,
- Ha, wie er keuchet und glühet!
- Dicht an ihm, – der Mantel streift,
- Die Ferse könnt‘ er ihm fassen, –
- Steht der hagre Podest‘ und pfeift;
- »Sorella!« ruft er gelassen,
- Und »Sorella, mein kluges Tier!«
- Der Lauscher höret es stampfen,
- Über ihm, mit hellem Gewieh’r,
- Zwei schnaubende Nüstern dampfen.
- Freundlich klatscht Luigi den Bug,
- Liebkosend streicht er die Mähnen,
- Hat nicht zärtlicher Worte genug,
- Er spricht wie zu seiner Schönen.
- Einen Blitz aus glühendem Aug‘,
- Und rückwärts taumelt die Stute.
- »Ei, Sorella, was fehlt dir auch?
- Mein Töchterchen, meine Gute.«
- Kandiszucker langt er hervor;
- Ha, wie ihre Nüstern blasen!
- Wie sie naschet, gespitzt das Ohr,
- Und immer glotzet zum Rasen!
- Einen Blick der Podesta scheu
- Schießt über die glitzernde Aue,
- Rückt am Dolche, und dann aufs neu:
- »Mein Schimmelchen, meine Graue!«
- Wie er über den Hag sich biegt,
- Am Nacken des Tieres gleitet,
- Auf Geronimos Auge liegt
- Des Feindes Mantel gebreitet;
- O, nie hat so heiß und schwer
- Geronimo, nie gelegen,
- Jede Muskel im Arm fühlt er
- Wie eine Viper sich regen.
- Doch er ist ein gläubiger Christ,
- Geht jede Woche zur Beichte,
- Hat voll Andacht noch heut geküßt
- Christoferos heilige Leuchte.
- Sünde wär’s, das Messer im Schlund
- Des Ungewarnten zu bergen,
- Sonst – alleine, allein der Hund!
- Bewaffnet, und ohne Schergen!
- Eine Minute, die schnell vergeht,
- Der Korse gen Himmel schaute,
- Zum Patrone ein Stoßgebet,
- Dann fährt er empor vom Kraute;
- Blank die Waffe, den Bug geschlitzt,
- Dann wie ein Vogel zum Walde –
- Schreiend vom Hange die Stute blitzt,
- Der Richter starrt an der Halde.
- Mittagsstunde – Der Sonnenpfeil
- Prallt an des Weihen Gefieder,
- Der vom Gesteine grau und steil
- Blinzt in die Pinien nieder.
- Schwarz der Wald, eine Wetternacht,
- Die aus dem Äther gesunken,
- Drüber der Strahl in Siegespracht
- Tanzt auf dem Feinde wie trunken.
- Plötzlich zuckt, es flattert der Weih,
- Und klatscht in taumelnden Ringen,
- Überm Riffe sein wilder Schrei,
- Dann steigt er, wiegend die Schwingen;
- Und am Grunde es stampft und surrt,
- Hart unter dem Felsenmale,
- Netz im Haare, Pistol‘ im Gurt,
- Zwölf Schergen reiten zu Tale.
- Wo den Schatten verkürzt das Riff
- Wirft über die zitternde Aue,
- Starrt gefesselt der rote Jocliffe
- Hinauf zum Vogel ins Blaue.
- Dürr seine Zunge – kein Tropfen labt –
- Er lacht in grimmigem Hohne,
- Neben ihm der Podesta trabt
- Und pfeift sich eine Kanzone.
- Rüstig stampfen die Rosse fort,
- Dann »Halt!« Es lagert die Bande;
- Hier ein Scherge, ein anderer dort,
- Gestreckt im knisternden Sande.
- Die Zigarre läßt an den Grund
- Ihr bläuliches Wölkchen schwehlen,
- Und der Schlauch, von Mund zu Mund,
- Strömt in die durstigen Kehlen.
- Wie so lockend die Taube lacht
- Aus grünem, duftigem Haine!
- Von den Zwölfen heben sich acht,
- Sie schlendern entlang das Gesteine,
- Lässig, spielend, so sorgenbar,
- Wie junge Geier im Neste,
- Dieser zupfet des Nachbars Haar,
- Der schnitzelt am Zwiebelreste.
- Einer so nach dem andern schwankt
- Ins Grün‘ aus der sengenden Hitze,
- Halt! wie elektrisch Feuer rankt
- Von Aug‘ zu Aug‘ ein Geblitze.
- Horch, sie flüstern! Zwei und zwei
- Die Pinien streifen sie leise,
- Wie die Hinde witternd und scheu
- Schlüpft über befahrene Gleise.
- Zwei am Hange und zwei hinab
- Und vier zur Rechten und Linken,
- Sachte beugen den Ast sie ab.
- Ihre Augen wie Vipern blinken,
- Da – im Moose ein dürrer Baum
- Mit wunderlich brauner Schale, –
- Hui! ein Pfiff auf gekrümmtem Daum, –
- Und dort – und drunten im Tale.
- Fährt vom Moose Geronimo,
- Und eh ihn die Schergen umschlingen,
- Wie im Haid‘ die knisternde Loh‘,
- Ha! sieh ihn flattern und springen!
- Knall auf Knall, eine Kugel pfeift
- Ihm durch der Retilla Knoten,
- Blutend er an dem Gesteine läuft
- Bis zum Jocliffe, dem roten.
- Hoch die Rechte – will er schnell
- Sich rächen zu dieser Stunde?
- Nein, am Rosse schreibt das Kartell
- Er rasch mit klaffender Wunde.
- Hoch die Linke – es knallt, es blitzt.
- Und taumelnd sinkt der Podesta;
- Ruft der Korse: »So hab‘ es itzt,
- Du Hund, für den kühnen di Vesta!«
- O Geronimo! hätten dich fort,
- Fort, fort deine Sprünge getragen,
- Als die einen am Riffe dort,
- Die andern klommen am Hagen!
- Schwerlich heute, so mein‘ ich klar,
- Sie würden die Stadt erschrecken
- Mit der Leiche auf grüner Bahr‘
- Und mit dir, gebunden am Schecken!
II.