- O frommer Prälat, was ließest so hoch
- Des Marschalks frevlen Mut du steigen!
- War’s seine Gestalt, deren Adel dich trog,
- Sein flatternder Witz unter Bechern und Reigen?
- O frommer Bischof, wie war dir zu Mut,
- Als rauchend am Anger unschuldiges Blut
- Verklagte, verklagte dein zögerndes Schweigen!
- Am Wewelsberge schallt Wald-Hurra,
- Des Rosses Flanke schäumt über den Bügel,
- Es keucht der Hirsch, und dem Edelwild nah,
- Ein flüchtiger Dogge, keucht Kurt von Spiegel;
- Von Turmes Fahne begierig horcht
- Der arme Tüncher, und unbesorgt
- Hält in der Hand er den bröckelnden Ziegel.
- Da horch! Halali! das Treiben ist aus,
- Des Hirsches einzige Träne vergossen,
- Ein Hörnerstoß durch das waldige Haus
- Vereint zum Geweide die zott’gen Genossen,
- Und bald aus der nickenden Zweige Geleit
- Die Treiber so stumm, die Ritter so breit
- Ziehn langsam daher mit den stöhnenden Rossen.
- Der Spiegel spornt sein rauchendes Tier,
- »Verfluchte Canaille, du hast mich bestohlen!«
- Da sieht er, hoch an des Turmes Zimier,
- Den armen Tüncher auf schwankenden Bohlen.
- »Ha,« murrt er, »heute nicht Beute noch Schuß,
- Nie kam ich noch wieder mit solchem Verdruß,
- Ich möchte mir drüben den Spatzen wohl holen!«
- Der Tüncher sieht wie er blinzelt empor,
- Und will nach dem ärmlichen Hütlein greifen,
- Da sieht er drunten visieren das Rohr,
- Da hört er den Knall, und die Kugel noch pfeifen;
- Getroffen, getroffen! – er schaukelt, er dreht,
- Mit Ziegel und Bohle und Handwerksgerät
- Kollert er nieder zum rasigen Streifen.
- Als träf‘ ihn selber das Todesgeschoß
- So zuckt der Prälat, seine Augen blitzen,
- »Marschalk!« stöhnt er, die Stirne wird naß,
- Am schwellenden Halse zittern die Spitzen,
- Dann fährt auf die Wange ein glühendes Rot,
- Und »Marschalk!« ruft er, »das bringt dir den Tod!
- Greift ihn, greift ihn, meine Treiber und Schützen!«
- Doch lächelnd der Spiegel vom Hengste schaut,
- Er lächelt umher auf die bleichen Vasallen:
- »Mein gnädigster Herr, nicht zu laut, nicht zu laut,
- Eu’r Dräuen möchte im Winde verhallen!«
- Dann wendet er rasch, im sausenden Lauf
- Durchs Tor und die donnernde Brücke hinauf.
- Zu spät, zu spät sind die Gitter gefallen! –
- Im Dome zu Paderborn ist verhallt
- Das Sterbegeläute des alten Prälaten,
- Und wieder im Dom hat Kapitels Gewalt
- Den neuen Beherrscher gewählt und beraten.
- Stumm fährt das Gebirg und die Felder hinein
- Der neue Bischof zur Wewelsburg ein,
- Geleitet von summenden Volkskomitaten.
- Und als nun über die Brücke er rollt,
- Und sieht die massigen Türme sich strecken,
- Wie ihm im Busen es zittert und grollt!
- An seiner Inful – o brandiger Flecken!
- Des Spiegels Blut in dem Ahnenbaum hell!
- Leis seufzet er auf, dann murmelt er schnell:
- »Herr Truchseß, laßt unsere Tafel nun decken.«
- Es kreisen die Becher beim Böllergeknall,
- Die stattlichen Ritter, die artigen Damen,
- Sich schleudernd des Witzes anmutigen Ball,
- Fast von der Stirne die Falten ihm nahmen;
- Da horch! im Flure ein Schreiten in Eil‘;
- Es knarren die Türen, es steht eine Säul‘,
- Der Spiegel, der blutige Marschalk, im Rahmen!
- Der Bischof schaut wie ein Laken so bleich –
- Im weiten Saal keines Odems Verhallen –
- Ans Auge schlägt er die Rechte sogleich,
- Und langsam läßt er zur Seite sie fallen.
- Dann seufzt er hohl und düster und schwer:
- »Kurt! – Kurt von Spiegel, wie kömmst du daher! –
- Greift ihn, ergreift ihn, ihr meine Vasallen!«
- Kein Sünderglöckchen geläutet ward,
- Kein Schandgerüst sah man zimmern und tragen,
- Doch sieben Schüsse, die knatterten hart,
- Und eine Messe hörte man sagen.
- Der Bischof schaut‘ auf den blutigen Stein,
- Dann murmelt‘ er sacht ins Breve hinein:
- »Es ist doch schwer, eine Inful zu tragen!«
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