- König Darnley liegt erschlagen,
- Graf Bothwell hat es getan;
- Sechs Lords von Schottland tragen
- Die Leiche nach Sankt Alban,
- Sie stellen bei Fackelscheine
- Den Sarg an den Altar hin –
- Von Trauernden fehlt nur eine,
- Maria, die Königin.
- Die sitzet daheim im Schlosse,
- In funkelnder Nische des Saals,
- Auf dem Sammetpfühl ihr Genosse
- Ist der Mörder ihres Gemahls;
- Dem Lande kleidet die Trauer,
- Der Königin kleidet die Lust,
- Kalt-heiße Wonneschauer
- Durchrieseln ihre Brust.
- Sie spricht verlockenden Schalles:
- »Nun komm, und küsse dich rot,
- Ich danke dir alles, alles,
- Mein Leben und – seinen Tod;
- O schau nicht so fragend und bange,
- Schau lieber wie sonst mich an,
- Leg ab die blasse Wange –
- Getan ist, was getan.«
- Die Kerzen brennen wie lüstern
- Und geben schwülen Hauch,
- Immer leiser wird das Flüstern,
- Nun schweigt das Flüstern auch,
- Ihr Atem lodert zusammen
- Wie Glut und Glut sich mischt,
- Bis mählich in Flackerflammen
- So Lust wie Licht erlischt.
- Still wird’s; nur Mondeslichter
- Durchhuschen noch bleich den Saal,
- Es schlummern wie Totengesichter
- Graf Bothwell und sein Gemahl.
- Sie schlummern; des Windes Weise
- Erstirbt im hohen Kamin,
- An den Wänden, hastig-leise,
- Schatten vorüberfliehn.
- Und hastiger wird ihr Treiben,
- Schon graut und dämmert der Tag,
- Da schlägt’s an die klirrenden Scheiben
- Wie flatternder Flügelschlag;
- Auf fahren die zwei vom Kissen,
- Verstört an Haar und Sinn;
- Im Traume ward wach ihr Gewissen,
- Und es murmelt die Königin:
- »Hilf, Himmel, ich sah die Meinen
- Landflüchtig, der Zügel beraubt,
- Der fallenden Krone des einen
- Nach rollte sein fallendes Haupt,
- Und wie Donner durch meine Seele
- Ging zürnend das alte Lied:
- Ich räch‘ alle Schuld und Fehle
- Bis in das vierte Glied.«
- Maria hat es gesprochen,
- Graf Bothwell hört‘ es kaum,
- Seine Schläfen pulsen und pochen,
- Er denkt an den eigenen Traum,
- Er spricht unter Starren und Stocken:
- »Sie grüßte, dann betete sie,
- Ab schnitt ihr der Henker die Locken –
- Ach, deine Locken, Marie.«
- Graf Bothwell hat es gesprochen,
- Maria hört‘ ihn kaum,
- Ihre Schläfen pulsen und pochen,
- Sie denkt an den eigenen Traum,
- Stumm blicken die Buhlergatten
- Sich an so blass, so bang –
- König Darnleys blutiger Schatten
- Schreitet den Saal entlang.
Maria und Bothwell
… eine Ballade von Theodor FontaneMaria und Bothwell von Theodor Fontane wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/fontane/maria-und-bothwell/
Quelle: https://balladen.net/fontane/maria-und-bothwell/