- Wie bebte Königin Marie,
- Als durchs geheime Pförtlein spat
- Mit ungebognem Haupt und Knie
- In ihr Gemach Graf Bothwell trat!
- Ihr schön Gesicht ward leichenweiß;
- Sie zuckt‘ und sah ihn fragend an:
- Er wischte von der Stirn den Schweiß
- Und sagte dumpf: »Es ist getan.
- »Es ist getan, dein süßer Mund
- War nicht für Buben solcher Art,
- Heut abend um die achte Stund‘
- Hielt Heinrich Darnley Himmelfahrt.« –
- Sie schrie empor: »Verzeih‘ dir Gott!
- Nimm all mein Gold, nimm hin und flieh!«
- Da lacht‘ er laut in grimmem Spott:
- »Was soll mir Gold für Blut, Marie?
- Ich liebe dich, und wenn ich mich
- Der Höll‘ ergab zu dieser Frist,
- So war’s um dich, allein um dich,
- Weil du der schönste Teufel bist.
- Die Hand, die einen König schlug,
- Greift auch nach einer Königin.«
- Er rief’s, und Graun in jedem Zug,
- Starr wie ein Wachsbild sank sie hin.
- Er hub sie auf; sie fühlt‘ es nicht,
- Daß ihr ins Fleisch sein Stahlhemd schnitt;
- Ihr lockig Haupthaar wallte dicht
- Um seine Schulter, wie er schritt.
- Er stieß den Ring an ihre Hand,
- Er schwang sie vor sich fest aufs Roß
- Und jagt‘ ins wetterschwüle Land
- Hinaus mit ihr gen Dunbar-Schloß.
- Schwarz war die Nacht, als wäre rings
- Erloschen jeder Stern des Heils;
- Nur manchmal in den Wolken ging’s
- Gleichwie das Blitzen eines Beils.
Bothwell
… eine Ballade von Emanuel GeibelBothwell von Emanuel Geibel wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/geibel/bothwell/
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