Friedrich Rotbart

eine Ballade von Emanuel Geibel
  1. Tief im Schloße des Kyffhäusers
  2. Bei der Ampel rotem Schein
  3. Sitzt der alte Kaiser Friedrich
  4. An dem Tisch von Marmorstein.
  5. Ihn umwallt der Purpurmantel,
  6. Ihn umfängt der Rüstung Pracht,
  7. Doch auf seinen Augenwimpern
  8. Liegt des Schlafes tiefe Nacht.
  9. Vorgesunken liegt das Antlitz,
  10. Dem sich Ernst und Milde paart,
  11. Durch den Marmortisch gewachsen
  12. Ist sein langer, gold’ner Bart.
  13. Rings wie eh’rne Bilder stehen
  14. Seine Ritter um ihn her,
  15. Harnischglänzend, schwertumgürtet,
  16. Aber tief im Schlaf, wie er.
  17. Heinrich auch, der Ofterdingen,
  18. Ist in ihrer stummen Schar,
  19. Mit den liederreichen Lippen,
  20. Mit dem goldgelockten Haar.
  21. Seine Harfe ruht dem Sänger
  22. In der Linken ohne Klang,
  23. Doch auf seiner hohen Stirne
  24. Schläft ein künftiger Gesang.
  25. Alles schweigt, nur hin und wieder
  26. Fällt ein Tropfen vom Gestein,
  27. Bis der große Morgen plötzlich
  28. Bricht mit Feuersglut herein.
  29. Bis der Adler stolzen Fluges
  30. Um des Berges Gipfel zieht,
  31. Daß vor seines Fittichs Rauschen
  32. Dort der Rabenschwarm entflieht.
  33. Aber dann wie ferner Donner
  34. Rollt es durch den Berg herauf,
  35. Und der Kaiser greift zum Schwerte,
  36. Und die Ritter wachen auf.
  37. Laut in seinen Angeln tönend
  38. Springet auf das ehern Tor,
  39. Barbarossa mit den Seinen
  40. Steigt im Waffenschmuck empor.
  41. Auf dem Helm trägt er die Krone
  42. Und den Sieg in seiner Hand,
  43. Schwerter blitzen, Harfen klingen,
  44. Wo er schreitet durch das Land.
  45. Und dem alten Kaiser beugen
  46. Sich die Völker allzu gleich,
  47. Und auf’s neu zu Aachen gründet
  48. Er das heil’ge deutsche Reich.
Friedrich Rotbart von Emanuel Geibel wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.

Quelle: https://balladen.net/geibel/friedrich-rotbart/