1.
- Die Eh‘ ist für uns arme Sünder
- Ein Marterstand;
- Drum, Eltern, zwingt doch keine Kinder
- Ins Eheband.
- Es hilfft zum höchsten Glükk der Liebe,
- Kein Ritter-Guth;
- Es helffen zarte keusche Triebe,
- Und frisches Blut.
- Dis wuste Fräulein Marianne
- So gut, als ich!
- Dem schönsten, jüngsten, treusten Manne
- Ergab sie sich.
- Mama, sprach sie, ich bin zum freyen,
- Nicht mehr zu jung;
- Und, einem Manne mich zu weyhen,
- Schon klug genung.
- Ich kan es länger nicht verheelen
- In meinem Sinn,
- Mama, daß ich von Grund der Seelen,
- Verliebet bin.
- Verliebt? in Wen? – – Ich will ihn nennen
- Ich will, allein,
- Sie müssen ihn nicht hassen können
- Und gnädig seyn.
- Versprechen sie mir das, Mamachen!
- Seyn sie so gut,
- Dann weiß ich ja, das mein Papachen,
- Es auch gleich thut!
- Leander – – Ach, sie wollen schelten,
- Ich seh es schon!
- Leander? Kind? – – – o Nein! Herr Velten
- Sey Schwieger-Sohn!
- Ja, ja, Herrn Velten solst du nehmen
- Denn der hat Geld,
- Und du must dich zu dem bequemen,
- Was mir gefält.
- Wie können junge Mädchen wissen,
- Was nüzlich ist?
- Die meisten sind verpicht aufs küssen,
- Wie du auch bist.
- Herrn Velten soll ich? ach! ich Arme!
- Was soll mir der?
- Ach, daß der Himmel sich erbarme!
- Was soll mir der?
- Es schwillt, von Millionen Thränen,
- Ihr schön Gesicht.
- Und, tausendmahl sagt sie mit Stöhnen:
- Ich will ihn nicht.
- Du wilst ihn nicht? Ich muß nur lachen,
- Sagt drauf Mama!
- Wir wollen dir den Willen machen,
- Ich und Papa.
- Man zwinget sie in einen Wagen,
- Hält sie vermummt,
- Man bittet sie, noch ja zu sagen,
- Und sie verstummt!
- Sie sieht, nach einer kurzen Reise,
- Sich eingesperrt,
- Wo, nach beliebter alten Weise,
- Die Nonne plärrt.
- Da soll sie beten und nicht lieben,
- Allein sie weint,
- Sie weint, und will sich tod betrüben,
- Um ihren Freund.
- Einst aber geht mit schwarzer Lüge
- Mama zu ihr!
- Mein Kind, sagt sie, kennst du die Züge,
- Des Schreibens hier?
- Der ewge Treue dir geschworen,
- Hat sie verfehlt.
- Leander ist für dich verlohren,
- Er ist vermählt.
- Schnell rollt in einem goldnen Wagen
- Herr Velten her;
- Auch kommt ein Mann, mit weissem Kragen
- Von ohngefehr!
- Gequälet wird von Jung und Alten,
- Das arme Kind,
- Und die Verlöbniß wird gehalten,
- Ach, wie geschwind!
- Nun freut ein Haufen Anverwanten
- Sich auf den Tanz,
- Nun binden, Mütter, Nichten, Tanten,
- Am Jungfern-Cranz!
- Nun schikt sich, zu drey wilden Tagen
- Das ganze Haus;
- Und Priester gehn mit leerem Magen
- Zum Hochzeit-Schmaus!
- Nur für die Braut ist keine Freude,
- Und keine Lust.
- Sie quält sich, mit geheimen Leide,
- Tief in der Brust.
- Mit Zittern höret sie den Seegen
- Vorm Altar an!
- Und seufzt, bey lauten Herzens-Schlägen:
- Ach welch ein Mann!
- Am Abend mehret sich ihr Jammer,
- Und ihre Pein;
- Denn, ach! sie soll nun in die Cammer
- Mit ihm hinein!
- Wie man ein Lamm zur Schlacht-Bank führet,
- So führt man sie;
- Seht, spricht Mama, wie sie sich zieret!
- Die Närrin die!
- Jedoch sie war, am frühen Morgen
- Nun eine Frau.
- Sie theilte nun des Mannes Sorgen,
- War nun genau.
- Ihm seine Wirthschafft recht zu führen,
- So Tag als Nacht,
- Und keinen Heller zu verliehren,
- War sie bedacht.
- Ach, aber ach! geheime Schmerzen
- Verzehren sie;
- Leander herscht in ihrem Herzen
- So spät als früh.
- Ach, wie mag er um mich sich kränken!
- Lebt er wohl noch?
- Sie will nicht mehr an ihn gedenken,
- Und thut es doch.
- Oft sizt sie, neben einer Linde,
- Und spricht mit sich:
- Ach; an ihn denken, das ist Sünde!
- Und die thu ich!
- Könnt ich sie meiden, nicht mehr wissen
- Im fünfften Jahr,
- Daß, ach! Leander meinen Küssen
- Einst lieber war!
- Von so schwermüthigen Gedanken
- Wird sie geplagt;
- Sie schrenkt, in heilger Ehe Schranken,
- Sich ein, und klagt.
- Einst, als sie sich dem Gram ergiebet,
- Und einsam sizt,
- Und ihrem Ehmann, den sie liebet,
- Mit Spinnen nüzt.
- Da tritt er, in das stille Zimmer,
- Vergnügt herein,
- Und bittet sie, doch nur nicht immer,
- Betrübt zu seyn.
- Ihm folgt ein Kaufmann, der Juwelen
- Und Perlen trägt,
- Und der, im Innersten der Seelen,
- Betrübniß hegt.
- Kind, spricht er, kauf dir von den Waaren,
- Was dir gefällt!
- Wir dürfen ja nicht immer sparen,
- Sieh, hier ist Geld!
- Er gibt zwölf Thaler ungezählet,
- Und pfeift und lacht,
- Und geht, weil ihm ein Brate fehlet,
- Hin auf die Jagd.
- Nun steht, mit zitternden Geberden,
- Der Kauffmann da,
- Voll Furcht, von der gehaßt zu werden,
- Die ihn jezt sah;
- Weil, von den Rosen seiner Wangen
- Ein langer Bart,
- Herab hieng, und, wie sie vergangen,
- Gesehen ward.
- Die Augen niederwärts geschlagen,
- Sieht sie ihn an;
- Was habt ihr, fängt sie an zu fragen,
- Mein lieber Mann?
- Er zeigt ihr seine Waaren, schweiget,
- Und spricht kein Wort,
- Doch geht, so offt er ihr was zeiget,
- Ein Seufzer fort.
- Ach, denkt sie, warum so betrübet?
- Er jammert mich!
- Sein Gram ist groß, gewiß er liebet,
- Und seufzt, wie ich.
- Sie fragt ihn: Was für stille Schmerzen,
- Erduldet ihr?
- Ist Liebes-Gram in eurem Herzen?
- So sagt es mir!
- Der Gram, mit welchem ich mich quäle,
- Verzehret mich.
- Madam, er bleibt in meiner Seele,
- Wohl ewiglich.
- Ein einzig Kleinod war auf Erden,
- Das wünscht ich mir!
- Dadurch der Glüklichste zu werden,
- Das wünscht ich mir!
- Ich bat zu GOTT, es mir zu geben
- Zum Eigenthum.
- Mein Haab und Guth, und selbst mein Leben,
- Bot ich darum!
- Mein einzger Wunsch, und meine Freude
- War, es zu sehn.
- Wie war es meiner Augen Weide!
- Wie wars so schön!
- Ach aber, ach! in tausend Stükken,
- Zerriß der Schmerz,
- Der nicht mit Worten auszudrükken,
- Mein armes Herz!
- Verzweiflung, Treue, Glükk und Ehre
- Bestritt mein Haupt,
- Als ich vernahm, mein Kleinod wäre
- Mir weggeraubt!
- Was war es? Sagts, ich möcht es wissen:
- Welch Kleinod kan
- Euch so betrüben? Darf ichs wissen?
- Mein lieber Mann!
- Ich dächt, euch wäre Leben lieber,
- Als Stein und Gold,
- Mich wunderts, daß ihr euch darüber
- Todt grämen wolt.
- Madam, was von entfernten Mohren
- Der Geiz herholt,
- Ist Kleinigkeit! was ich verlohren,
- Ersezzt kein Gold!
- Es war mir theurer, als mein Leben,
- Als alles Geld,
- Ach, was hätt ich darum gegeben?
- Die ganze Welt.
- Einst malt ich mir, aus dem Gedächtniß
- Das werthe Bild,
- Des Himmels einziges Vermächtniß,
- Das Kummer stillt.
- Ein Bild ist es, darum ihr klaget?
- Ach zeigt es mir!
- Er zieht es aus dem Busen, saget:
- Hier ist es, hier!
- Sie nimmt es hin. Er siehts mit Freuden
- In ihrer Hand.
- Es war gehüllt in Gold und Seiden,
- Auswendig stand:
- Von meinen zärtlich treuen Thränen
- Entsteht ein Bach;
- Und dieses ist das Bild der Schönen,
- Ach Himmel, ach!
- Sie macht es auf – – Allein erblasset,
- Von Schrekk erfüllt,
- Fällt sie in Ohnmacht, denn sie fasset,
- Ihr eigen Bild.
- Ach Marianne, Marianne!
- Ach stirb doch nicht!
- Ach sieh mich, Engel! ach ermanne,
- Dein schön Gesicht!
- Erwekkt vom Schalle dieser Worte
- Kommt sie zu sich.
- Freund, spricht sie, flieh von diesem Orte,
- Freund, meide mich!
- Ein andrer, saget die Getreue,
- Hat meine Hand!
- Entferne dich, denn meine Treue
- Hält ihm Bestand.
- Er eilt, gehorsam dem Befehle,
- Urplözzlich fort.
- Ach, seuffzt er, ach geliebte Seele,
- Nur noch ein Wort:
- Ich sterb um dich. Er faßt im Gehen
- Die Hand ihr an;
- Zum letztenmahl will er sie sehen,
- Da kommt der Mann.
- Stirb, sagt er, Räuber meiner Ehre,
- Mit tausend Schmerz!
- Er tobt und stoßt, mit Mord-Gewehre,
- Durch Beyder Herz.
- Leander stirbt! Und Marianne
- Spricht: Gott Lob, ich
- Verdient es nicht. Sie spricht zum Manne:
- Du jammerst mich!
- Nun hat er keine frohe Stunde,
- Des Nachts erscheint,
- Die treue Gattin, zeigt die Wunde
- Dem Mann und weint.
- Ein klägliches Gewinsel irret
- Um ihn herum.
- Ihn reut die That, er wird verwirret,
- Er bringt sich um.
- Beym Hören dieser Mordgeschichte
- Sieht jeder Mann
- Mit liebreich freundlichem Gesichte
- Sein Weibchen an,
- Und denkt: Wenn ich es einst so fände,
- So dächt ich dis:
- Sie geben sich ja nur die Hände,
- Das ist gewiß!
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