- Als ich still und ruhig spann,
- Ohne nur zu stocken,
- Trat ein schöner junger Mann
- Nahe mir zum Rocken.
- Lobte, was zu loben war,
- Sollte das was schaden?
- Mein dem Flachse gleiches Haar
- Und den gleichen Faden.
- Ruhig war er nicht dabei,
- Ließ es nicht beim alten;
- Und der Faden riß entzwei,
- Den ich lang‘ erhalten.
- Und des Flachses Steingewicht
- Gab noch viele Zahlen;
- Aber ach, ich konnte nicht
- Mehr mit ihnen prahlen.
- Als ich sie zum Weber trug,
- Fühlt ich was sich regen,
- Und mein armes Herze schlug
- Mit geschwindern Schlagen.
- Nun, beim heißen Sonnenstich,
- Bring ich’s auf die Bleiche,
- Und mit Mühe bück ich mich
- Nach dem nächsten Teiche.
- Was ich in dem Kämmerlein
- Still und fein gesponnen,
- Kommt – wie kann es anders sein? –
- Endlich an die Sonnen.
Die Spinnerin
… eine Ballade von Johann Wolfgang von GoetheDie Spinnerin von Johann Wolfgang von Goethe wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/goethe/die-spinnerin/
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