Die wandelnde Glocke

eine Ballade von Johann Wolfgang von Goethe
  1. Es war ein Kind, das wollte nie
  2. Zur Kirche sich bequemen,
  3. Und sonntags fand es stets ein Wie,
  4. Den Weg ins Feld zu nehmen.
  5. Die Mutter sprach: »Die Glocke tönt,
  6. Und so ist dir’s befohlen,
  7. Und hast du dich nicht hingewöhnt,
  8. Sie kommt und wird dich holen.«
  9. Das Kind, es denkt: Die Glocke hängt
  10. Da droben auf dem Stuhle.
  11. Schon hat’s den Weg ins Feld gelenkt,
  12. Als lief‘ es aus der Schule.
  13. Die Glocke, Glocke tönt nicht mehr,
  14. Die Mutter hat gefackelt.
  15. Doch welch ein Schrecken hinterher!
  16. Die Glocke kommt gewackelt.
  17. Sie wackelt schnell, man glaubt es kaum;
  18. Das arme Kind im Schrecken,
  19. Es lauft, es kommt als wie im Traum:
  20. Die Glocke wird es decken.
  21. Doch nimmt es richtig seinen Husch,
  22. Und mit gewandter Schnelle
  23. Eilt es durch Anger, Feld und Busch
  24. Zur Kirche, zur Kapelle.
  25. Und jeden Sonn- und Feiertag
  26. Gedenkt es an den Schaden,
  27. Läßt durch den ersten Glockenschlag,
  28. Nicht in Person sich laden.
Die wandelnde Glocke von Johann Wolfgang von Goethe wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.

Quelle: https://balladen.net/goethe/die-wandelnde-glocke/