- Wir singen und sagen vom Grafen so gern,
- Der hier in dem Schlosse gehauset,
- Da, wo ihr den Enkel des seligen Herrn,
- Den heute vermählten, beschmauset.
- Nun hatte sich jener im heiligen Krieg
- Zu Ehren gestritten durch mannigen Sieg,
- Und als er zu Hause vom Rösselein stieg,
- Da fand er sein Schlösselein oben;
- Doch Diener und Habe zerstoben.
- Da bist du nun, Gräflein, da bist du zu Haus,
- Das Heimische findest du schlimmer!
- Zum Fenster, da ziehen die Winde hinaus,
- Sie kommen durch alle die Zimmer.
- Was wäre zu tun in der herbstlichen Nacht?
- So hab ich doch manche noch schlimmer vollbracht,
- Der Morgen hat alles wohl besser gemacht.
- Drum rasch, bei der mondlichen Helle
- Ins Bett, in das Stroh, ins Gestelle.
- Und als er im willigen Schlummer so lag,
- Bewegt es sich unter dem Bette.
- Die Ratte, die raschle, solange sie mag!
- Ja, wenn sie ein Bröselein hätte!
- Doch siehe! da stehet ein winziger Wicht,
- Ein Zwerglein so zierlich mit Ampelenlicht,
- Mit Rednergebärden und Sprechergewicht,
- Zum Fuß des ermüdeten Grafen,
- Der, schläft er nicht, möcht er doch schlafen.
- »Wir haben uns Feste hier oben erlaubt,
- Seitdem du die Zimmer verlassen,
- Und weil wir dich weit in der Ferne geglaubt,
- So dachten wir eben zu prassen.
- Und wenn du vergönnest und wenn dir nicht graut,
- So schmausen die Zwerge, behaglich und laut,
- Zu Ehren der reichen, der niedlichen Braut.«
- Der Graf im Behagen des Traumes:
- »Bedienet euch immer des Raumes!«
- Da kommen drei Reiter, sie reiten hervor,
- Die unter dem Bette gehalten;
- Dann folget ein singendes klingendes Chor
- Possierlicher kleiner Gestalten;
- Und Wagen auf Wagen mit allem Gerät,
- Daß einem so Hören als Sehen vergeht,
- Wie’s nur in den Schlössern der Könige steht;
- Zuletzt auf vergoldetem Wagen
- Die Braut und die Gäste getragen.
- So rennet nun alles in vollem Galopp
- Und kürt sich im Saale sein Plätzchen;
- Zum Drehen und Walzen und lustigen Hopp
- Erkieset sich jeder ein Schätzchen.
- Da pfeift es und geigt es und klinget und klirrt,
- Da ringelt’s und schleift es und rauschet und wirrt,
- Da pispert’s und knistert’s und flistert’s und schwirrt;
- Das Gräflein, es blicket hinüber,
- Es dünkt ihn, als läg er im Fieber.
- Nun dappelt’s und rappelt’s und klappert’s im Saal
- Von Bänken und Stühlen und Tischen,
- Da will nun ein jeder am festlichen Mahl
- Sich neben dem Liebchen erfrischen;
- Sie tragen die Würste, die Schinken so klein
- Und Braten und Fisch und Geflügel herein;
- Es kreiset beständig der köstliche Wein;
- Das toset und koset so lange,
- Verschwindet zuletzt mit Gesange.
- Und sollen wir singen, was weiter geschehn,
- So schweige das Toben und Tosen.
- Denn was er so artig im kleinen gesehn,
- Erfuhr er, genoß er im großen.
- Trompeten und klingender singender Schall
- Und Wagen und Reiter und bräutlicher Schwall,
- Sie kommen und zeigen und neigen sich all,
- Unzählige, selige Leute.
- So ging es und geht es noch heute.
Hochzeitlied
… eine Ballade von Johann Wolfgang von GoetheHochzeitlied von Johann Wolfgang von Goethe wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/goethe/hochzeitlied/
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