- Auf der Hauptwacht sitzt geschlossen
- Des Gebirges schlanker Sohn,
- Morgen frühe wird erschossen,
- Der dreimal der Fahn’ entflohn.
- Heute gönnten mit Erbarmen
- Sie ihm Wein und Prasserkost;
- Doch in seiner Mutter Armen
- Gibt und nimmt er letzten Trost:
- »Mutter, seht, die närr’schen Leute
- Heischten Treu’ und Eid mir ab,
- Die ich doch, und nicht erst heute,
- Meiner lieben Sennin gab!
- Soll mein Blut dem Fürsten geben,
- Mag wohl sein ein guter Mann;
- Doch er fordre nicht mein Leben!
- Was blieb’ euch, o Mutter, dann?
- Eures Hauptes Silberflocken,
- Acker schirmen, Hof und Haus
- Und der Liebsten goldne Locken,
- Füllt’s nicht schön ein Leben aus?
- Hoch von langen Stangen wallten
- Fetzen Tuchs, drauf sie recht fein
- Ein geflügelt Raubthier malten;
- Und da sollt’ ich hinterdrein!
- Dem Gevögel Adlern, Geiern,
- War ich doch mein Lebtag gram;
- Schoß manch einen, der zu euern
- Und der Liebsten Heerden kam!
- Ueber eine blanke Schachtel
- Spannten sie ein Eselsfell:
- Welch Gedröhn, statt Lerch’ und Wachtel,
- Die im Korn einst schlugen hell!
- Trommellärm trieb mich von dannen,
- Alphorn rief mich zu den Höhn,
- Wo die grünen, duft’gen Tannen,
- Meine echten Fahnen, wehn!
- Unserm Küster lauscht’ ich lieber
- Mit dem tapfern Fiedelstrich,
- Während vom Gebirg herüber
- Süß’rer Klang mein Ohr beschlich!
- In zweifarbig Tuch geschlagen,
- Knebelten mich Spang’ und Knopf,
- Einen Höcker sollt’ ich tragen
- Und als Hut solch schwarzen Topf!
- Besser läßt, das sieht doch Jeder,
- Mir der grüne Schützenrock,
- Auf dem Hut die Schildhahnfeder,
- Stutzen auch und Alpenstock!
- Wachtstehn sollt’ ich Nachts vor Zelten!
- Lullt mein Wachen sie in Ruh?
- Legt der Herr den mir geschmälten
- Schlummer wohl dem ihren zu?
- Besser als durch mich geborgen
- Stellt’ in Himmels Schutz ich sie;
- Und vor Liebchens Haus am Morgen
- Stand als Ehrenwacht ich früh.
- Morgen, wenn die Schüsse schüttern
- Mutter, denkt, daß fern von euch
- Im Gebirg bei Hochgewittern
- Mich erschlug ein Wetterstreich!
- Besser will mir’s so behagen!
- Kann doch auf den Lippen treu
- Euren, ihren Namen tragen,
- Wie der blüh’ndsten Rosen zwei!«
- Und der Morgen stieg zur Erde;
- Unter laub’gem Blüthenbaum
- Ruht die Sennin; ihre Heerde
- Weidet rings am Bergessaum.
- Horch! Im Thalgrund Büchsenknalle,
- Daß, aus seinem Morgentraum
- Aufgeschreckt vom rauhen Halle,
- Bang und zitternd lauscht der Baum!
- Aus der Krone losgerüttelt
- Taumeln Blüthenflocken hin,
- Tropfen Thau’s, wie Thränen, schüttelt
- Er aufs Haupt der Sennerin!
- Und entsunken sind zur Stunde
- In dem Thale, grün und frei,
- Einem rothen Jünglingsmunde
- Wohl der blüh’ndsten Rosen zwei.
Der Deserteur
… eine Ballade von Anastasius GrünDer Deserteur von Anastasius Grün wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/gruen/der-deserteur/
Quelle: https://balladen.net/gruen/der-deserteur/