- Der Knabe träumt, man schicke ihn fort
- Mit dreißig Talern zum Heideort,
- Er ward drum erschlagen am Wege
- Und war doch nicht langsam und träge.
- Noch liegt er im Angstschweiß, da rüttelt ihn
- Sein Meister, und heißt ihm, sich anzuziehn
- Und legt ihm das Geld auf die Decke
- Und fragt ihn, warum er erschrecke.
- „Ach Meister, mein Meister, sie schlagen mich tot,
- Die Sonne, sie ist ja wie Blut so rot!“
- Sie ist es für dich nicht alleine,
- Drum schnell, sonst mach‘ ich dir Beine!
- „Ach Meister, mein Meister, so sprachst du schon,
- Das war das Gesicht, der Blick, der Ton,
- Gleich greifst du“ – zum Stock, will er sagen,
- Er sagt’s nicht, er wird schon geschlagen.
- „Ach Meister, mein Meister, ich geh, ich geh,
- Bring meiner Frau Mutter das letzte Ade!
- Und sucht sie nach allen vier Winden,
- Am Weidenbaum bin ich zu finden!“
- Hinaus aus der Stadt! Und da dehnt sie sich,
- Die Heide, nebelnd, gespenstiglich,
- Die Winde darüber sausend,
- „Ach, wär hier ein Schritt, wie tausend!“
- Und alles so still, und alles so stumm,
- Man sieht sich umsonst nach Lebendigem um,
- Nur hungrige Vögel schießen
- Aus Wolken, um Würmer zu spießen.
- Er kommt ans einsame Hirtenhaus,
- Der alte Hirt schaut eben heraus,
- Des Knaben Angst ist gestiegen,
- Am Wege bleibt er noch liegen.
- „Ach Hirte, du bist ja von frommer Art,
- Vier gute Groschen hab ich erspart,
- Gib deinen Knecht mir zur Seite,
- Dass er bis zum Dorf mich begleite!
- Ich will sie ihm geben, er trinke dafür
- Am nächsten Sonntag ein gutes Bier,
- Dies Geld hier, ich trag es mit Beben,
- Man nahm mir im Traum drum das Leben!“
- Der Hirt, der winkte dem langen Knecht,
- Er schnitt sich eben den Stecken zurecht,
- Jetzt trat er hervor – wie graute
- Dem Knaben, als er ihn schaute!
- „Ach Meister Hirte, ach nein, ach nein,
- Es ist doch besser, ich geh‘ allein!“
- Der Lange spricht grinsend zum Alten:
- Er will die vier Groschen behalten.
- „Da sind die vier Groschen!“ Er wirft sie hin
- Und eilt hinweg mit verstörtem Sinn.
- Schon kann er die Weide erblicken,
- Da klopft ihn der Knecht in den Rücken.
- „Du hältst es nicht aus, du gehst zu geschwind,
- Ei, Eile mit Weile, du bist ja noch Kind,
- Auch muss das Geld dich beschweren,
- Wer kann dir das Ausruhn verwehren!
- Komm, setz dich unter den Weidenbaum
- Und dort erzähl mir den hässlichen Traum,
- Mir träumte – Gott soll mich verdammen,
- Trifft’s nicht mit deinem zusammen!“
- Er fasst den Knaben wohl bei der Hand,
- Der leistet auch nimmermehr Widerstand,
- Die Blätter flüstern so schaurig,
- Das Wässerlein rieselt so traurig!
- „Nun sprich, du träumtest – „Es kam ein Mann -„
- „War ich das? Sieh mich doch näher an,
- Ich denke, du hast mich gesehen!
- Nun weiter, wie ist es geschehen?“
- „Er zog ein Messer!“ – „War das, wie dies?“ –
- „Ach ja, ach ja!“ – „Er zog’s?“ – „Und stieß -„
- „Er stieß dir’s wohl so durch die Kehle?
- Was hilft es auch, dass ich dich quäle!“
- Und fragt ihr, wies weiter gekommen sei?
- So fragt zwei Vögel, sie saßen dabei,
- Der Rabe verweilte gar heiter,
- Die Taube konnte nicht weiter!
- Der Rabe erzählt, was der Böse noch tat,
- Und auch, wies der Henker gerochen hat,
- Die Taube erzählt, wie der Knabe
- Geweint und gebetet habe.
Der Heideknabe
… eine Ballade von Friedrich HebbelDer Heideknabe von Friedrich Hebbel wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/hebbel/der-heideknabe/
Quelle: https://balladen.net/hebbel/der-heideknabe/