- Es harrt auf weichem Purpursamt
- Die jüngste Sklavin ihres Herrn,
- Und unter dunkler Braue flammt
- Ihr Auge, wie ein irrer Stern.
- Sie stammt aus jenem Lande nicht,
- Wo ehrbar-blond der Weizen reift,
- Und stachlicht-keusch die Gerste sticht,
- Wenn man sie noch so leise streift.
- Sie ist der Feuerzone Kind,
- Wo jede Frucht von selber fällt,
- Weil sie der Baum, der zu geschwind
- Die zweite zeitigt, gar nicht hält.
- Sie hat von dem Johannisstrauch
- Die karge Beere nie gepflückt,
- Die, ohne Kraft und ohne Hauch,
- Zur Abwehr gar den Dorn noch zückt.
- Doch ward sie oft vom Wein bespritzt,
- Weit himmelan die Rebe drang
- Und dann, vom Sonnenstrahl zerschlitzt,
- Die Traube in der Luft zersprang.
- Drum sitzt sie auch nicht seufzend da,
- Nun ihre eigne Stunde naht,
- Sie denkt der Rosen, fern und nah,
- Die sie schon selbst gebrochen hat.
- Und sieh, der Pascha tritt herein,
- Zwar ernst und düster, doch nicht alt,
- Und vor ihm her den Becher Wein
- Trägt eines Mohren Nachtgestalt.
- Er sieht das Mägdlein lange an,
- Mißt Zug für Zug, und nickt nur still,
- Zum goldnen Becher greift er dann
- Und fragt, ob sie nicht trinken will.
- Ihr aber schwillt schon jetzt das Blut
- Bis an der Adern letzten Rand,
- Drum fürchtet sie des Weines Glut,
- Und stößt ihn weg mit ihrer Hand.
- Nun weist er stumm den Mohren fort,
- Dem wild das Auge glüht vor Lust,
- Und setzt sich an den weichsten Ort
- Und küßt ihr langsam Mund und Brust.
- Und plötzlich dringt ein jäher Schrei
- Von außen ihr ins bange Ohr;
- Sie ruft verstört, was das denn sei?
- Und er versetzt: es starb der Mohr!
- Er trank den Wein, den ich dir bot,
- Und wird der Sünde nimmer froh,
- Denn beigemischt war ihm der Tod! –
- Ich prüfe jede Sklavin so!
Die Odaliske
… eine Ballade von Friedrich HebbelDie Odaliske von Friedrich Hebbel wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/hebbel/die-odaliske/
Quelle: https://balladen.net/hebbel/die-odaliske/