- »Wer hat die Kerze ins Dach gesteckt?«
- Mein Sohn, dein Knabe tat’s!
- »Sein Arm ist zu kurz, wie hoch er ihn reckt!«
- Ich hob ihn empor, er erbat’s.
- »Er weiß noch nicht, was Feuer ist,
- Du lehrtest ihn dies Spiel,
- Und wenn du denn ganz ein Teufel bist,
- So steck ich dir heut das Ziel!«
- Nun packt er den Vater beim weißen Schopf
- Und schleift ihn hinaus in die Nacht,
- Das Knäblein, mit dem blonden Kopf,
- Schaut nach, der Alte lacht.
- »Du höhnst mich noch? Ich schlag dich, Hund!«
- Schlag zu, mir tut’s nicht weh!
- »Ich trete dich!« Das ist gesund!
- Juchhe! Juchhe! Juchhe!
- So kommen sie an die schwarze Schlucht,
- In der es ewig braust,
- Weil sie in unterirdischer Flucht
- Der wildeste Strom durchsaust.
- »Mein Sohn, mein Sohn, nicht dort hinein,
- Halt an in deinem Lauf!
- Dort fault schon menschliches Gebein,
- Dort droht ein Schatten herauf!«
- Wer fault denn dort? »Mein Vater, Sohn,
- Schau, eben zeigt er sich!«
- Wem droht der Schatten? »Wem sollt er drohn?
- Dem Mörder, und das bin ich!
- Es war wie heut, kalt pfiff der Wind,
- Die Wolken hingen schwer,
- Du standest dabei, ein stummes Kind,
- Dein Zucken kommt daher.
- Ich wehr mich nicht, mach’s ab, mach’s ab,
- Hier ist ein Messer dazu,
- Nur gönne mir ein eignes Grab,
- Dort fänd ich nimmer Ruh!«
- Der Mond ergießt sein blaues Licht
- Durch eine Wolke schwach,
- Es trifft ein blasses Kindergesicht,
- Das Knäblein schlich sich nach.
- Ihn graust, er zieht mit der Rechten schnell
- Sein Kind zu sich heran,
- Und reicht die Linke auf der Stell
- Dem bösen Vater dann.
- »Steh auf, und steckst du auch morgen mir
- Die Hütte ganz in Brand,
- Ich setze den Stuhl in der neuen dir,
- Der in der alten stand.«
Vater und Sohn
… eine Ballade von Friedrich HebbelVater und Sohn von Friedrich Hebbel wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/hebbel/vater-und-sohn/
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