- Es war mal ein Ritter trübselig und stumm,
- Mit hohlen, schneeweißen Wangen;
- Er schwankte und schlenderte schlotternd herum,
- In dumpfen Träumen befangen.
- Er war so hölzern, so täppisch, so links,
- Die Blümlein und Mägdlein die kicherten rings,
- Wenn er stolpernd vorbeigegangen.
- Oft saß er im finstersten Winkel zu Haus;
- Er hatt sich vor Menschen verkrochen.
- Da streckte er sehnend die Arme aus,
- Doch hat er kein Wörtlein gesprochen.
- Kam aber die Mitternachtstunde heran,
- Ein seltsames Singen und Klingen begann
- An die Türe da hört er es pochen.
- Da kommt seine Liebste geschlichen herein,
- Im rauschenden Wellenschaumkleide.
- Sie blüht und glüht wie ein Röselein,
- Ihr Schleier ist eitel Geschmeide.
- Goldlocken umspielen die schlanke Gestalt,
- Die Äuglein grüßen mit süßer Gewalt –
- In die Arme sinken sich beide.
- Der Ritter umschlingt sie mit Liebesmacht,
- Der Hölzerne steht jetzt in Feuer,
- Der Blasse errötet, der Träumer erwacht,
- Der Blöde wird freier und freier.
- Sie aber, sie hat ihn gar schalkhaft geneckt,
- Sie hat ihm ganz leise den Kopf bedeckt
- Mit dem weißen, demantenen Schleier.
- In einen kristallenen Wasserpalast
- Ist plötzlich gezaubert der Ritter.
- Er staunt, und die Augen erblinden ihm fast
- Vor alle dem Glanz und Geflitter.
- Doch hält ihn die Nixe umarmet gar traut,
- Der Ritter ist Bräutgam, die Nixe ist Braut;
- Ihre Jungfraun spielen die Zither.
- Sie spielen und singen, und singen so schön,
- Und heben zum Tanze die Füße;
- Dem Ritter dem wollen die Sinne vergehn,
- Und fester umschließt er die Süße –
- Da löschen auf einmal die Lichter aus,
- Der Ritter sitzt wieder ganz einsam zu Haus,
- In dem düstern Poetenstübchen.
Das Lied vom blöden Ritter
… eine Ballade von Heinrich HeineDas Lied vom blöden Ritter von Heinrich Heine wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/heine/das-lied-vom-bloeden-ritter/
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