- In dem abendlichen Garten
- Wandelt des Alkaden Tochter;
- Pauken- und Trommetenjubel
- Klingt herunter von dem Schlosse.
- »Lästig werden mir die Tänze
- Und die süßen Schmeichelworte,
- Und die Ritter, die so zierlich
- Mich vergleichen mit der Sonne.
- Überlästig wird mir alles,
- Seit ich sah, beim Strahl des Mondes,
- Jenen Ritter, dessen Laute
- Nächtens mich ans Fenster lockte.
- Wie er stand so schlank und mutig,
- Und die Augen leuchtend schossen
- Aus dem edelblassen Antlitz,
- Glich er wahrlich Sankt Georgen.«
- Also dachte Donna Clara,
- Und sie schaute auf den Boden;
- Wie sie aufblickt, steht der schöne,
- Unbekannte Ritter vor ihr.
- Händedrückend, liebeflüsternd
- Wandeln sie umher im Mondschein,
- Und der Zephir schmeichelt freundlich,
- Märchenartig grüßen Rosen.
- Märchenartig grüßen Rosen,
- Und sie glühn wie Liebesboten. –
- Aber sage mir, Geliebte,
- Warum du so plötzlich rot wirst?
- »Mücken stachen mich, Geliebter,
- Und die Mücken sind, im Sommer,
- Mir so tief verhaßt, als wärens
- Langenasge Judenrotten.«
- Laß die Mücken und die Juden,
- Spricht der Ritter, freundlich kosend.
- Von den Mandelbäumen fallen
- Tausend weiße Blütenflocken.
- Tausend weiße Blütenflocken
- Haben ihren Duft ergossen. –
- Aber sage mir Geliebte,
- Ist dein Herz mir ganz gewogen?
- »Ja, ich liebe dich, Geliebter,
- Bei dem Heiland seis geschworen,
- Den die gottverfluchten Juden
- Boshaft tückisch einst ermordet.«
- Laß den Heiland und die Juden,
- Spricht der Ritter, freundlich kosend.
- In der Ferne schwanken traumhaft
- Weiße Liljen, lichtumflossen.
- Weiße Liljen, lichtumflossen,
- Blicken nach den Sternen droben. –
- Aber sage mir Geliebte,
- Hast du auch nicht falsch geschworen?
- »Falsch ist nicht in mir, Geliebter,
- Wie in meiner Brust kein Tropfen
- Blut ist von dem Blut der Mohren
- Und des schmutzgen Judenvolkes.«
- Laß die Mohren und die Juden,
- Spricht der Ritter, freundlich kosend;
- Und nach einer Myrtenlaube
- Führt er die Alkadentochter.
- Mit den weichen Liebesnetzen
- Hat er heimlich sie umflochten;
- Kurze Worte, lange Küsse,
- Und die Herzen überflossen.
- Wie ein schmelzend süßes Brautlied
- Singt die Nachtigall, die holde;
- Wie zum Fackeltanze hüpfen
- Feuerwürmchen auf dem Boden.
- In der Laube wird es stiller,
- Und man hört nur, wie verstohlen,
- Das Geflüster kluger Myrten
- Und der Blumen Atemholen.
- Aber Pauken und Trommeten
- Schallen plötzlich aus dem Schlosse,
- Und erwachend hat sich Clara
- Aus des Ritters Arm gezogen.
- »Horch, da ruft es mich, Geliebter;
- Doch, bevor wir scheiden, sollst du
- Nennen deinen lieben Namen,
- Den du mir so lang verborgen.«
- Und der Ritter, heiter lächelnd,
- Küßt die Finger seiner Donna,
- Küßt die Lippen und die Stirne,
- Und er spricht zuletzt die Worte:
- Ich, Sennora, Eur Geliebter,
- Bin der Sohn des vielbelobten,
- Großen, schriftgelehrten Rabbi
- Israel von Saragossa.
Donna Clara
… eine Ballade von Heinrich HeineDonna Clara von Heinrich Heine wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/heine/donna-clara/
Quelle: https://balladen.net/heine/donna-clara/