- Der Nachtwind durch die Luken pfeift,
- Und auf dem Dachstublager
- Zwei arme Seelen gebettet sind;
- Sie schauen so blaß und mager.
- Die eine arme Seele spricht:
- Umschling mich mit deinen Armen,
- An meinen Mund drück fest deinen Mund,
- Ich will an dir erwarmen.
- Die andere arme Seele spricht:
- Wenn ich dein Auge sehe,
- Verschwindet mein Elend, der Hunger, der Frost
- Und all mein Erdenwehe.
- Sie küßten sich viel, sie weinten noch mehr,
- Sie drückten sich seufzend die Hände,
- Sie lachten manchmal und sangen sogar,
- Und sie verstummten am Ende.
- Am Morgen kam der Kommissär,
- Und mit ihm kam ein braver
- Chirurgus, welcher konstatiert
- Den Tod der beiden Kadaver.
- Die strenge Wittrung, erklärte er,
- Mit Magenleere vereinigt,
- Hat beider Ableben verursacht, sie hat
- Zum mindesten solches beschleunigt.
- Wenn Fröste eintreten, setzt‘ er hinzu,
- Sei höchst notwendig Verwahrung
- Durch wollene Decken; er empfahl
- Gleichfalls gesunde Nahrung.
Jammertal
… eine Ballade von Heinrich HeineJammertal von Heinrich Heine wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/heine/jammertal/
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