- Der König Harald Harfagar
- Sitzt unten in Meeresgründen
- Bei seiner schönen Wasserfee;
- Die Jahre kommen und schwinden.
- Von Nixenzauber gebannt und gefeit,
- Er kann nicht leben, nicht sterben;
- Zweihundert Jahre dauert schon
- Sein seliges Verderben.
- Des Königs Haupt liegt auf dem Schoß
- Der holden Frau, und mit Schmachten
- Schaut er nach ihren Augen empor;
- Kann nicht genug sie betrachten.
- Sein goldnes Haar ward silbergrau,
- Es treten die Backenknochen
- Gespenstisch hervor aus dem gelben Gesicht,
- Der Leib ist welk und gebrochen.
- Manchmal aus seinem Liebestraum
- Wird er plötzlich aufgeschüttert,
- Denn droben stürmt so wild die Flut,
- Und das gläserne Schloß erzittert.
- Manchmal ist ihm, als hört er im Wind
- Normannenruf erschallen;
- Er hebt die Arme mit freudiger Hast,
- Läßt traurig sie wieder fallen.
- Manchmal ist ihm, als hört er gar,
- Wie die Schiffer singen hier oben
- Und den König Harald Harfagar
- Im Heldenliede loben.
- Der König stöhnt und schluchzt und weint
- Alsdann aus Herzensgrunde.
- Schnell beugt sich hinab die Wasserfee
- Und küßt ihn mit lachendem Munde.
König Harald Harfagar
… eine Ballade von Heinrich HeineKönig Harald Harfagar von Heinrich Heine wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/heine/koenig-harald-harfagar/
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