1.
- Vor dem Dome stehn zwey Männer,
- Tragen beide rothe Röcke,
- Und der Eine ist der König
- Und der Henker ist der Andre.
- Und zum Henker spricht der König:
- „Am Gesang der Pfaffen merk’ ich,
- Daß vollendet schon die Trauung –
- Halt’ bereit dein gutes Richtbeil.“
- Glockenklang und Orgelrauschen,
- Und das Volk strömt aus der Kirche;
- Bunter Festzug, in der Mitte
- Die geschmückten Neuvermählten.
- Leichenblaß und bang und traurig
- Schaut die schöne Königstochter;
- Keck und heiter schaut Herr Olaf,
- Und sein rother Mund, der lächelt.
- Und mit lächelnd rothem Munde
- Spricht er zu dem finstern König:
- „Guten Morgen, Schwiegervater,
- Heut ist Dir mein Haupt verfallen.
- „Sterben soll ich heut – O, laß mich
- Nur bis Mitternacht noch leben,
- Daß ich meine Hochzeit fey’re
- Mit Banquett und Fackeltänzen.
- „Laß mich leben, laß mich leben,
- Bis geleert der letzte Becher,
- Bis der letzte Tanz getanzt ist –
- Laß bis Mitternacht mich leben!“
- Und zum Henker spricht der König:
- „Unserm Eidam sey gefristet
- Bis um Mitternacht sein Leben –
- Halt’ bereit dein gutes Richtbeil.“
- Herr Olaf sitzt beim Hochzeitschmaus,
- Er trinkt den letzten Becher aus.
- An seine Schulter lehnt
- Sein Weib und stöhnt –
- Der Henker steht vor der Thüre.
- Der Reigen beginnt und Herr Olaf erfaßt
- Sein junges Weib, und mit wilder Hast
- Sie tanzen, bey Fackelglanz,
- Den letzten Tanz –
- Der Henker steht vor der Thüre.
- Die Geigen geben so lustigen Klang,
- Die Flöten seufzen so traurig und bang!
- Wer die beiden tanzen sieht,
- Dem erbebt das Gemüth –
- Der Henker steht vor der Thüre.
- Und wie sie tanzen, im dröhnenden Saal,
- Herr Olaf flüstert zu seinem Gemahl:
- „Du weißt nicht wie lieb ich dich hab –
- So kalt ist das Grab –“
- Der Henker steht vor der Thüre.
- Herr Olaf es ist Mitternacht,
- Dein Leben ist verflossen!
- Du hattest eines Fürstenkinds
- In freier Lust genossen.
- Die Mönche murmeln das Todtengebet,
- Der Mann im rothen Rocke,
- Er steht mit seinem blanken Beil
- Schon vor dem schwarzen Blocke.
- Herr Olaf steigt in den Hof hinab,
- Da blinken viel Schwerter und Lichter.
- Es lächelt des Ritters rother Mund,
- Mit lächelndem Munde spricht er:
- „Ich segne die Sonne, ich segne den Mond,
- Und die Stern’, die am Himmel schweifen.
- Ich segne auch die Vögelein,
- Die in den Lüften pfeifen.
- „Ich segne das Meer, ich segne das Land,
- Und die Blumen auf der Aue.
- Ich segne die Veilchen, sie sind so sanft
- Wie die Augen meiner Fraue.
- „Ihr Veilchenaugen meiner Frau,
- Durch Euch verlier’ ich mein Leben!
- Ich segne auch den Hollunderbaum,
- Wo du dich mir ergeben.“
2.
3.