- Am Wege sitzt er. An der Felder Schwelle.
- Die Winde, die im weißen Korne spielen,
- Sie tragen ihm des Landes Würze zu.
- Des Ölbaums grüner Schatten folgt der Sonne.
- Im Kreise ziehn am Himmel hin die Stunden.
- Nun ward es Mittag. Und der Wind schläft ein.
- Die Panther stehen müde im Geschirr.
- Wo ist ihr Goldglanz, der von India kam,
- Der Welt Entzücken. – Sie sind alt und matt.
- Der Gott ist manches Jahr herumgestreift,
- Verstoßnen Sklaven gleich, durchs Waldgebirge
- Und niemand hat sich seiner mehr erbarmt.
- Durch Städte kam er, wo er einst geherrscht.
- Die Tempel sind zerstört und schon zerfallen.
- Kein Opfer netzt den heilgen Boden mehr.
- Durch Dörfer kam er, wo sein Säulchen sonst
- Mit Rosen jeden Morgen ward bekränzt
- Und wo der Herden Erstling er empfing.
- Der Exorzisten Horde in den Kutten
- Trieb ihn mit Flüchen aus. Und Scheiterhaufen
- Verbrannten seine letzten Söhne lang.
- Ein neuer Gott ist in das Land gekommen.
- Des Kreuzwegs Heiligkeit ward frech entweiht
- Von seinem Bilde, das am Kreuze hängt.
- Nackt, fahl, und wund, so hängt er in dem Tag
- Im goldnen Licht des Mittags, anzuschaun,
- in Schandfleck der geschändeten Natur.
- Wo sind die Spiele hin, die Philosophenschulen,
- Heros Akademos. Der Männer Schönheit.
- Wo ist der Sang der stolzen Olympiaden.
- Wo sind die Götter hin. Sie sind verwandelt,
- Sie sind zerstreut. Sie wohnen in der Erde.
- O. Aphrodite, die zur Spinne ward.
- Er sieht herüber zu dem Götterberge.
- Des eisern Haupt ins Blau des Himmels ragt.
- Verlassen ist er. Einsam alle Zeit.
- »Warum, warum.« Und seine Hände suchen
- Beim Weinlaub Trost, das ihm zu Häupten hängt,
- Und zitternd streicheln sie das reife Korn.
- Die Tränen rinnen langsam ins Gesicht
- Des greisen Gottes, in den Falten hängend.
- Und wie ein Kind schläft er vom Weinen ein.
- Dryaden zwei, die in den Wald geflohn,
- Sie treten aus des Waldes Schatten vor.
- Vorsichtig spähn sie über Weg und Feld.
- Sie sehn den Gott und stürzen ihm zu Fuß:
- O Vater, Vater. Ach er schläft. Sie tragen
- Behutsam ihn zum Walde Schritt vor Schritt.
- Die Panther folgen ihres Herren Spur.
- Der Zug verzieht im Wald. Ein goldner Schein
- Des Wagens schimmert durch die Stämme noch.
- Doch atemlos und stumm wird die Natur.
- »Er ist gestorben« ruft es in den Dörfern.
- Ein heißer Ostwind streicht durch Asia.
- Die Pest tritt in die niedren Türen ein.
- Vorm Kruzifix zergeißelt sich das Fleisch,
- Blut netzt des neuen Gottes bleichen Fuß.
- Kehr wieder, Gott. Kehr wieder aus den Reich
- Des grünen Waldes. Denn erfüllt ist nun
- es neuen Gottes kummervolles Reich.
- Der Usurpator muß vom Throne stürzen,
- Die Bettlergilde die sich angemaßt,
- Der Himmlischen Paläste zu bespein.
- Der Himmel ist zum Tollhaus nun geworden.
- Krankheit und Wahnsinn herrschen im Olymp.
- Drei ward gleich eins. Und Brot ward dort zu Fleisch.
- Sie passen in die Königskleider nicht,
- Die Zwerge, die wie kleine Affen hocken
- Im Götterpurpur auf der Blitze Thron.
- Kehr wieder Gott, dem Pentheus einst erlag.
- Du Gott der Feste und der Jugendzeit.
- Kehr wieder aus des Waldes grünem Reich.
- Kehr wieder, Gott. Erlösung, rufen wir.
- Erlöse uns vom Kreuz und Marterpfahl.
- Tritt aus dem Walde. Finde uns bereit.
- Wir wo dir wieder Tempel bauen, Herr.
- Wir wollen Feuer an die Kirchen legen,
- Vergessen sei des Lebens Traurigkeit.
- Wir flehn zu dir in mancher stillen Nacht.
- Wir sehen hoffend zu den Sternen auf.
- Tritt aus den Sternen. Hör das Rufen, Herr.
Dionysos
… eine Ballade von Georg HeymDionysos von Georg Heym wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/heym/dionysos/
Quelle: https://balladen.net/heym/dionysos/