- Herr Ulrich zog sein blankes Schwert:
- »Zum Kampfe, Schicksal, stell‘ dich mir!
- Bist du auch mit Verderben bewehrt,
- Nicht länger fürcht‘ ich mich vor dir.
- Das Feld ist wüst, auf dem ich steh‘,
- Noch mehr mein Herz durch dich voll Weh!«
- Das Schicksal winkte: »Kämpfen wir!
- Wehre dich, Herr Ulrich!«
- Herr Ulrich that den ersten Stoß.
- Da traf er, was er nicht gedacht,
- Des Freundes Brust, die offen und bloß.
- »Der Hieb war künstlich beigebracht!
- Stumm sank er hin zu deiner Ehr‘
- Und zuckt mit keiner Wimper mehr.
- Kein Pfeilschütz hätt‘ es nachgemacht –
- Wehre dich, Herr Ulrich!«
- Herr Ulrich schwang sein Schwert voll Wuth.
- Da traf er, was er nicht gemeint,
- Sein holdes Lieb, sein theuerstes Gut.
- »Herr Ulrich, weil der Tag noch scheint,
- Beenden wir den Waffengang!
- Die Luft wird kühl, der Schatten lang,
- Den Westen färbt der Sonne Blut –
- Wehre dich, Herr Ulrich!«
- Noch einen Stoß Herr Ulrich that
- Mit letzter Kräfte Aufgebot.
- Blind war sein Aug, sein Arm war matt,
- Sich selbst traf er und traf sich todt.
- Man legt ihm an sein Prachtgewand,
- Das Schwert gab man ihm in die Hand
- Und führt‘ ihn fort zur Ruhestatt –
- Wehre dich, Herr Ulrich!
Der Kampf mit dem Schicksal
… eine Ballade von Ricarda HuchDer Kampf mit dem Schicksal von Ricarda Huch wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/huch/der-kampf-mit-dem-schicksal/
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