Der Enkel

eine Ballade von Georg Kaiser
  1. Er läßt auf seinen Knien den Enkel hocken
  2. und läßt ihn fragen nach dem großen Krieg –
  3. und schildert mit eindringlichem Frohlocken
  4. sei’s Niederlage, sei’s erfochtner Sieg.
  5. Er spricht von Schlachten und von Feindestöten
  6. und von der heißen Lust verschlagner List –
  7. dem Enkel lauschend sich die Wangen röten,
  8. sein Sinn die milde Gegenwart vergißt.
  9. Von Überfällen ist jetzt das Erzählen
  10. des, der sich mehr und mehr erpicht,
  11. vom Untergang in nächtigen Kanälen
  12. und der Vergeltung, die sich säumte nicht.
  13. Da trieb man alles, was im Dorf, zusammen,
  14. den Greis – die Mutter mit dem Säugekind
  15. und steckt‘ den Scheunenpferch in helle Flammen
  16. und sorgt‘, daß keiner aus der Glut entrinnt.
  17. Du konntest das? – Was? – Die im Pferch verbrennen.
  18. Der Alte lacht: hätt‘ ich es nicht gemacht,
  19. so könntest du nicht spielen springen rennen –
  20. mich hätt‘ mein Ungehorsam umgebracht.
  21. Da rutscht der Enkel von den Knien sachte,
  22. stellt totenblaß sich vor den Alten dicht:
  23. zuviel zu sagen, wie er ihn verachte
  24. und sich – speit ihm nur mitten ins Gesicht.
Der Enkel von Georg Kaiser wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.

Quelle: https://balladen.net/kaiser/der-enkel/