- Was rollt so zierlich, klingt so lieb
- Treppauf und ab im Schloss?
- Das ist des Grafen Zeitvertreib
- Und stündlicher Genoss:
- Sein Narr, annoch ein halbes Kind
- Und rosiges Gesellchen,
- So leicht und luftig wie der Wind,
- Und trägt den Kopf voll Schellchen.
- Noch ohne Arg, wie ohne Bart,
- An Possen reich genug,
- Ist doch der Fant von guter Art
- Und in der Torheit klug;
- Und was vergecken und verdrehn
- Die zappeligen Hände,
- Gerät ihm oft wie aus Versehn
- Zuletzt zum guten Ende.
- Der Graf mit seinem Hofgesind
- Weilt in der Burgkapell‘,
- Da ist, wie schon das Amt beginnt,
- Kein Ministrant zur Stell‘.
- Rasch nimmt der Pfaff den Narrn beim Ohr
- Und zieht ihn zum Altare;
- Der Knabe sieht sich fleissig vor,
- Dass er nach Bräuchen fahre.
- Und gut, als wär‘ er’s längst gewohnt,
- Bedient er den Kaplan;
- Doch wann’s die Müh‘ am besten lohnt,
- Bricht oft der Unstern an;
- Denn als die heil’ge Hostia
- Vom Priester wird erhoben,
- O Schreck! so ist kein Glöcklein da,
- Den süssen Gott zu loben!
- Ein Weilchen bleibt es totenstill,
- Erbleichend lauscht der Graf,
- Der gleich ein Unheil ahnen will,
- Das ihn vom Himmel traf.
- Doch schon hat sich der Narr bedacht
- Den Handel zu versöhnen;
- Die Kappe schüttelt er mit Macht,
- Dass alle Glöcklein tönen!
- Da strahlt von dem Ciborium
- Ein goldnes Leuchten aus;
- Es glänzt und duftet um und um
- Im kleinen Gotteshaus,
- Wie wenn des Himmels Majestät
- In frischen Veilchen läge:
- Der Herr, der durch die Wandlung geht, –
- Er lächelt auf dem Wege!
Der Narr des Grafen von Zimmern
… eine Ballade von Gottfried KellerDer Narr des Grafen von Zimmern von Gottfried Keller wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/keller/der-narr-des-grafen-von-zimmern/
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