Eine Legende
- Einst ein Kirchlein sonder gleichen,
- Noch ein Stein von ihm steht da,
- Baute Gmünd der sangesreichen
- Heiligen Cäcilia,
- Lilien von Silber glänzten
- Ob der Heil’gen mondenklar,
- Hell wie Morgenroth bekränzten
- Goldne Rosen den Altar.
- Schuh’ aus reinem Gold geschlagen
- Und von Silber hell ein Kleid
- Hat die Heilige getragen:
- Denn da war’s noch gute Zeit;
- Zeit, wo überm fernen Meere,
- Nicht nur in der Heimat Land,
- Man der Gmünd’schen Künstler Ehre
- Hell in Gold und Silber fand.
- Und der fremden Pilger wallten
- Zu Cäcilias Kirchlein viel;
- Ungeseh’n woher, erschallten
- Drin Gesang und Orgelspiel.
- Einst ein Geiger kam gegangen,
- Ach! den drückte große Noth,
- Matte Beine, bleiche Wangen,
- Und im Sack kein Geld, kein Brot!
- Vor dem Bild hat er gesungen
- Und gespielet all sein Leid,
- Hat der Heil’gen Herz durchdrungen:
- Horch! melodisch rauscht ihr Kleid!
- Lächelnd bückt das Bild sich nieder
- Aus der lebenlosen Ruh,
- Wirft dem armen Sohn der Lieder
- Hin den rechten goldnen Schuh.
- Nach des nächsten Goldschmids Hause
- Eilt er, ganz vom Glück berauscht,
- Singt und träumt vom besten Schmause,
- Wenn der Schuh um Geld vertauscht.
- Aber kaum den Schuh ersehen,
- Führt der Goldschmid rauhen Ton,
- Und zum Richter wird mit Schmähen
- Wild geschleppt des Liedes Sohn.
- Bald ist der Proceß geschlichtet,
- Allen ist es offenbar,
- Daß das Wunder nur erdichtet,
- Er der frechste Räuber war.
- Weh! du armer Sohn der Lieder
- Sangest wohl den letzten Sang!
- An dem Galgen auf und nieder
- Sollst, ein Vogel, fliegen bang.
- Hell ein Glöcklein hört man schallen
- Und man sieht den schwarzen Zug
- Mit dir zu der Stätte wallen,
- Wo beginnen soll dein Flug.
- Bußgesänge hört man singen
- Nonnen und der Mönche Chor,
- Aber hell auch hört man dringen
- Geigentöne draus hervor.
- Seine Geige mitzuführen,
- War des Geigers letzte Bitt’:
- „Wo so viele musiciren,
- Musicir’ ich Geiger mit!“
- An Cäcilias Kapelle
- Jetzt der Zug vorüberkam,
- Nach des offnen Kirchleins Schwelle
- Geigt er recht in tiefem Gram.
- Und wer kurz ihn noch gehasset,
- Seufzt: „Das arme Geigerlein!“
- „„Eins noch bitt’ ich – singt er – lasset
- Mich zur Heilgen noch hinein!““
- Man gewährt ihm, – vor dem Bilde
- Geigt er abermals sein Leid,
- Und er rührt die Himmlischmilde,
- Horch! melodisch rauscht ihr Kleid!
- Lächelnd bückt das Bild sich nieder
- Aus der lebenlosen Ruh,
- Wirft dem armen Sohn der Lieder
- Hin den zweyten goldnen Schuh.
- Voll Erstaunen steht die Menge,
- Und es sieht nun jeder Christ,
- Wie der Mann der Volksgesänge
- Selbst den Heil’gen theuer ist.
- Schön geschmückt mit Bändern, Kränzen,
- Wohl gestärkt mit Geld und Wein,
- Führen sie zu Sang und Tänzen
- In das Rathhaus ihn hinein.
- Alle Unbill wird vergessen,
- Schön zum Fest erhellt das Haus,
- Und der Geiger ist gesessen
- Obenan beym lust’gen Schmaus.
- Aber als sie voll vom Weine,
- Nimmt er seine Schuh zur Hand,
- Wandert so im Mondenscheine
- Lustig in ein andres Land.
- Seitdem wird zu Gmünd empfangen
- Liebreich jedes Geigerlein,
- Kommt es noch so arm gegangen –
- Und es muß getanzet seyn.
- Drum auch hört man geigen, singen,
- Tanzen dort ohn’ Unterlaß,
- Und wem alle Saiten springen,
- Klingt noch mit dem leeren Glas.
- Und wenn bald ringsum verhallen
- Becherklingeln, Tanz und Sang,
- Wird zu Gmünd noch immer schallen
- Selbst aus Trümmern lust’ger Klang.