- Ich will dich rühren mit den Händen,
- Ich will dich scharren aus der Gruft.
- Steig‘ auf! Du darfst, du darfst nicht enden,
- Und wärst du schwebend nur wie Luft,
- Unsichtbar hauchend wie ein Wind,
- Nur sprachlos glänzend wie die Sterne,
- Die starken, die uns ewig ferne
- Uns ewig nahe sind.
- Ich will dich reißen, her dich krallen
- Aus Wirrnis, aus Vergangenheit;
- Soll unbeweint in Schutt verfallen
- Dein Hoffen, du Gerechtigkeit,
- Von Haß umstellt, von Hohn umschrien,
- Ein Horst für Rab und Toteneule,
- Soll flehend an bekrönter Säule
- Der Beter nicht mehr knien?
- Die rost’ge Kette laß mich lösen,
- Die deines Kerkers Pforte sperrt;
- Sie stieß dein Bildnis zu den bösen
- Und schuf es fleckig und verzerrt,
- Sie pflanzte dir das Heuchelwort,
- Das scheele Giftkraut, auf die Lippen,
- Das wuchernd rankt an Grabgerippen
- Und grauenvoll verdorrt.
- Sie lehrte dich das Mörderlauern,
- Die feige, sprunggeduckte Wut,
- Die Wollust, die in Opfers Schauern
- Umarmend wie in Liebe ruht,
- Und trieb dir Beute, eklen Raub,
- In schlau gezwirnte Spinnenräder;
- Sie gab dir schlangengrün Geäder,
- Ein Hirn voll Bücherstaub …
- O daß ich jeden Makel wasche,
- Der so dein Angesicht verdarb! …
- Ich finde gar nichts. Du bist Asche,
- Du Glaube, der nur einmal starb,
- Bestattet ohne Auferstehn,
- Verbrannt am Scheit der neuen Tage,
- Du keuscher Traum und reine Sage
- Als Narren betteln gehn.
- Du glühtest aus. So mag ich sammeln
- Verkohlten Rest, den Aschenflug,
- Mag töricht fromm aus irdnem Stammeln
- Noch formen einen stillen Krug,
- Der fassen und bewahren darf,
- Den Segen, den einst Völker hatten:
- Du mehr als Mensch. Du nichts als Schatten
- Den eine Gottheit warf!
Robespierre
… eine Ballade von Gertrud KolmarRobespierre von Gertrud Kolmar wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/kolmar/robespierre/
Quelle: https://balladen.net/kolmar/robespierre/