- Ich habe mich in Tränen schön gebadet:
- O der Hure, die ich nun bin!
- Granatfrucht, die geschmückt den Pflücker ladet;
- Laubig lockend hängt Schleier über mich hin.
- Der Mantel deckt mich, den die Nacht der Hirten
- Über Lammweiden weht.
- Und ich bin Thamar: Palme vor den Myrten.
- Und wenn mein Herr mit seinem Knaben geht
- Zur Schur gen Timnath, wo gedrängt die Schafe
- Ihm wandeln, wellig wie ein Fluß,
- Soll er mich schauen, daß er bei mir schlafe,
- Der Zeugende, mit dem ich buhlen muß
- Um diese Kinder, alle Kindeskinder,
- Die schon in meiner Tiefe weinen nach Licht,
- Die Helden, stark und ernst wie hörnige Rinder,
- Und Könige mit meines Herrn Gesicht.
- So sieh, ich will dich stillen. Mit den Lüsten,
- Die, Datteln und dunkle Trauben, mein Wuchs dir bringt,
- Mit meinem blauschwarzen Haar, dem Mund, den Brüsten,
- Draus einst die weiße Quelle springt.
- Es breite doch mein Herr über mich seinen Schatten,
- Er lege bei mir nieder Stab und Ring. –
- Und Juda zog zur Herde auf die Matten
- Und kam und tat. Und sie empfing.
Thamar und Juda
… eine Ballade von Gertrud KolmarThamar und Juda von Gertrud Kolmar wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/kolmar/thamar-und-juda/
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