- Lieblich war die Maiennacht,
- Silberwölklein flogen,
- Ob der holden Frühlingspracht
- Freudig hingezogen.
- Schlummernd lagen Wies´ und Hain,
- Jeder Pfad verlassen;
- Niemand als der Mondenschein
- Wachte auf der Straßen.
- Leise nur das Lüftchen sprach,
- Und es zog gelinder
- Durch das stille Schlafgemach
- All der Frühlingskinder,
- Heimlich nur das Bächlein schlich,
- Denn der Blüten Träume
- Dufteten gar wonniglich
- Durch die stillen Räume.
- Rauher war mein Postillion,
- Ließ die Geißel knallen,
- Über Berg und Tal davon
- Frisch sein Horn erschallen.
- Und von flinken Rossen vier
- Scholl der Hufe Schlagen,
- Die durchs blühende Revier
- Trabten mit Behagen.
- Wald und Flur im schnellen Zug
- Kaum gegrüßt – gemieden;
- Und vorbei, wie Traumesflug,
- Schwand der Dörfer Frieden.
- Mitten in dem Maienglück
- Lag ein Kirchhof innen,
- Der den raschen Wanderblick
- Hielt zu ernstem Sinnen.
- Hingelehnt an Bergesrand
- War die bleiche Mauer,
- Und das Kreuzbild Gottes stand
- Hoch, in stummer Trauer.
- Schwager ritt auf seiner Bahn
- Stiller jetzt und trüber;
- Und die Rosse hielt er an,
- Sah zum Kreuz hinüber:
- „Halten muß hier Roß und Rad,
- Mags euch nicht gefährden;
- Drüben liegt mein Kamerad
- In der kühlen Erden!
- Ein gar herzlieber Gesell!
- Herr, ´s ist ewig schade!
- Keiner blies das Horn so hell
- Wie mein Kamerade!
- Hier ich immer halten muß,
- Dem dort unterm Rasen
- Zum getreuen Brudergruß
- Sein Leiblied zu blasen!“
- Und dem Kirchhof sandt´ er zu
- Frohe Wandersänge,
- Daß es in die Grabesruh
- Seinem Bruder dränge.
- Und des Hornes heller Ton
- Klang vom Berge wieder,
- Ob der tote Postillion
- Stimmt´ in seine Lieder.
- Weiter ging´s durch Feld und Hag
- Mit verhängtem Zügel;
- Lang mir noch im Ohre lag
- Jener Klang vom Hügel.
Der Postillon
… eine Ballade von Nikolaus LenauDer Postillon von Nikolaus Lenau wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/lenau/der-postillon/
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