- Mitten aus dem Schnee des Nordens,
- Weit im Süden, aus der Nacht,
- In des Annunciatenordens
- Reicher Herrenmeistertracht:
- Sitz ich auf der türkischen Stute,
- Die, mit Bändern bunt geschmückt,
- Von Pompons und Quasten, Wappen
- Überprunkt ist, fast erdrückt.
- Sesselsattel. Spanische Spitzen,
- Stulpen, Fransen und Draps d’or,
- Seidenwams mit Ärmelschlitzen.
- Zeitalter: Louis Quatorze.
- Ja, so sitz ich auf der Falben;
- Die Allongeperücke fällt
- Gravitätisch auf den Kragen,
- Den ein Diamantknopf hält.
- Langsam fang ich an zu traben,
- Wo Le Notres Garten blüht,
- Wo mich Nelkenwolken laben,
- Wo die Harlemtulpe glüht.
- Mählich stärker wird mein Reiten,
- Park und Blumen sind entflohn,
- Bald bin ich auf wüsten Wegen –
- Wackelt die Perücke schon?
- Stärker wird mein Traben, Reiten,
- Die Perücke purzelt ab,
- Mantel, Wams, Culotten gleiten,
- Immer stärker wird mein Trab.
- Nun Galopp. Zaum, Sattel rutschen,
- Immer länger wird mein Sprung;
- Leise donnerts in der Ferne,
- Orgelt wie Verkündigung.
- Nackt jag ich, auf nacktem Pferde,
- Einem Klippenfelsen zu,
- Kaum noch trägt mich unsre Erde,
- Und die Landschaft fliegt im Nu.
- Einzig schwing ich in der Rechten
- Hoch ein Schwert, hoch überm Kopf,
- Meine Linke griff sich eisern,
- Griff sich fest im Mähnenschopf.
- Flüche schreien mir entgegen,
- Fäuste drohn mich wütend an,
- Schlingen, Fangnetz, Dolch und Degen,
- Feinde, Feinde, Mann an Mann.
- Hieb zur Erde tief! Hallunken!
- Rechts und links! Macht Platz! und drauf!
- Alle Menschen gegen einen:
- Jedes Menschen Lebenslauf!
- Durch! Die Fersen in den Weichen,
- Stürzt und stolpert fort mein Gaul;
- Denn ich muß das Ziel erreichen!
- Auf! Aus jedem Fall und Knaul!
- Höher, rauher, Klamm und Schlünde,
- Immer heb ich hoch mein Pferd,
- Und ich treibe, und ich peitsche
- Seine Flanken mit dem Schwert!
- Oben! Kochend, dampfend, zitternd
- Steht mein Tier mit letztem Pust!
- Seiner Nüstern Hauch zieht gitternd
- Schleier mir vor Kinn und Brust.
- Frei! Verflogen sind die Dämpfe,
- Vor mir liegt in weitester Bahn,
- Glitzernd, schäumend, brandend, brüllend,
- Vor mir wogt der Ozean.
- Wildaufjauchzend vor Entzücken,
- Schleudr ich mitten in den Gischt
- Weit mein Schwert wie Elendskrücken,
- Daß die Welle spritzt und zischt.
- Eine Lohe, an der Stelle,
- Schießt, ein Garbenkorb, empor,
- Und es ruft mich, rafft mich, reißt mich
- In des Weltmeers Donnerchor!
Aufschwung
… eine Ballade von Detlev von LiliencronAufschwung von Detlev von Liliencron wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/liliencron/aufschwung/
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