- »König Erich, die Faust auf den Widerrist,
- Laß tanzen den Hengst im Grase.
- Vergiß den alten Bruderzwist,
- Wir trinken aus einem Glase.«
- Herzog Abel schrieb das. König Erich ritt ein,
- Und lag im Bruderarme.
- Viel Jauchzen der Ritter im Abendschein,
- Lauge Gudmundson schwieg im Schwarme.
- Am Morgen früh weckt Hornstoß und Tusch,
- Zu hetzen Wolf und Elche.
- Die Brüder zusammen im Heidebusch,
- Sie trinken aus einem Kelche.
- Der Herzog allein. Zur Seiten nur
- Ritter Lauge mit Speer und Pfeilen.
- »Sprich, Lauge, wo blieb Wieb Stures Spur,
- Wem hilft sie die Freuden teilen?«
- Der König allein. Zur Seiten nur
- Ritter Lauge mit Speer und Pfeilen.
- »König Erich, wo blieb Wieb Stures Spur,
- Wem hilft sie das Leben teilen?«
- Erich Plogpenning zischt. Den Stachel sticht
- Dem Rothengst er in die Weichen.
- »Bei Sanct Jürgen, ich weiß es nicht,«
- Und sucht die Jagd zu erreichen.
- Am Abend Humpenaus, Zinken und Tanz,
- Beim Brettspiel König und Knappen.
- Der Mond flicht draußen den alten Kranz
- Um Lauben und steinerne Wappen.
- Der Herzog allein. Zur Seiten nur
- Ritter Laug‘ im Wams von Seiden.
- »Sprich, Lauge, wo blieb Wieb Stures Spur,
- Wen küßt sie von euch beiden?«
- »Vom Trinken ist dir die Stirne heiß,
- König Erich, die Luft ist trocken.
- Mein Segel wiegt unten, scharlach und weiß,
- Steig‘ ein, und kühle die Locken.«
- Schloßknechte spannen den Baldachin,
- Vom Söller winkt der Bruder.
- Der König schläft auf dem Hermelin,
- Und leise tauchen die Ruder.
- Verworren Getön vom Prunkgelag,
- Der Wachen und Stundenrufer.
- Da schießt mit gleichem Einfallschlag
- Ein ander Boot vom Ufer.
- »Halt, halt, König Erich!“ … Fackeln im Wind
- Flackern um schwarze Figuren.
- »Wo blieb Wieb Sture, gieb Antwort, geschwind,
- Gieb Antwort, wo blieb Wieb Sturen?«
- »Bei Sanct Jürgen, ich riß sie dir Hund vom Leib,«
- Schreit der König, die Lippen beben.
- »Bei Sanct Jürgen, sie war mir Zeitvertreib
- Zwei Wochen von meinem Leben.«
- Der Ritter ringt ihm den Dolch vom Gehenk,
- Und treibt ihn dem König ins Herze.
- Das rote Blut tropft ins wüste Gemeng,
- Stumm leuchtet oben die Kerze.
- Wo Lauge durchstach den erlauchten Herrn,
- Am Ufer steht die Kapelle,
- Da steht die Kapelle zum finstern Stern,
- Unheimlich klatscht dort die Welle.
- Herzog Abel schwor beim Himmel weit
- Und der reinen Magd im Dome,
- Und ließ dem Mörder wenig Zeit,
- Den zupf der Fisch im Strome.
- Herzog Abel schob nichts auf die lange Bank,
- In Roeskilde ließ er sich krönen.
- In die Königsburg ritt er frech und frank,
- Drommeten und Trummen dröhnen.
Die Kapelle zum finstern Stern
… eine Ballade von Detlev von LiliencronDie Kapelle zum finstern Stern von Detlev von Liliencron wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/liliencron/die-kapelle-zum-finstern-stern/
Quelle: https://balladen.net/liliencron/die-kapelle-zum-finstern-stern/