- Prinz Bertarit bewirtet Veronas Bettlerschaft
- Mit Weizenbrot und Kuchen und edlem Traubensaft.
- Gebeten ist ein jeder, der sich mit Lumpen deckt,
- Der, heischend auf den Brücken der Etsch, die Rechte reckt.
- Auf edlen Marmorsesseln im Saale thronen sie,
- Durch Riß und Löcher gucken Ellbogen, Zeh und Knie.
- Nicht nach Geburt und Würden, sie sitzen grell gemischt,
- Jetzt werden noch die Hasen und Hühner aufgetischt.
- Der tastet nach dem Becher. Er durstet und ist blind.
- Den Krüppel ohne Arme bedient ein frommes Kind.
- Ein reizend stumpfes Näschen guckt unter struppgem Schopf.
- Mit wildem Mosesbarte prahlt ein Charakterkopf.
- Die Herzen sind gesättigt. Beginne, Musica!
- Ein Dudelsack, ein Hackbrett und Geig und Harf ist da.
- Der Prinz, noch schier ein Knabe, wie Gottes Engel schön,
- Erhebt den vollen Becher und singt durch das Getön:
- „Mit frisch gepflückten Rosen bekrön ich mir das Haupt
- Des Reiches ehrne Krone hat mir der Ohm geraubt.
- Er ließ mir Tag und Sonne! Mein übrig Gut ist klein!
- So will ich mit den Armen als Armer fröhlich sein!“
- Ein Bettler stürzt ins Zimmer. „Grumell, wo kommst du her?“
- Der Schreckensbleiche stammelt: „Ich lauscht‘ von ungefähr,
- Gebettet an der Hofburg … Dein Ohm schickt Mörder aus,
- Nimm meinen braunen Mantel!“ Erzschritt umdröhnt das Haus.
- „Drück in die Stirn den Hut dir! Er schattet tief! Geschwind!
- Da hast du meinen Stecken! Entspring, geliebtes Kind!“
- Die Mörder nahen klirrend. Ein Bettler schleicht davon.
- „Wer bist du? Zeig das Antlitz!“ Gehobne Dolche drohn.
- „Laß ihn! Es ist Grumello! Ich kenn das Loch im Hut!
- Ich kenn den Riß im Ärmel! Wir opfern edler Blut!“
- Sie spähen durch die Hallen und suchen Bertarit,
- Der unter dunkelm Mantel dem dunkeln Tod entflieht.
- Er fuhr in fremde Länder und ward darob zum Mann.
- Er kehrte heim gepanzert. Den Ohm erschlug er dann.
- Verona nahm er stürmend in rotem Feuerschein.
- Am Abend lud der König Veronas Bettler ein.
Bettlerballade
… eine Ballade von Conrad Ferdinand MeyerBettlerballade von Conrad Ferdinand Meyer wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/meyer/bettlerballade/
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