- Der Kaiser spricht zu Ritter Hug:
- „Du hast für mich dein Schwert verspellt,
- Des Eisens ist bei mir genug,
- Geh, wähl dir eins, das dir gefällt!“
- Hug schreitet durch den Waffensaal,
- Wo stets der graue Schaffner sitzt.
- „Der Kaiser gibt mir freie Wahl
- Aus allem, was da hangt und blitzt!“
- Er prüft und wägt. Von ihrem Ort
- Langt er die Schwerter mannigfalt –
- „Sprich, wessen ist das große dort,
- Gewaltig, heidnisch, ungestalt?“
- „Des Würgers Etzel!“ flüstert scheu
- Der Graue, der es hält in Hut.
- „Des Hunnenkönigs! Meiner Treu,
- So lechzt und dürstet es nach Blut!“
- „Lass ruhn. Es hat genug gewürgt!
- Die tote Wut erwecke nicht!“
- „Gib her! Dem ist der Sieg verbürgt,
- Der mit dem Schwert des Hunnen ficht!“
- Und wieder sprengt er in den Kampf.
- „Du hast dich lange nicht geletzt,
- Schwert Etzels, an des Blutes Dampf!
- Drum freue dich und trinke jetzt!“
- Er schwingt es weit, er mäht und mäht
- Und Etzels Schwert, es schwelgt und trinkt,
- Bis müd die Sonne niedergeht
- Und hinter rote Wolken sinkt.
- Als längst er schon im Mondlicht braust,
- Wird ihm der Arm vom Schlagen matt,
- Er frägt das Schwert in seiner Faust:
- „Schwert Etzels, bist noch nicht du satt?
- Lass ab! Heut ist genug getan!“
- Doch weh, es weiß von keiner Rast,
- Es hebt ein neues Morden an
- Und trifft und frisst, was es erfasst.
- „Lass ab!“ Es zuckt in grauser Lust,
- Der Ritter stürzt mit seinem Pferd
- Und jubelnd sticht ihn durch die Brust
- Des Hunnen unersättlich Schwert.
König Etzels Schwert
… eine Ballade von Conrad Ferdinand MeyerKönig Etzels Schwert von Conrad Ferdinand Meyer wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/meyer/koenig-etzels-schwert/
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