- „Gott grüß dich, junge Müllerin!
- Heut wehen die Lüfte wohl schön?“
- „Laßt sie wehen von Morgen und Abend,
- Meine leere Mühle zu drehn!“
- „Die stangenlangen Flügel
- Sie haspeln dir eitel Wind?“
- „Der Herr ist tot, die Frau ist tot,
- Da feiert das Gesind.“
- „So tröste sich Leid mit Leide!
- Wir wären wohl gesellt:
- Ich irr, ein armer Königssohn,
- Landflüchtig durch die Welt.
- Und drunten an dem Berge
- Die Hütte dort ist mein;
- Da liegt auch meine Krone,
- Geschmuck und Edelstein.
- Willt meine Liebste heißen,
- So sage, wie und wann,
- An Tagen und in Nächten,
- Ich zu dir kommen kann?“ –
- „Ich bind eine güldne Pfeife
- Wohl an den Flügel hin,
- Daß sie sich helle hören läßt,
- Wann ich daheime bin.
- Doch wollt Ihr bei mir wohnen,
- Sollt mir willkommen sein:
- Mein Haus ist groß und weit mein Hof,
- Da wohn ich ganz allein.“ –
- Der Königssohn mit Freuden
- Ihr folget in ihr Haus;
- Sie tischt ihm auf, kein Edelhof
- Vermöchte so stattlichen Schmaus:
- Schwarzwild und Rebhuhn, Fisch und Met;
- Er fragt nicht lang woher.
- Sie zeigt so stolze Sitten,
- Des wundert er sich sehr.
- Die erste Nacht, da er kost mit ihr,
- In das Ohr ihm sagte sie: „Wißt,
- Eine Jungfrau muß ich bleiben,
- So lieb Euer Leben Euch ist!“ –
- Einsmals da kam der Königssohn
- Zu Mittag von der Jagd,
- Unfrohgemut, doch barg er sich,
- Sprach lachend zu seiner Magd:
- „Die Leute sagten mir neue Mär
- Von dir, und böse dazu;
- Sankt Jörgens Drach war minder schlimm,
- Wenn man sie hört, denn du.“
- „Sie sagen, daß ich ein falsches Ding,
- Daß ich eine Hexe sei?“
- „Nun ja, mein Schatz, so sprechen sie!
- Eine Hexe, meiner Treu!
- Ich dachte: wohl, ihr Narren,
- Ihr lüget nicht daran;
- Mit den schwarzen Augen, aufs erstemal,
- Hat sie mir’s angetan.
- Und länger ruh ich keinen Tag,
- Bis daß ich König bin,
- Und morgen zieh ich auf die Fahrt:
- Aufs Jahr bist du Königin!“ –
- Sie blitzt ihn an wie Wetterstrahl,
- Sie blickt ihn an so schlau:
- „Du lügst in deinen Hals hinein!
- Du willt keine Hexe zur Frau.
- Du willt dich von mir scheiden;
- Das mag ja wohl geschehn:
- Sollt aber von der schlimmen Gret
- Noch erst ein Probstück sehn.“ –
- „Ach, Liebchen, ach, wie hebet sich,
- Wie wallet dein schwarzes Haar!
- Und rühret sich kein Lüftchen doch;
- O sage, was es war?
- Schon wieder, ach, und wieder!
- Du lachest und mir graut:
- Es singen deine Zöpfe… Weh!
- Du bist die Windesbraut!“
- „Nicht seine Braut, doch ihm vertraut;
- Meine Sippschaft ist gar groß.
- Komm, küsse mich! ich halte dich
- Und lasse dich nimmer los!
- O pfui, das ist ein schief Gesicht!
- Du wirst ja kreideweiß!
- Frisch, munter, Prinz! ich gebe dir
- Mein bestes Stücklein preis.“ –
- Rührlöffel in der Küch sie holt,
- Rührlöffel ihrer zwei,
- War jeder eine Elle lang,
- Waren beide nagelneu.
- „Was guckst du so erschrocken?
- Denkst wohl, es gäbe Streich‘?
- Nicht doch, Herzliebster, warte nur,
- Dein Wunder siehst du gleich.“
- Auf den obern Boden führt sie ihn:
- „Schau, was ein weiter Platz!
- Wie ausgeblasen, hübsch und rein!
- Hie tanzen wir, mein Schatz.
- Schau, was ein Nebel zieht am Berg!
- Gib acht, ich tu ihn ein!“
- Sie beugt sich aus dem Laden weit,
- Die Geister zu bedräun;
- Sie wirbelt übereinander
- Ihre Löffel so wunderlich,
- Sie wickelt den Nebel und wickelt,
- Und wirft ihn hinter sich.
- Sie langt hervor ein Saitenspiel,
- Sah wie ein Hackbrett aus,
- Sie rühret es nur leise,
- Es zittert das ganze Haus.
- „Teil dich, teil dich, du Wolkendunst!
- Ihr Geister, geht herfür!
- Lange Männer, lange Weiber, seid
- Hurtig zu Dienste mir!“
- Da fangt es an zu kreisen,
- Da wallet es hervor,
- Lange Arme, lange Schleppen,
- Und wieget sich im Chor.
- „Faßt mir den dummen Jungen da!
- Geschwinde wickelt ihn ein!
- Er hat mein Herz gekränket,
- Das soll er mir bereun.“
- Den Jüngling von dem Boden hebt’s,
- Es dreht ihn um und um,
- Es trägt ihn als ein Wickelkind
- Dreimal im Saal herum.
- Margret ein Wörtlein murmelt,
- Klatscht in die Hand dazu:
- Da fegt es wie ein Wirbelwind
- Durchs Fenster fort im Nu.
- Und fähret über die Berge,
- Den Jüngling mitteninn,
- Und fort bis wo der Pfeffer wächst –
- O Knabe, wie ist dir zu Sinn?
- Und als er sich besonnen,
- Lag er im grünen Gras,
- Hoch oben auf dem Seegestad;
- Die Liebste bei ihm saß.
- Ein Teppich war gebreitet,
- Köstlich gewirket, bunt,
- Darauf ein lustig Essen
- In blankem Silber stund.
- Und als er sich die Augen reibt
- Und schaut sich um und an,
- Ist sie wie eine Prinzessin schön,
- Wie ein Prinz er angetan,
- Sie lacht ihn an wie Maienschein,
- Da sie ihm den Becher beut,
- Sie legt den Arm um seinen Hals;
- Vergessen war all sein Leid.
- Da ging es an ein Küssen,
- Er kriegt nicht satt an ihr;
- Fürwahr ihr güldner Gürtel wär
- Zu Schaden kommen schier.
- – „Ach Liebchen, ach, wie wallet hoch
- Dein schwarzes Ringelhaar!
- Warum mich so erschrecken jetzt?
- Nun ist meine Freude gar.“
- „Rück her, rück her, sei nicht so bang!
- Nun sollt du erst noch sehn,
- Wie lieblich meine Arme tun;
- Komm, es ist gleich geschehn!“ –
- Sie drückt ihn an die Brüste,
- Der Atem wird ihm schwer;
- Sie heult ein grausiges Totenlied,
- Und wirft ihn in das Meer.
Die schlimme Gret und der Königssohn
… eine Ballade von Eduard MörikeDie schlimme Gret und der Königssohn von Eduard Mörike wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/moerike/die-schlimme-gret-und-der-koenigssohn/
Quelle: https://balladen.net/moerike/die-schlimme-gret-und-der-koenigssohn/