- Wie heißt König Ringangs Töchterlein?
- Rohtraut, Schön-Rohtraut.
- Was tut sie denn den ganzen Tag,
- Da sie wohl nicht spinnen und nähen mag?
- Tut fischen und jagen.
- O daß ich doch ihr Jäger wär!
- Fischen und Jagen freute mich sehr.
- – Schweig stille, mein Herze!
- Und über eine kleine Weil,
- Rohtraut, Schön-Rohtraut,
- So dient der Knab auf Ringangs Schloß
- In Jägertracht und hat ein Roß,
- Mit Rohtraut zu jagen.
- O daß ich doch ein Königssohn wär!
- Rohtraut, Schön-Rohtraut lieb ich so sehr.
- – Schweig stille, mein Herze!
- Einstmals sie ruhten am Eichenbaum,
- Da lacht Schön-Rohtraut:
- »Was siehst mich an so wunniglich?
- Wenn du das Herz hast, küsse mich!«
- Ach! erschrak der Knabe!
- Doch denket er: Mir ists vergunnt,
- Und küsset Schön-Rohtraut auf den Mund.
- – Schweig stille, mein Herze!
- Darauf sie ritten schweigend heim,
- Rohtraut, Schön-Rohtraut;
- Es jauchzt der Knab in seinem Sinn:
- Und würdest du heute Kaiserin,
- Mich sollts nicht kränken!
- Ihr tausend Blätter im Walde wißt,
- Ich hab Schön-Rohtrauts Mund geküßt!
- – Schweig stille, mein Herze!
Schön-Rohtraut
… eine Ballade von Eduard MörikeSchön-Rohtraut von Eduard Mörike wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/moerike/schoen-rohtraut/
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