- Liebe fragte Liebe: „Was ist noch nicht mein?“
- Sprach zur Liebe Liebe: „Alles, alles dein!“
- Liebe küßte Liebe: „Liebste, liebst du mich?“
- Küßte Liebe Liebe: „Ewig, ewiglich!“—
- Hand in Hand hernieder stieg er mit Maleen
- von dem Heidehügel, wo die Nesseln stehen,
- eine Nessel brach er, gab er ihrer Hand,
- zu der Liebsten sprach er: „Uns brennt heißrer Brand!
- Lippe glomm auf Lippe, bis die Lust zum Schmerz,
- bis der Atem stockte, brannte Herz auf Herz,
- darum, wo nur Nesseln stehn am Straßenrand,
- wolln wir daran denken, was uns heute band!“
- Spricht von Treu die Liebe, sagt sie „ewig“ nur,-
- ach, die Treu am Mittag gilt nur bis zwölf Uhr,
- Treue gilt am Abend, bis die Nacht begann –
- und doch weiß ich Herzen, die verbluten dran.
- Krieg verschlug das Mädchen, wie ein Blatt verweht,
- das im Wind die Wege fremder Koppeln geht,
- und ihr lieber Liebster stieg zum Königsthron,
- eine Königstochter nahm der Königssohn.-
- Sieben Jahre gingen, und die Nessel stand
- sieben Jahr an jedem deutschen Straßenrand,
- wer hat Treu gehalten? Gott alleine weiß,
- ob nicht wunde Treue brennet doppelt heiß!
- Bei der Jagd im Walde stand mit schwerem Sinn,
- stand am Knick der König bei der Königin,
- Nesselblatt zum Munde hob er wie gebannt,
- und die Lippe brannte, wie sie einst gebrannt:
- „Brennettelbusch,
- Brennettelbusch so kleene,
- wat steihst du so alleene!
- Brennettelbusch, wo is myn Tyd‘ eblewen,
- un wo is myn Maleen?“
- „Sprichst du mit fremder Zunge?“ frug die Königin,
- „So sang ich als Junge“, sprach er vor sich hin.
- Heim sie ritten schweigend, Abend hing im Land,-
- seine Lippen brannten, wie sie einst gebrannt!
- Durch den Garten streifte still die Königin,
- zu der Magd am Flusse trat sie heimlich hin,
- welche Wäsche spülte noch im Sternenlicht,
- Tränen sahn die Sterne auf der Magd Gesicht:
- „Brennettelbusch,
- Brennettelbusch so kleene,
- wat steihst du so alleene!
- Brennettelbusch,
- ik hev de Tyd ‚eweten,
- dar was ik nich alleen!“
- Sprach die Dame leise: „Sah ich dein Gesicht
- unter dem Gesinde? Nein, ich sah es nicht!“
- Sprach das Mädchen leiser: „Konntest es nicht sehn,
- gestern bin ich kommen, und ich heiß Maleen!“-
- Viele Wellen wallen weit ins graue Meer,
- eilig sind die Wellen, ihre Hände leer,
- eine schleicht so langsam mit den Schwestern hin,
- trägt in nassen Armen eine Königin.—
- Liebe fragte Liebe: „Sag, weshalb du weinst?“
- Raunte Lieb zur Liebe: „Heut ist nicht mehr wie einst!“
- Liebe klagte Liebe: „Ists nicht wie vorher?“
- Sprach zur Liebe Liebe: „Nimmer – nimmermehr.“
Ballade vom Brennesselbusch
… eine Ballade von Börries von MünchhausenBallade vom Brennesselbusch von Börries von Münchhausen wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/muenchhausen/ballade-vom-brennesselbusch/
Quelle: https://balladen.net/muenchhausen/ballade-vom-brennesselbusch/