- »Wir wollen dies Jahr die Felder am Rhein
- Mit heißen Sicheln mähn,
- Wie Sensen soll der Flammenschein
- Über die Ernten gehn.
- Gott gnade der Burg und gnade der Stadt,
- Die meiner Faust widerspricht, –
- Du hältst wohl aus die Kanone am Rad,
- Aber Tilly – hältst du nicht!«
- Und der Brabanter sprang vom Pferd,
- Eisenumschlossen ganz,
- Hell klirrend schlug an Koller und Schwert
- Der eiserne Rosenkranz.
- Da stiegen die Wogen des Reiterkriegs,
- Da prasselten Hieb und Schuß,
- Und von dem Blute des Reitersiegs
- Ward rot der blaue Fluß.
- Was silberne Glocken gewesen einst,
- Klingelt als Geld durchs Land,
- Und wer die Messe gelesen einst,
- Bettelt am Straßenrand. –
- Zu Walmarod der Reichsbaron
- Die Zugbrück zog er herauf:
- »’s ist nicht für meine Religion,
- Die gäb ich gern in Kauf,
- ’s ist nicht für meine Baronie,
- Für Thron nicht und Altar,
- Ich kämpfe nur für dich, Sophie,
- Sophie, und für dein Haar!
- Für jedes Haar und für jeden Kuß
- Einen Schwerthieb schlag ich dafür,
- Bis ich Tillys Herz zwischen diesem Fuß
- Und der alten Erde spür!
- Geliebte, nun tauche den roten Mund
- In den roten rheinischen Wein,
- Wir läuten mit klingendem Gläserrund,
- Wir läuten die Litanein!« – –
- »Im Namen des Sohnes der Marie,
- Des Jesusknaben von Prag,
- Ich will die Burg und ich nehme sie
- Vor Sankt Gertraudentag!
- Nie lag ich so lange im Hinterhalt
- Und nie so lang auf der Laur,
- Niemals im ganzen Westerwald
- Und im Walde von Montabaur.
- Ich schwör’s: Wenn ich fange das girrende Paar;
- Sein Haupt vorm Beile sinkt,
- Wenn drüben vom Kloster in Hadamar
- Der Ton der Mette klingt!« – –
- Der Söldner mit Schienen die Schenkel umschloß
- Und prüfte des Flambergs Glanz,
- Und in die Musketenkugeln goß
- Er Perlen vom Rosenkranz.
- Und sie klommen empor trotz Pfeil und Tod
- Im scheidenden Abendlicht,
- Und sie fingen den Herren von Walmarod,
- Das Weib aber – fingen sie nicht!
- Durch den schweigenden Wald den verschwiegenen Pfad
- Hinfloh sie aus Schande und Schlacht,
- Und es säte der Hengst die Funkensaat
- In die dunkele Furche der Nacht.
- Zu Hadamar die alte Abtei
- Träumte im Mondenlicht.
- Sie schlich an der Türe des Pförtners vorbei,
- Den Klopfer hob sie nicht.
- Es klomm die Stufen zum Glockenturm
- Empor die schöne Sophie,
- Wohl atmete droben der Frühlingssturm,
- Viel stürmischer atmete sie.
- Und um den Klöppel der Glocke schlang
- Sie die runden Arme fest,
- Und hielt den schwankenden Glockenstrang
- Zwischen ihre Schenkel gepreßt. –
- Es zog der Mönch zur Mette das Seil,
- Die Glocke war heut tot, –
- Er riß zum zweiten am Glockenseil,
- Da ward es blutig rot.
- Anschlug er den Klöppel zum dritten Mal,
- Da klang ein Schrei so schrill,
- Ein Schrei von wild verzweifelnder Qual,
- Dann ward es totenstill,
- Und nur die große Glocke hallt
- Von Hadamar-Abtei
- Zitternd über den Westerwald
- Ihren letzten Sterbeschrei.
- Und als er klang in Walmarod,
- Ins Knie sank der Baron:
- »Erbarm dich, Herr, um meinen Tod
- Durch Christum deinen Sohn!«
Die Glocke von Kadamar
… eine Ballade von Börries von MünchhausenDie Glocke von Kadamar von Börries von Münchhausen wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/muenchhausen/die-glocke-von-kadamar/
Quelle: https://balladen.net/muenchhausen/die-glocke-von-kadamar/