- Vor der Goldbegier des Bruders,
- Der nach ihren Schätzen schnaubt,
- Der in ihres Gatten Busen
- Sein verruchtes Schwert getaucht,
- Flieht hinweg die schöne Dido
- Aus sidonischen Heimataun,
- Nimmt mit sich gehäufte Schätze,
- Nimmt mit sich des Gatten Staub,
- Dem gelobt sie stäte Treue,
- Wie es ziemt den höchsten Fraun;
- Denn der wahren Witwe Liebe
- Gleicht dem Lieben einer Braut.
- Edle folgen ihr und Knechte,
- Als sie löst den Ankertau,
- Segeln auf den hohen Schiffen
- Durch das tiefe Wogenblau,
- Bis an afrikanischer Küste
- Landen alle voll Vertraun.
- Dido läßt an sichrer Felsbucht
- Mächtig eine Stadt erbaun:
- Axt an Axt erklingt am Ufer,
- Stein um Stein wird ausgehaun.
- Bald beschirmen stolze Mauern
- Tempel, Hafen, Hütt und Haus;
- Drauf als Königin beherrschte
- Dido diesen stolzen Raum.
- Doch der Ruf von ihrer Schönheit
- Breitet seine Flügel aus:
- König Jarbas wohnt benachbart,
- Tapferer Männer Oberhaupt;
- Dieser bietet seine Hand ihr,
- Ja die Drohung macht er laut:
- Wenn die Königin sich weigert
- Meiner Kraft sich anzutraun,
- Wehe jener Stadt, sie möchte
- Dann verschwinden wie ein Traum!
- Zitternd hört es ganz Karthago,
- Weil er mächtig überaus,
- Und des Volks ergraute Väter
- Treten vor der Fürstin auf,
- Flehn sie, jenen Bund zu schließen,
- Hinzugeben nicht dem Raub
- Diese Laren, diese Tempel,
- Die sie liebend selbst gebaut!
- Aber ihr im tiefen Busen
- Steigt ein böser Geist herauf,
- Ob sie freveln soll am Gatten,
- Ob sie, jeder Bitte taub,
- Freveln soll an ihrem Volke,
- Das an ihre Liebe Glaubt?
- Doch in einer solchen Seele
- Ist ein Zweifel wie ein Hauch:
- Nur das Große kann sie denken,
- Nur das Große führt sie aus.
- Einen Holzstoß, wie zum Opfer,
- Läßt die Königin erbaun,
- Läßt um ihn das Volk versammeln,
- Tritt hervor und steigt hinauf:
- Lebe wohl, o mein Karthago,
- Nicht die Feinde sollst du schaun,
- Blühn empor in goldner Freiheit,
- Nicht vergehn in Schutt und Graus:
- O Sichäus, breite deine
- Schattenarme nach mir aus!
- Diese hohen Worte sprechend
- Faßt ein Schwert sie ohne Graun,
- Stößt es durch den schönsten Busen,
- Den die Sonne durfte schaun.
- Und im Aschenkrug gesammelt
- Ward sofort der edle Staub,
- Ward im Tempel selbst bestattet,
- Ward bekränzt mit Siegeslaub.
- König Jarbas zog von dannen,
- Störte nicht Karthagos Bau:
- Jenen seegewaltigen Freistaat
- Gründete so die größte Frau.
Die Gründung Karthagos
… eine Ballade von August von PlatenDie Gründung Karthagos von August von Platen wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/platen/die-gruendung-karthagos/
Quelle: https://balladen.net/platen/die-gruendung-karthagos/