- Könige in Legenden
- sind wie Berge im Abend. Blenden
- jeden zu dem sie sich wenden.
- Die Gürtel um ihre Lenden
- und die lastenden Mantelenden
- sind Länder und Leben wert.
- Mit den reichgekleideten Händen
- geht, schlank und nackt, das Schwert.
- Ein junger König aus Norden war
- in der Ukraine geschlagen.
- Der hasste Frühling und Frauenhaar
- und die Harfen und was sie sagen.
- Der ritt auf einem grauen Pferd,
- sein Auge schaute grau
- und hatte niemals Glanz begehrt
- zu Füßen einer Frau.
- Keine war seinem Blicke blond,
- keine hat küssen ihn gekonnt,
- und wenn er zornig war,
- so riß er einen Perlenmond
- aus wunderschönem Haar.
- Und wenn ihn Trauer überkam,
- so machte er ein Mädchen zahm
- und forschte, wessen Ring sie nahm
- und wem sie ihren bot –
- und: hetzte ihr den Bräutigam
- mit hundert Hunden tot.
- Und er verließ sein graues Land,
- das ohne Stimme war,
- und ritt in einen Widerstand
- und kämpfte um Gefahr,
- bis ihn das Wunder überwand:
- wie träumend ging ihm seine Hand
- von Eisenband zu Eisenband
- und war kein Schwert darin;
- er war zum Schauen aufgewacht:
- es schmeichelte die schöne Schlacht
- um seinen Eigensinn.
- Er saß zu Pferde: ihm entging
- keine Gebärde rings.
- Auf Silber sprach jetzt Ring zu Ring,
- und Stimme war in jedem Ding,
- und wie in vielen Glocken hing
- die Seele jedes Dings.
- Und auch der Wind war anders groß,
- der in die Fahnen sprang,
- schlank wie ein Panther, atemlos
- und taumelnd vom Trompetenstoß,
- der lachend mit ihm rang.
- Und manchmal griff der Wind hinab:
- da ging ein Blutender, – ein Knab,
- welcher die Trommel schlug;
- er trug sie immer auf und ab
- und trug sie wie sein Herz ins Grab
- vor seinem toten Zug.
- Da wurde mancher Berg geballt,
- als wär die Erde noch nicht alt
- und baute sich erst auf;
- bald stand das Eisen wie Basalt,
- bald schwankte wie ein Abendwald
- mit breiter steigender Gestalt
- der großbewegte Hauf.
- Es dampfte dumpf die Dunkelheit,
- was dunkelte war nicht die Zeit, –
- und alles wurde grau,
- aber schon fiel ein neues Scheit,
- und wieder ward die Flamme breit
- und festlich angefacht.
- Sie griffen an: in fremder Tracht
- ein Schwarm phantastischer Provinzen;
- wie alles Eisen plötzlich lacht:
- von einem silberlichten Prinzen
- erschimmerte die Abendschlacht.
- Die Fahnen flatterten wie Freuden
- und alle hatten königlich
- in ihren Gesten ein Vergeuden, –
- an fernen flammenden Gebäuden
- entzündeten die Sterne sich …
- Und Nacht war. Und die Schlacht trat sachte
- zurück wie ein sehr müdes Meer,
- das viele fremde Tote brachte,
- und alle Toten waren schwer.
- Vorsichtig ging das graue Pferd
- (von großen Fäusten abgewehrt)
- durch Männer, welche fremd verstarben,
- und trat auf flaches, schwarzes Gras.
- Der auf dem grauen Pferde saß,
- sah unten auf den feuchten Farben
- viel Silber wie zerschelltes Glas.
- Sah Eisen welken, Helme trinken
- und Schwerter stehn in Panzernaht,
- sterbende Hände sah er winken
- mit einem Fetzen von Brokat …
- Und sah es nicht.
- Und ritt dem Lärme
- der Feldschlacht nach, als ob er schwärme
- mit seinen Wangen voller Wärme
- und mit den Augen von Verliebten …
Karl der Zwölfte von Schweden reitet in der Ukraine
… eine Ballade von Rainer Maria RilkeKarl der Zwölfte von Schweden reitet in der Ukraine von Rainer Maria Rilke wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/rilke/karl-der-zwoelfte-von-schweden-reitet-in-der-ukraine/
Quelle: https://balladen.net/rilke/karl-der-zwoelfte-von-schweden-reitet-in-der-ukraine/